Reden wir über Mission

M.E. / pixelio.de
M.E. / pixelio.de

Mission ist ein wichtiges und umstrittenes Thema in Kirche und Theologie. Wenn es keine Mission gäbe, gäbe es auch kein Christentum, oder? Was hat Mission mit uns als Christinnen und Christen, mit uns als Kirche in Sachsen zu tun? Wo kommt der Begriff „Mission“ überhaupt her? Kann man ihn noch benutzen? Wo und wie findet Mission statt? Und sind Sie dabei - als Missionarin, als Missionar?

 

Wir wollten zwei Wochen intensiv über dieses Thema nachdenken und hatten deswegen drei Leute eingeladen, auf der Forumswebsite miteinander in ein moderiertes Schreibgespräch einzutreten, sich auszutauschen, miteinander zu diskutieren und zu streiten.

 

Wer schon andere Debatten verfolgt hat, die bereits auf unserer Website gelaufen sind, wunderte sich vielleicht: Ein moderiertes Gespräch mit geladenen Gästen statt einer Debatte, an der sich beteiligen kann, wer will?

 

Ein paar erklärende Worte dazu: Zum einen hatten wir nach den bisherigen Erfahrungen tatsächlich das Bedürfnis, ein neues Format auszuprobieren. Wir erhofften uns, dass auf diese Weise Gespräche zustande kommen, die weniger verletzende Töne anschlagen und sich nicht immer mehr oder weniger schnell vom ursprünglichen Thema ab- und dem Thema „Homosexualität“ zuwenden. Zum anderen gab es auch beim neuen Format für jede und jeden die Möglichkeit, sich mit eigenen Erfahrungen, Hinweisen und kritischen Rückfragen am Gespräch zu beteiligen.

 

Überhaupt haben wir das neue Gesprächsformat als Versuch innerhalb unseres Bemühens verstanden, sich sachlich und weiterführend auszutauschen.


Folgende Personen haben an dieser Stelle vom 12. bis 26. März miteinander über das Thema "Mission" geredet

Barbara Zeitler: "Was mich beim Thema Mission beschäftigt, ist die Frage: Wie sieht Deine, meine und unsere Mission aus? Wozu beruft und sendet Gott einzelne Menschen und unsere Kirche, speziell hier in Sachsen?"

Dr. Barbara Zeitler, geb. 1967

Gelernte Landwirtin, Theologin, Pfarrerin, Supervisorin; Sie lebt seit 2008 in Leipzig, war vorher 10 Jahre Gemeindepfarrerin in Oberfranken.

Barbara Zeitler wird das Gespräch moderieren.


Frank Martin: "Mission ist nach meiner Überzeugung der Daseinsgrund der Kirche."

Pfarrer Frank Martin, geb. 1970 in Leipzig und ohne jeden positiven Bezug zur Kirche aufgewachsen, getauft im Alter von 17 Jahren, Kochlehre, Ausbildung zum Buchhändler, Theologiestudium in Berlin, Vikariat in Leipzig, danach Pfarrer in Geringswalde, seit 2006 Pfarrer der Ev. Studierendengemeinde (ESG) Leipzig

Johannes Bartels: "Beim Thema Mission beschäftigt mich die Frage, wie es gelingen kann, die Botschaft von Jesus Christus selbstbewusst als Gute Nachricht für die Welt zu vertreten und dabei dem jeweiligen Gesprächspartner respektvoll und auf Augenhöhe zu begegnen. Praktisch bin ich an innovativen Formen von Mission und Evangelisation interessiert."

Dr. Johannes Bartels, geb. 1968, ist seit 2014 Referent für Jugendevangelisation im Landesjugendpfarramt Dresden. Vorher war er Jugendpfarrer im Kirchenbezirk Aue und Gemeindepfarrer in Lößnitz-Affalter. Er lebt mit seinen beiden Kindern in Pirna.


Randi Weber: "Am Thema Mission interessieren mich die Umbrüche, Perspektivwechsel und Aufbrüche."

Dr. Randi Weber

1966 – 1972 Studium Theologie/ Religionsgeschichte in Leipzig, Jena, Berlin; Theol. Diplom, Promotion, Ordination

Dienste: Herrnhut (Diakonie), Dresden (Gemeinde), Moritzburg (FH, Religionswissenschaft, Konfessionskunde) Dresden (Ökumenisches Informationszentrum)



Das Gespräch

#1 Barbara Zeitler, 11. März 2017

Sehr geehrter Herr Dr. Bartels: Sie arbeiten als Referent für Jugendevangelisation im Landesjugendpfarramt: Woran erkennen Sie erfolgreiche, christliche Mission heute?

 


#2 Johannes Bartels, 11. März 2017

Erfolgreiche Mission – da ist man ja versucht zu sagen: Die erkennt man an den Zahlen! Kommt es zu Lebensentscheidungen – „und wenn ja, wie viele“?

 

Aber das greift natürlich zu kurz. Sicher freut man sich, wenn es zu sichtbaren Entscheidungen kommt, und wenn sich in der Folge sogar Menschen taufen lassen. Und damit ich nicht falsch verstanden werde: Das bleibt auch immer das Ziel!

 

Allein, nicht jede Entscheidung ist sichtbar. Und nicht immer führt sie auch zur Taufe – und schon gar nicht immer gleich. Zumal es ja nach der „Greifswalder Konversionstypologie“ (Zimmermann, J.: Wie finden Erwachsene zum Glauben? Neukirchen-Vluyn 22011) neben der klassischen „Lebenswende“ (oder „Bekehrung“) noch weitere Konversionstypen gibt: „Entdeckung“ und „Vergewisserung“. Meiner Erfahrung nach spielen diese beiden Typen eine ebenso große Rolle wie die „Lebenswende“. Nur führt sie nicht zur Taufe, da diejenigen, die solche Konversionen vollziehen, in der Regel bereits getauft sind.

 

Deshalb: Erfolgreiche Mission erkenne ich daran, dass es zu seelsorgerlichen Gesprächen kommt. Dass Menschen etwas für den Glauben Wesentliches verstanden haben und die Vertiefung im Gespräch suchen. Wobei es nicht immer Mitarbeiter sind, bei denen das Gespräch gesucht wird. Nach einer Jugendrüstzeit berichtete die Mutter einer Teilnehmerin, ihre Tochter habe zu ihr gesagt: „Mama, in dieser Woche bin ich Gott näher gekommen.“ Hätte ich nicht angerufen, um zu fragen, ob die Tochter gut zuhause angekommen ist, hätte ich wohl nie von diesem Feedback erfahren!

 

Ein zweites Kennzeichen erfolgreicher Mission ist, wenn unbekannte Gesichter auftauchen; wenn es Menschen gibt, die auf diese Gäste und Zaungäste zugehen, sie mit hineinnehmen; und wenn die Gäste wiederkommen. Wenn das geschieht, haben die Mitarbeitenden offenbar einiges richtig gemacht!

 


#3 Barbara Zeitler, 13. März 2017

Vielen Dank für Ihren Auftakt, sehr geeehrter Herr Dr. Bartels!

Ziele der Mission sind für Sie "sichtbare Entscheidungen" und letztlich die Taufe."Erfolgreich" ist Mission aus Ihrer Sicht aber jenseits von Zahlen auch,

wenn sie zu seelsorglichen Gesprächen über Wesentliches führt und

wenn neue Menschen in einer christlichen Gemeinschaft "auftauchen" und einbezogen werden.

 

Bleiben wir für den Augenblick beim Ziel von "Mission":

Was sind denn die "sichtbaren Entscheidungen" auf die Mission zielt?

Ist das eine einmalige "Lebensübergabe" an Christus? Ist es, Teil einer christlichen Kirche zu werden?

Nächstenliebe im Alltag? Dass Eltern ihr Kind taufen lassen?

"Gegen rechts" auf die Straße zu gehen? Mit anderen über den Glauben an Gott reden?

 

Gern lese ich hier Antworten von allen drei Gesprächsteilnehmenden und ggf. auch einen anderen Blick auf das Ziel von Mission!

 

Eine Frage, vielleicht speziell für Sie, sehr geehrte Frau Dr. Weber:

Ist die Einschätzung von "erfolgreicher Mission" wie oben auch in der Missionsgeschichte und -theologie typisch?

 

Vielen Dank für's Weiterdenken! Barbara Zeitler

.


#4 Frank Martin, 13. März 2017

Lieber Herr Bartels, mein Eindruck beim Lesen Ihres Textes ist, daß Sie von Evangelisation reden, nicht von Mission. Zur Evangelisation - insbesondere in der Art, wie sie in bestimmten Frömmigkeitsgruppen verstanden wird - können wir gern gesondert reden. 

Mission ist aber viel umfassender. Kirche ist Werkzeug Gottes zur Mission - nämlich der Welt befreiend zu begegnen. Alles, was Menschen aus Zwängen befreit - ist Zeichen, daß die Mission zum Ziel gekommen ist.
Bei vielen Zwängen sind wir uns bestimmt einig. Ein besonderer Zwang ist der, der durch Religion - durch Glaubensnormativitäten aufgemacht wird. Dieser Glaube lebt von Geboten - tu dies nicht, mach das. Sonst ist Gott dir feindlich. Nur, wenn du so oder so bist, ist Gott dir nahe und du gehörst dazu. 
Mission in dem Fall wäre, Menschen von Gott zu befreien - von diesen Gottesvorstellungen zu befreien, damit sie Gott frei begegnen können. 
Und das führt mich zu den Ausführungen zum Missionsbefehl: Wir verstehen den Missionsbefehl falsch, wenn wir uns für die Adressat*innen halten. Er gilt nicht in erster Linie uns, wir sind vielmehr die, von denen im Missionsbefehl die Rede ist. Im Kontext der Auseinandersetzung des frühen Christentums wird gesagt: Ja, auch die Heiden sind eingeschlossen in die Heilszuwendung Gottes. Was bei der Kanaanäerin (Mt 15, 21 ff.) noch wie eine Ausnahme erscheint, wird hier Programm. Die Grenze zwischen Innen und Außen wird niedergerissen. Keine und keiner ist mehr ausgeschlossen vom Heil - also auch wir - Sie und ich, obwohl wir Fremde waren - sind eingeladen.
Aus dieser Perspektive haben wir teil an der Mission. 
Nach meiner Erfahrung wird der Missionsbegriff - gerade in der sehr problematischen Verengung auf Evangelisation - wieder exklusiv verstanden. Du mußt werden wie wir, damit du dazugehörst.
Nein, alle Welt ist eingeladen - lehrt sie halten, was ich Euch geboten habe. Und das ist zusammengefaßt die Liebe zu Gott und den Nächsten und dass das Gesetz für die Menschen da ist und nicht die Menschen für das Gesetz. Es ist also nicht die Aufgabe der Kirche, ein neues Gesetz aufzurichten und danach zuzuteilen, was Gott geschenkt hat.

#5 Randi Weber, 13. März 2017

Lieber Herr Bartels, vielen Dank für Ihre Antwort. Ich stimme Ihnen zu, eine Jugendrüstzeit ist eine Einladung zum Glauben. Wenn es zu seelsorgerlichen Gesprächen kommt und wenn eine Gemeinde so offen ist, dass Gäste gern wieder kommen, ist das ein ermutigendes Zeichen!

 

Aber, wenn sie nicht wieder kommen? Welche christliche „Mission“ ist gemeint? Dieses Wort kann so verzerrte Assoziationen hervorrufen, dagegen trifft das Wort von der Sendung Jesu das Ziel genauer: Die Nähe Gottes ist an ungewöhnlichen Orten und zu überraschenden Zeiten erfahrbar.

 

In dem erwähnten Text „Kirche mit Hoffnung“ beeindruckte die verwegene These „Wachsen gegen den Trend“. Ja, der modischen These, „Nur wer erfolgreich ist, macht alles richtig“, muss widersprochen werden. Wie oft kann man sich täuschen, was Erfolg ist. Wie geht es aber, authentisch zu wachsen?

 

Menschen haben innere und äußere Gründe für eine Distanz gegenüber der Botschaft. Lassen wir sie sprechen? Haben sie eine Stimme? Mein Interesse gilt der Frage: Wie halten wir die Gottesfrage „draußen“ gegenüber den Konfessionslosen und den Fremden gegenüber lebendig. Treffen wir diese Personen überhaupt - und wo?

 

Patentmuster gibt es nicht. Aber Einstellungen können geändert werden. „Vergegnungen“ werden vermieden   - die Kunst der Begegnung gerät in den Blick.

 

Dafür tauchen wir tiefer in das Evangelium ein, erkennen unsere eigenen Zweifel, Sorgen, Fragen, sprechen sie aus und erfahren, dass gerade sie für Menschen Türen öffnen.

 

Ehe vorschnell und wortreich Glauben erklärt wird, hören Frauen/Männer ihrem Alltag mit ihren Sehnsüchten und Zwängen zu. Wer immer das versucht, erwischt sich bei merkwürdigen Wahrnehmungsmustern- um nicht zu sagen Vorurteilen. Solches Nachdenken macht stutzig, aber behutsam.

 

Das wissen wir doch: Begegnung geschieht nicht, wenn Mitmenschen als Zweck für etwas, wie ein Objekt behandelt werden. Begegnung gelingt, wenn wir in ihre Augen sehen und versuchen, ein paar Schritte in ihren Schuhen zu laufen, zuhören und Interesse zeigen.

 


#6 Johannes Bartels, 15. März 2017 (zu #5)

Liebe Frau Weber,

 

danke für Ihr Statement. Sie weisen auf die problematischen Assoziationen von „Mission“ hin. Und in der Tat ist der Begriff schwierig geworden. Ob sich allerdings die von Ihnen vorgeschlagene Alternative „Sendung Jesu“ durchsetzen wird – da bin ich skeptisch. Weniger aus sachlichen Gründen – mir gefällt der Rückbezug auf Jesus, der einen Kultur-Kolonialismus von vornherein ausschließt – als aus pragmatischen Gründen. Schon sprachlich ist „Sendung Jesu“ komplizierter als „Mission“; erst recht sachlich.

 

Uneingeschränkt gefällt mir hingegen ihr Plädoyer für die „Kunst der Begegnung“!

 

Im Rahmen der JESUSHOUSE-Jugendwochen, die gerade im Moment an vielen Orten u.a. in Sachsen stattfinden, gibt es aus ähnlichen Erwägungen heraus ein neues Format: „Dialog“. Verkündigung findet nicht mehr als monologische Predigt statt, sondern als Dialog zwischen dem Evangelisten/der Evangelistin und den Besucher*innen. Die bisherigen Erfahrungen mit diesem Format sind sehr ermutigend!

 

Im Grunde genommen wäre es nicht nur für evangelistische Veranstaltungen an der Zeit, Verkündigung dialogisch zu organisieren, sondern für Verkündigung überhaupt. Auch für die Verkündigung im ganz normalen Sonntagsgottesdienst. Vielleicht nicht jeden Sonntag, aber auch nicht nur ausnahmsweise.

 


#7 Randi Weber, 17. März 2017 (#6)

Lieber Herr Bartels,

 

Warum nicht „Sendung“?

„Mission“ ist leider zu oft fremdbestimmt und instrumentalisiert worden. Sie findet nie im luftleeren Raum von 100 %- en Christen statt. Zusammen mit der Botschaft werden kulturelle Prägung, Zeitgeist und Lebensstil vermittelt, beeinflusst von Orten, politischen Phasen, wirtschaftlichen Interessen, Erziehung, Bildung, Erfahrungen Das können wir nicht unreflektiert lassen, weil diese Faktoren auch eine Wirkung -oft unterschätzt- haben.

 

„Sendung“ scheint mir der passendere Ausdruck, das zeigt z. B. diese Übersetzung: „Macht euch auf den Weg und lasst alle Völker mitlernen. Taucht sie ein in den Namen Gottes, Vater und Mutter für alle, des Sohnes und der heiligen Geistkraft. Und lehrt sie, alles, was ich euch aufgetragen habe, zu tun. Ich bin alle Tage bei euch, bis Zeit und Welt vollendet sind.“

 

Unerhörter Anspruch einer Bibelübersetzung? Aber die Aspekte der sozialen Gerechtigkeit, geschlechtergerechten Sprache und die Anliegen im christlich-jüdischen Dialog waren bisher vernachlässigt und spiegeln doch adäquate Anliegen der Botschaft.

 

Ob für Verkündigung oder Gespräch- „Verdammungsankündigung“ ängstigt oder empört Christen durchaus. Die Allversöhnungsdebatte als Thema möchte ich nicht ausgrenzen - „närrisch“? Gerne…

 


#8 Johannes Bartels, 14. März 2017 (zu #3)

Liebe Frau Zeitler, danke, dass Sie sich auf meine spezielle durch die evangelistische Praxis bestimmte Perspektive auf das Thema Mission einlassen!

 

Sie wollen wissen, was die „sichtbaren Entscheidungen“ sind, auf die Mission zielt. Nun, ich würde gerne aus meiner, wie gesagt, durch die Praxis bestimmte Perspektive antworten: Vorige Woche hatte ich z.B. ein Gespräch mit einem jungen Mann, bei dem während einer evangelistischen Veranstaltung der Wunsch aufkam, Gott bewusster als bisher auch in der Partnerschaft mit seiner Freundin einzubeziehen. Ein anderer fragte mich, was er tun könne, um an seinem Arbeitsplatz deutlicher als bisher Zeugnis für den Glauben abzulegen.

 

Sichtbar werden solche Entscheidungen – oder sagen wir vielleicht vorsichtiger: Anliegen – zunächst nur dadurch, dass sie artikuliert werden. Wenn es dann zu einer brauchbaren Orientierung kommt und die Dinge auch sonst gut laufen, werden sich darüber hinaus aber hoffentlich weitere sichtbare Folgen zeigen: Im ersten Fall könnte das z.B. die Einübung in eine gemeinsame Gebetspraxis zusammen mit der Partnerin sein; im zweiten Fall eine Entwicklung von so etwas wie „Sprachfähigkeit im Glauben“ – die dann freilich auch bei passender Gelegenheit zur Anwendung käme, auch am Arbeitsplatz.

 

Darüber hinaus sind natürlich viele weitere sichtbare Entscheidungen und Anliegen denkbar – einschließlich sämtliche von Ihnen vorgeschlagene Beispiele! Eine Vorfestlegung nach dem Motto: „diese Entscheidungen sind angemessen, jene nicht“ würde Gottes Wirken begrenzen wollen – und das wäre sinnlos. Wenn das Evangelium erfolgreich kommuniziert wird, wird es dazu führen, dass Glaube, Liebe und Hoffnung im Leben konkret werden – wie auch immer das im Einzelnen aussieht.

 


#9 Randi Weber, 14. März 2017 (zu #3)

 Liebe Frau Zeitler,

 spannende Frage! Ich bin keine Missionswissenschaftlerin und muss die Frage an diejenigen weitergegeben, die einen Durchblick über die vielfältigen Forschungen der letzten 20 Jahre haben. Und die Ergebnisse sind mehrdeutig und komplex.

 

Was mich aber beim Lesen darüber beeindruckt hat, ist ein anderer Blick auf die Mission aus sowohl biblischer wie kulturwissenschaftlicher Sicht. Im Prozess der Entkolonisierung (20.Jh.) entdeckten „eigene“ Forscher wie eng Missionsaktivitäten teilhatten an den kolonialen Praktiken und wie stark der Aufprall ethnischer Traditionen mit einer fremden (europäischen) Kultur für die bekehrten Christen war.

 

Was Missionare nicht im Blick hatten, wurde nun erkennbar: Die gute Nachricht erschien als ein Teil von Macht, Unterdrückung und Ausgrenzung. Ein Beispiel finden wir in der Welt- Missionskonferenz, die in Edinburgh 1910 stattfand. Man träumte von einer weltweiten Verbreitung des Evangeliums, aber Afrikaner durften nicht teilnehmen. Die Ausgegrenzten hatten keine Stimme.

 

Afrika wurde „erfolgreich“ christianisiert. Die Armut Afrikas aber ist Identitätsverlust und Entfremdung, „denn es handelt sich um eine Verneinung des Menschseins des Menschen bis in seine kulturellen Wurzeln hinein“ (Bujo Benézet, Die ethische Dimension der Gemeinschaft, 1993, 128)

 

Afrikanische Traditionen wurden für unzulänglich gehalten: heidnisch, unzivilisiert, schwarz. Aber der Gott, der im Exodus und in Jesus Christus offenbart wird, hört die Gebete der Marginalisierten und erwählt die Ausgeschlossenen, Untergeordneten, die Sklaven, die Unbedeutenden, um Segen in die Welt zu bringen. Welch vielfältige, auch erfolgreiche Dynamik hat sich entfaltet und kann sich entwickeln.

 


#10 Johannes Bartels, 14. März 2017 (zu #4)

Lieber Frank Martin,

danke für Ihren Hinweis auf die umfassende Dimension des Missionsbegriffs.

Als ich zur Teilnahme an dieser Diskussion eingeladen worden bin, geschah dies in Kenntnis meiner Tätigkeit als Evangelist. Ich nehme also an, dass es meine Aufgabe ist, den eher evangelistischen Aspekt von Mission zu vertreten (dessen Ausblendung ebenso problematisch wäre wie eine einseitige Fixierung darauf!). Alles andere wäre sicher eine reizvolle akademische Aufgabe, aber dafür gibt es bestimmt geeignetere Gesprächspartner als mich.

 

Deshalb bin ich Ihnen dankbar, dass Sie diese weitere Perspektive mit einbringen. Und Sie haben völlig recht: Mission ist mehr als Evangelisation. Mission ist zunächst einmal Teilhabe an der universalen missio Dei.

 

Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob der mattheische Jesus ausschließlich in diesem auf Einheit zielenden Sinne zu verstehen ist. Wer soll denn eigentlich hingehen und alle Welt zu Jüngern machen? Gehen da alle zu allen? Oder gehen da nicht doch diejenigen, die schon Befreiung erfahren haben, zu denen, die noch auf Befreiung warten?

 

Das schließt ja nicht aus, dass sich die Richtung der Kommunikation später auch einmal ändert. In diesem Sinne verstehe ich das Programm „Mission to the North“, das seit einiger Zeit für einen wichtigen Perspektivwechsel sorgt. Mission ist keine Einbahnstraße. Aber es bleibt eine Straße, sprich die Sendung einer Botschaft, und dazu gehören Sender und Empfänger. (Wobei der ursprüngliche Sender natürlich Gott bleibt.)

 


#11 Frank Martin, 15. März 2017 (zu #9)

Lieber Herr Dr. Bartels,

ich danke Ihnen für Ihren Hinweis. Das hatte ich mir nicht ausreichend klargemacht. Es geht mir allerdings bestimmt nicht um eine akademische Diskussion. Vielmehr meine ich, dass das Verständnis von Mission im Sinne der Evangelisation ganz stark von dem Drinnen-Draußen-Denken geprägt ist. Und in diesem Denken sollte reflektiert werden, daß wir die sind, die von Draußen hereingebeten – eingeladen sind. Ich meine, daß diese Konsequenzen haben muß – für Gott und sein Heil (wie immer wir dies bestimmen) gibt es kein Draußen.


#12 Johannes Bartels, 15. März 2017

Lieber Herr Martin, das klingt sympathisch, wenn Sie schreiben, für Gott und sein Heil gebe es kein Draußen. Allerdings glaube ich nicht, dass dies mit der Sicht ausgerechnet des Matthäusevangeliums übereinstimmt. Noch mal: Wer soll denn dann in alle Welt gehen? Doch nicht etwa Jesus selbst – dann wäre der Imperativ ("gehet hin!“) doch sinnlos! Auch sonst finde ich bei Matthäus Hinweise darauf, dass es am Ende ein Drinnen und ein Draußen geben wird – denken Sie nur an Mt 25,40ff – das Gleichnis vom Weltgericht. Es ist sicher nicht unsere Aufgabe zu entscheiden, wer drinnen ist und wer draußen. Das sollten wir Gott überlassen. Und vielleicht gibt es ja am Ende – gegen Matthäus – sogar eine Allversöhnung. Wer diese leugnet, ist ja bekanntlich ein „Narr“ (K.Barth). (Wer sie allerdings predigt, ebenfalls.)

 

Klar, wir alle sind eingeladen. Doch wer der Einladung gefolgt ist und vom Heil gekostet hat, ist aufgefordert, dafür zu sorgen, dass auch andere Heil finden.

 

Die kleine Spitze mit der „akademischen“ Diskussion nehme ich zurück. ( :

 


#13 Frank Martin, 16. März 2017

Lieber Herr Dr. Bartels, was wäre ein Schreibgespräch ohne kleine Spitzen?

Um aber meinen Gedanken auszuführen: Der Missionsbefehl steht im Kontext der Frage, für wen das Heil Gottes denn bestimmt sei – für die Juden oder für alle. "Es ist nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden zu geben." - Nein, es ist Brot für alle da. "Geht hin!" heißt also, daß die Liebe Gottes die Grenzen des Volkes Gottes übersteigt. Es wird inklusiv nur richtig verstanden. Die nächste Frage finden wir ähnlich in der Apostelgeschichte: Muß ich Jude werden, um Christ zu werden? Nein, auch den Heiden ist der Zugang zu Gott möglich. Die, die nicht sein Volk waren, sind nun auch sein Volk. Der Missionsbefehl richtet sich also an die aus dem Volk Gottes – dem Volk Israel, die unsicher waren, wie weit diese Liebe Gottes reicht. Das ist der Kontext des Missionsbefehls. Also: Die Apostel – die Juden waren - sollen zu allen Völkern gehen, weil Menschen aller Völker zu Gott gehören. Ein guter Grund für uns, auch nicht exklusiv zu denken - nicht nur im Blick auf Völker, sondern auf die Frage, wem das Heil Gottes geschenkt ist.

 

Das Drinnen und Draußen, das Matthäus beschreibt, macht sich interessanterweise nicht am Glauben fest, sondern an der Praxis. Was das für Mission zu bedeuten hat, würde ich demnächst gern bedenken.

 

Ich sehe die Mission aber nicht unter der Prämisse einer ewigen Verdammnis. Diese Rede hat eine pädagogische Funktion, die nicht unwichtig ist. Aber als Druckmittel finde ich sie eher ungeeignet.

 

#14 Randi Weber, 17. März 2017 (zu #13)

Lieber Herr Martin,

vielen Dank für Ihren Hinweis auf den Kontext des Missionsbefehls und dass Sie Verdammnis mehr als pädagogische Funktion deuten. Ja, die Praxis ist entscheidend, nicht nur der Glaube – wie kann die Erkenntnis alltagstauglicher werden?

 

Dialog- Predigten haben wir schon ausprobiert, aber die Gemeinde erst hinterher mitreden lassen. Das war ein Fehler- und so sind sie auch wieder verschwunden. Neue Formen zu wagen, wäre prima.


#15 Barbara Zeitler, 14. März 2017

Vielen Dank für Ihre Beiträge! Mission, Sendung Jesu bedeutet, wenn ich das recht lese, für Sie alle, in Beziehung zu kommen - mit anderen Menschen und darin auch aufmerksam zu sein für die Gottesbeziehung. Herr Martin betont, dass die Sendung von Gott ausgeht, der der ganzen Welt befreiend begegnet – das ist für ihn das entscheidende Kriterium für die Mission Gottes. Herr Bartels gibt Beispiele aus seiner Arbeit für solche Beziehungen und Begegnungen, für konkrete Fragen und Antworten. Er vermutet einen Unterschied in der Sendung zwischen den 'Befreiten' und den 'Noch-Gefangenen'. Frau Weber erinnert daran, dass sich der Begriff „Mission“ in der persönlichen wie in der Kirchen-Geschichte auch mit Machtmissbrauch und Verletzungen verbindet. Zugleich macht sie aufmerksam darauf, dass es den eigenen Glauben verändert und bereichert, wenn Fragen und Vorbehalte in der Beziehung hörbar und sichtbar werden.

Ich würde gern eine neue Runde von Rede, Antwort und Antwort eröffnen zur Frage: Wie findet denn die Mission Gottes bei uns hier statt? Also: a) Wie habe ich als Christin, Sie als Christ daran Anteil? Und: b) Wie hat die Kirche, speziell unsere hier in Sachsen daran Anteil? Welche Formen, Möglichkeiten, Versäumnisse... sehen Sie? Nach dem letzten Gesprächsgang möchte ich auch fragen: c) Wie haben nicht-Religiöse und nicht-christlich Glaubende hier in Sachsen Anteil an der Mission, der Sendung Gottes? Gespannt auf Ihre Beiträge grüßt freundlich: Barbara Zeitler.

 

#16 Johannes Bartels, 15. März 2017 (zu #11)

Liebe Frau Zeitler,

 

Sie fragen, wie Mission Gottes bei uns hier in Sachsen stattfindet.

 

a) Statistisch gesehen ist die wohl wichtigste Form von Evangelisation die Beziehungsevangelisation (ganz grundsätzlich in Deutschland und sicher auch bei uns in Sachsen). Also das, was in der Begegnung zwischen Freund und Freund, Kollegin und Kollegin geschieht. In der Greifswalder Untersuchung dessen, was für eine Konversion Erwachsener ausschlaggebend ist, spielen Personen jedenfalls eine deutlich größere Rolle als Veranstaltungen. In andern Worten: Es kommt ganz entscheidend auf das Zeugnis der Christ*innen an – ein starkes Argument für das gute alte „Priestertum der Getauften“!

 

Ganz unbedeutend sind freilich auch Veranstaltungen nicht. Glaubenskurse, einladende Gottesdienste, Evangelisationswochen, Rüst- und Freizeiten mit evangelistischer Ausrichtung, „Kirche unterwegs“, etc. Doch auch bei diesen Veranstaltungen funktioniert so gut wie nichts ohne persönliche Einladung, und da sind alle gefragt, keineswegs nur die Mitarbeitenden!

 

b) Damit sind schon einige der kirchlichen Formate genannt, die in Sachsen – wie überall – eine Rolle spielen, wenn es um Mission geht. Auch die Diakonie ist in diesem Zusammenhang nicht zu vergessen.

 

Die Möglichkeiten sind geradezu unbegrenzt. Ich selbst z.B. experimentiere gerade mit kreativen Straßeneinsätzen in der Tradition des Aktionskünstlers Arno Backhaus. Seine erste – und sicher auch bekannteste – Aktion war die Schale mit Kleingeld und dem Schild „Ich bin reich beschenkt – nimm dir was raus!“ Das ist eine sehr effektive Methode, Passanten neugierig zu machen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

 

Ein weiteres Experiment ist die „0-Euro-Tour“: eine Wanderung durch Sachsen, ohne Geld und ohne organisierte Quartiere. In den letzten zwei Jahren waren jeweils 20 Jugendliche dabei. Verzehrt wird, was wir geschenkt bekommen – oder als Gegenleistung für kleinere Arbeiten wie Unkrautjäten, Autowaschen, etc. Dasselbe gilt für die Unterkunft. Da kommt es zwangsläufig zu jeder Menge Begegnungen, und oft kommt es auch zu Gesprächen über den Glauben – denn der steht ja bei der Aktion im Hintergrund.

 

Versäumnisse sehe ich vor allem darin, dass Evangelisation oft zu einseitig als Veranstaltungsevangelisation verstanden wird und dass sie den Expert*innen überlassen wird.

 

c) Nicht-Religiöse und nicht-christliche Glaubende haben in dem Maß Anteil an der Sendung Gottes, in dem es gelingt, sie einzuladen, zu interessieren: Besonders gut gelingt das m.E. zurzeit in der Arbeit mit Geflüchteten (Begegnungscafés, gemeinsame Unternehmungen bis hin zum christlich-muslimischen Dialog, etc.).

 

 


#17 Frank Martin, 18. März 2017

Liebe Frau Dr. Weber (#14), liebe Frau Dr. Zeitler (#15),

wie sieht Mission aus? Ich fasse es allgemein. 

Der Daseinsgrund der Kirche ist Mission und zwar die Bezeugung des Evangeliums als heilvolle Zuwendung Gottes. Unter dieser Prämisse steht alles. Bezogen auf die klassische Dreiteilung des kirchlichen Handelns als Gemeinschaft - Diakonie – Liturgie: Der Gottesdienst als Feier des Heils - Bezeugung der Liebe Gottes; Gemeinschaft - in der alle aufgehoben sind und die, die etwas tragen können, für die tragen, die nicht können; Diakonie - das unbedingte Einstehen für die, die in Not sind - das wäre die Bezeugung des Evangeliums und damit Mission im umfänglichen Sinne.

Die Verkündigung des Evangeliums in einem wortbezogenen Sinne will ich

nicht infrage stellen, aber sie kann nur eingebettet sein.

Lassen wir das praktisch werden: Feiern wir unsere Gottesdienste so, dass sie die Zuwendung Gottes bezeugen? Ich kann nur selbstkritisch für mich sagen, daß mir diese Dimension nicht immer gegenwärtig ist.

Und unsere Gemeinschaft? Wenn wir an der Liebe untereinander erkannt

werden sollen - und dies zugleich Bezeugung des Evangeliums ist - haben

wir keine wirklich guten Voraussetzungen. Und in der Diakonie? Diakonisches Handeln im biblischen Sinne ist ja nicht das Abgeben des Überflüssigen, sondern das Teilen des Notwendigen. Wie sieht es da aus? Die Reaktionen auf die vielen

Geflohenen, geben kein wirklich deutliches Zeugnis.

 

Sind wir also in diesem Sinne missionarische Kirche? Wie gesagt, ich

frage das selbstkritisch.

Deshalb unterscheide ich noch einmal zwischen der Verkündigung und der Bezeugung des Evangeliums. Das eine kann die Aufgabe für Expert*innen sein –wir können streiten, wie das aussehen soll. Das zweite ist die Aufgabe von Kirche - und ich fürchte,da bleiben wir viel schuldig.

 


#18 Randi Weber, 19. März 2017 (zu #15-17)

Lieber Herr Martin, lieber Herr Bartels,

vielen Dank für Ihre anregenden Impulse und praktischen Beispiele.

Ihrer dritten Frage, liebe Frau Zeitler, gerecht zu werden, wie Nicht-Religiöse in Sachsen Anteil an der Mission, der Sendung Gottes haben, ist schwer. Da hilft abstraktes Theologisieren nicht weiter. Bestimmt sind in Sachsen schon ähnliche Prozesse in Gang, die eine Nähe zu „Mission“ zeigen. Gern würde ich mehr erfahren.

Hier kann ich nicht mehr als Fragen stellen. Ob sie -dem Format entsprechend kurz- vorstellbar, alltagstauglich, wünschenswert oder realitätsfern gehalten werden, würde mich interessieren.

  • Haben Gemeinden Ressourcen, Zeit und Lust, sich so weit öffnen, dass sie für –und mit- kirchenfernen Nachbarn Anlässe für Kontakte suchen?
  • Können kirchenferne Nachbarn in Gruppen eingeladen werden, die ökumenisch schon funktionieren?
  • Eignen sich die Themen Säkularismus - Glaubensferne- Glaube und Nicht- Glaube für Gemeindeabende? Kann man Interesse wecken, damit Christen erfahren, was Juden oder Muslime eigentlich glauben?
  • Wie belebt man den Austausch mit Nicht- Christen? Könnte mehr Offenheit für die Anderen der Kirchen- Gemeinde Impulse geben, damit sie sich auf ihre Stärken besinnt?
  • Wie könnte die Einsicht wachsen, dass Ferne oder Fremde nicht passive Empfänger sind. Sie geben uns etwas dazu!
  • Kann man in der unmittelbaren Nachbarschaft Interesse für Aktionen wecken, die in der Region sehr gebraucht werden?
  • Was könnten sog. Erzählcafés bewirken?

Ich freue mich über das „Dresdner Wort der Religionen“.

Große Worte suchen Praxis: „Wir verpflichten uns zum Wohl der Gesellschaft mit Partnern aus anderen Religionen und der nicht-religiösen Gesellschaft zusammenzuarbeiten“.

 

 


#19 Johannes Bartels, 20. März 2017

Wie haben oder bekommen Nicht-Religiöse und Nicht-christlich-Glaubende Anteil an der Sendung Gottes? 

Danke, liebe Frau Weber, für Ihre Fragen und Anregungen zu dieser Frage!

Grundsätzlich stimme ich Herrn Martin zu, wenn er hier ein Defizit sieht. Da gibt es sicher noch viel Luft nach oben.

Im Sinne einer eher Ressourcen-orientierten Perspektive auf die Dinge möchte ich an dieser Stelle aber lieber von Projekten reden, die in die richtige Richtung gehen.

Können kirchenferne Nachbarn eingeladen werden? Ja, natürlich können sie! In Pirna etwa lädt die Ökumenische Initiative Begegnungscafé im Rahmen des „Marktes der Kulturen“ zu einem Frühstück auf dem Markt ein. Jeder, der vorbeikommt, ist eingeladen. Ein starkes Zeugnis für Gastfreundschaft aus dem Geist der Nächstenliebe!

Kann man Interesse wecken, damit Christen erfahren, was Juden und Muslime eigentlich glauben? Ja, natürlich! Wieder ein Beispiel aus Pirna: Nachdem seit zwei Jahren „alt eingesessene“ Pirnaer und Geflüchtete überwiegend muslimischen Glaubens im Begegnungscafé einander begegnen, nehmen wir uns momentan Zeit, auch in Glaubensfragen einander kennen zu lernen: Podiumsdiskussionen, gemeinsame Besuche in der Moschee bzw. in der Kirche, etc. – das sind Gelegenheiten, die von beiden Seiten dankbar angenommen werden.

Wie könnte die Einsicht wachsen, dass Ferne oder Fremde nicht passive Empfänger sind? Ein drittes Beispiel aus Pirna (das ist nun einmal der Ort, von dem ich aus erster Hand berichten kann): Anlässlich des Festes der Opferung Isaaks, im Islam offenbar ein hoher Feiertag, haben Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan und dem Irak alle Interessierten zu einem Festmahl eingeladen. Und die Pirnaer haben nur gestaunt über so viel herzliche Gastfreundschaft. Sie haben völlig recht, liebe Frau Weber: Sie geben uns etwas dazu!

 


#20 Barbara Zeitler, 20. März 2017

Liebe Gesprächsteilnehmende! Gern möchte ich Ihnen Gelegenheit geben, auf die Beiträge der jeweils anderen einzugehen und zu antworten. Mit unserer Zeichenbegrenzung bedeutet das: Sie dürfen und müssen sich auf Weniges konzentrieren - auf das, was Sie besonders anspricht, ob erfreut oder irritiert. Mich persönlich interessiert der Aspekt: Wie schätzen Sie Großveranstaltungen wie Pro Christ oder den Kirchentag im Blick auf die "Sendung Jesu" oder "erfolgreiche Mission" ein? Sehr geehrter Herr Mederacke, vielen Dank für Ihren Beitrag und den wichtigen Hinweis auf das ökumenische Papier zum "Zeugnis in einer multireligiösen Welt"! Wir sind hier in Sachsen gefragt: Was heißt das bei uns? Liebe Mitleserinnen und Mitleser! Inzwischen gibt es viele Anknüpfungspunkte - auch viele Fragen: Was denken Sie? Teilen Sie Ihre Erfahrung mit Mission oder als Zeugnis-Geberin mit, schreiben Sie Ihre Antwort, Ihre Frage als Kommentar - wir sind gespannt! Oder lieber persönlich? Dann treffen Sie sich z.B. bei einer Tischgemeinschaft und tauschen Sie sich dabei aus.

 

 


#22 Johannes Bartels, 22. März 2017

 

Liebe Frau Zeitler,

 

Sie fragen nach der Beurteilung von Großveranstaltungen wie ProChrist oder Kirchentag im Blick auf Mission bzw. die Sendung Jesu.

 

Ich sehe den Wert von solchen Großveranstaltungen vor allem darin, dass Kirche und Glaubensthemen im öffentlichen Raum präsent sind. Damit wird dem Nischendasein von Kirche entgegengewirkt. Dieses „Grundrauschen“ hat jedoch wohl eher unterstützende Funktion, wenn es um Mission geht: Es erleichtert die Annäherung an den Glauben. Doch um Gott zu finden, braucht es in der Regel die Begegnung, die 1:1-Kommunikation.

 

Das hat auch ProChrist erkannt. Inzwischen wird die Ausstrahlung von einem zentralen Ort zunehmend durch Veranstaltungen mit Live-Verkündigung vor Ort ergänzt. Bei JESUSHOUSE, dem Jugendableger von ProChrist, finden gerade im Moment an vielen Orten Jugendwochen in diesem Format mit Live-Verkündigung vor Ort ab. Man greift also bei Plakaten, Flyern und flankierenden Maßnahmen auf das JESUSHOUSE-Material zurück und gestaltet das Programm ansonsten mit eigenen Ressourcen.

 

Nach allem, was ich mitbekommen habe, läuft das gerade sehr gut. Und wenn ich mein zu Beginn der Diskussion genanntes Kriterium für „erfolgreiche“ Mission zugrunde lege, dann zeigt sich: Es werden gute Gespräche geführt. Darüber hinaus werden Angebote zur Reaktion genutzt: Jugendliche hinterlassen ihren Fingerabdruck auf einem Holzkreuz, entzünden Kerzen und stellen auf, etc. Die Veranstaltungen haben also auf jeden Fall Resonanz.

 

Jetzt kommt es natürlich darauf an, dran zu bleiben. Und das wird wohl nur gelingen, wenn es nach solchen Großveranstaltungen irgendwie weitergeht: in Glaubenskursen z.B. oder in einer regelmäßigen Arbeit vor Ort, die bereit ist, neue Teilnehmende zu integrieren.

 


#23 Randi Weber, 23. März 2017 (zu #19-20)

Lieber Herr Mederacke:

Ihr Hinweis auf dieses Dokument von 2011 war hilfreich. Die Zusammenarbeit von ÖRK und Allianz war überfällig.

Hier mein Hinweis für das Nachfolge- Dokument: Gemeinsam für das Leben- Mission und Evangelisation in sich wandelnden Kontexten, Busan 2013

 

Lieber Herr Bartels, ich staune über die vielen Beispiele aus Pirna, Begegnungscafé, Teilnahme Markt der Kulturen, Besuch in der Moschee, Gemeinsames Essen. Wer wollte sich nicht darüber freuen!

Denn: Wir können nicht nur allein gerettet werden, während zu vielen Menschen das Leben in seiner Fülle verweigert wird, Unrecht und Hunger sich fortsetzen, Hass und Gewalt gegenüber Fremden propagiert wird.

„Früchte des heiligen Geistes sind auch Engagement im Widerstand gegen alle Kräfte, Mächte und Systeme, die Leben verweigern, zerstören und einschränken.“, so sagt es das og. ÖRK- Dokument aus Busan.

Ein gut funktionierendes Gemeindeleben mit Gottesdiensten und Gemeindegruppen vorausgesetzt, braucht Gespräche unter der Überschrift „Was würde Jesus dazu sagen“ z.B. den Schutz der Schöpfung, nachhaltigen Lebensstil, Hilfe für Geflüchtete, interreligiösen Dialog, Offenheit gegenüber Nicht- Religiösen oder Fremden.

Das gehört zur lebendigen Gemeinde und ist Teil der Sendung Jesu.

Ich weiß nicht, welche Methoden bei Pro Christ und JESUSHOUSE betr. der Evangelisation favorisiert werden: ausschließlich individuelle Mission mit dem Ziel der Übergabe des Lebens an Jesus? Welche Sündenerkenntnis wird verlangt? Wörtliches Schriftverständnis? In welche Richtung sind Warnsignale platziert? Welche kulturellen Themen werden besprochen- oder ausgegrenzt? Da haben wir wohl noch viel Gesprächsbedarf.

 

 


#24 Frank Martin, 23. März 2017

Liebe Frau Dr. Weber, lieber Herr Dr. Bartels,

ich möchte zwei Irritationen aufgreifen.

Zum einen die Frage nach den Ressourcen der Gemeinden. Wenn Mission im umfassenden Sinn der Grund und Zweck die Kirche ist, kann sich diese Frage gar nicht stellen. Dann könnten wir höchstens noch fragen: Ist das Kirche - oder kann das weg? Auch Gemeinschaft ist Teil des missionarischen Handelns der Kirche. Wenn es aber zur Gruppenpflege wird, die andere ausschließt, ist es schwierig.

Zum zweiten: Wir fragen immer, wie wir nichtreligiöse Menschen gewinnen können. Die Frage davor sollte lauten: Warum müssen wir uns um sie bemühen? Ich höre manchmal von manchen Leuten: "Wir haben die beste Botschaft der Welt." Als Selbstbehauptung ist das ja nett. Aber zur besten Botschaft wird sie, wenn andere das sagen. Nicht der Meister soll das Werk loben, sondern das Werk den Meister.

Und damit sind wir bei dem, was mich im Blick auf die Mission Gottes umtreibt - die Glaubenspraxis. Wo passiert bei uns, was Jesus von sich laut Lukas sagt:

"Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit  und zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.«

Und als er das Buchzutat, gab er's dem Diener und setzte sich. Und aller Augen in der Synagoge sahen auf ihn. Und er fing an, zu ihnen zu reden: Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren."

Was das im Einzelnen heisst, könnten wir diskutieren - aber es war diese Kirche, die missionarisch erfolgreich war, in der das Heilshandeln Gottes konkret wurde - nicht nur, durch schöne Worte.

#25 Johannes Bartels, 23. März 2017

Liebe Frau Weber,

JESUSHOUSE zielt in der Tat auf Konversion. Wobei „Konversion“ unbedingt weiter zu fassen ist als „Bekehrung“ oder „Lebenswende“. Nach der Greifswalder Konversionstypologie sind auch signifikante Erfahrungen von „Entdeckung“ und „Vergewisserung“ Konversionen. In dieser Hinsicht hat sich der Horizont von JESUSHOUSE (und vermutlich auch von ProChrist) deutlich geweitet.

 

Konversion ist in der Regel ein individuelles Phänomen. Wenn es gut geht, hat sie aber natürlich auch eine soziale Komponente: Wer JESUSHOUSE-Veranstaltungen besucht, wird in die beteiligten Kreise und Gruppen eingeladen; in der Regel also in die Jungen Gemeinden und Jugendkreise, darüber hinaus aber auch zu Kreisen wie TenSing, Sportgruppen o.ä.

 

Was die Sündenerkenntnis betrifft, gibt es keine vorgegebenen Dogmen. Das hängt vor allem von demjenigen ab, der für die Verkündigung zuständig ist – sei es als Live-Evangelist vor Ort oder als Evangelist an zentraler Stelle, von der aus übertragen wird. Die Evangelist*innen sollen also keine offizielle Linie vertreten, sondern ihre je individuelle Glaubensüberzeugung. Das betrifft auch das Schriftverständnis. Ich selbst z.B. vertrete die Verbalinspiration nicht – und verlange das demzufolge auch nicht von den Jugendlichen. Auch kulturelle Themen werden natürlich angesprochen, wenn es sich anbietet. Einer der Texte etwa, um die es bei JESUSHOUSE zurzeit geht, ist die Geschichte von Zachäus. In Pirna kam dabei gestern die Frage auf, wer denn in unserer Gesellschaft heute zu den Außenseitern gehört. Die Vorschläge reichten von Nazis über Flüchtlinge und Ausländer bis hin zu Polizisten oder Obdachlosen. Es kann also keine Rede davon sein, dass kulturelle oder gesellschaftliche Themen ausgegrenzt würden (was natürlich nicht ausschließt, dass dies hier und da vorkommt – aber wie gesagt: es gibt keine offizielle Linie!).

 

Wenn Sie die Gelegenheit haben, eine JESUSHOUSE-Veranstaltung zu besuchen (in Pirna z.B. noch bis Samstag), möchte ich Ihnen dies wärmstens ans Herz legen. Ich vermute, es könnte sich Ihnen ein völlig neues Bild von Evangelisation bieten!

 

 


#26 Barbara Zeitler, 24. März 2017

Liebe Frau Weber, lieber Herr Bartels, lieber Herr Martin, langsam neigt sich unser Schreibgespräch dem Ende zu: Noch bis einschließlich Sonntag wird Zeit sein für Rede und Antwort.  Ich greife zum Schluss angesichts der aktuellen Debatte um die Kirchenstrukturen in Sachsen die Frage auf, welche Rolle die Kirche als Ortsgemeinde für die Sendung Jesu spielt: „Ist das Kirche oder kann das weg?“ fragte Herr Martin (#24) provokant. Wenn die Aufnahme des Evangeliums bedeutet, dass Glaube – Liebe – Hoffnung oder Diakonie – Gemeinschaft – Liturgie im Leben konkret werden und Menschen von Zwängen befreit werden (Bartels #8 und Martin #17), welche Kirchenstrukturen braucht es dafür? Was gibt den Verkündigungsprofis und den anderen Glaubenden Motivation und Möglichkeiten? Ein Anliegen von Frau Weber greife ich noch einmal auf mit der Frage: Wenn Jesus gemäß der neuen Lutherübersetzung in Mt 28, 19 sagt „lehret sie (die Völker) halten alles, was ich euch befohlen habe“ - was heißt das? Lasst sie mitlernen? (Weber #7) Oder gliedert sie ein in die Gemeinschaft der Ortskirchengemeinde, den Hauskreis, das Forum für Gemeinschaft und Theologie? Ist es egal, ob sie dabei einem historisch-kritischen oder einem verbalinspirierten Verständnis biblischer Texte begegnen? Herzlichen Dank für Ihr Mitdenken! Barbara Zeitler.

 


#27 Johannes Bartels, 24. März 2017

Welche Kirchenstrukturen braucht es?

Kirche ist dann Kirche, wenn in ihr aus dem Geist des Evangeliums Glaube, Liebe und Hoffnung konkret werden. Das gilt für alle kirchlichen Ebenen, aber im Leben der Glaubenden kommt dabei der Ortsgemeinde besondere Bedeutung zu, denn sie ist am nächsten dran am Alltag der Menschen! Das muss sich auch in der Verteilung der Kompetenzen niederschlagen. Je mehr Kollekten etwa im Kollektenplan als abzuführend verplant werden, desto enger wird der Spielraum der Ortsgemeinde, auch einmal unbürokratisch für ein Anliegen vor Ort zu sammeln!

 

Mitlernen ist ein schönes Wort. Es müsste freilich auch im Verkündigungsstil konkret werden. An dieser Stelle möchte ich noch einmal eine Lanze für dialogische Verkündigungsformen brechen. Das ist natürlich eine logistische Herausforderung, besonders in schlecht gefüllten Kirchenbänken, und doch ist es möglich. Und was dabei gewonnen wird, rechtfertigt den Aufwand auf jeden Fall.

 

Eingliederung und Beheimatung sind ein hohes Gut – solange wir dabei nicht erwarten, dass alle neue Mitglieder so werden wie wir! Wir müssen es zulassen, dass wir durch den Zuwachs neuer Mitglieder auch selbst verändert werden – solange wir dabei nicht das Evangelium preisgeben.

 

Was das Schriftverständnis angeht, so muss Kirche Platz für verschiedene Zugangsweisen zur Schrift lassen. Viel zu viel Zeit und Kraft fließt in solche Grundsatzdiskussionen! Viel wichtiger als die Frage, ob die Details nun wörtlich zu verstehen sind oder anders, ist doch, dass der Kern der Botschaft verstanden wird! Und da bin ich ganz bei Frank Martin: Der ist in der Antrittspredigt Jesu (Lukas 4,18ff) zu suchen.

 

Da ich am Wochenende nicht dazu kommen werde, weitere Beiträge zu verfassen, bedanke ich mich schon jetzt für die anregende Diskussion mit Ihnen, liebe Kolleginnen und lieber Kollege!

 


#28 Randi Weber, 26. März 2017

Lieber Herr Martin, (Zu #24 ) weder das „Gewinnen“ noch die „Bemühung“ um Nicht –Religiöse und Fremde steht an erster Stelle. Aber auf deren erstaunlich effiziente Fragen vorbereitet zu sein, muss uns klar sein. Das wäre bereichernd: gegenseitige Offenheit für „Gastfreundschaft“ – und weitere Zusammenarbeit

 

Lieber Herr Bartels (#25- #27), früher kamen Evangelisationen nicht ohne Strenge und Gewissensdruck aus. „Entdeckung“ und „Vergewisserung“ sind präzise Worte für ein neues Bild, sehr erfreulich. Vielen Dank für Ihre Einladung, die ich leider nicht wahrnehmen konnte.

 

Liebe Frau Zeitler (#26), das Alter der Kirchen und Strukturen sind mächtig – aber jede Form ist nicht auf Dauer gemacht. Die Synoden suchen Bewahrung oder Veränderung, hoffentlich konträr, aber unter Vermeidung von schwarz- weiß- Argumenten. Das „mit“ im Sinne von Mit – Unterwegs- Sein ist unverzichtbar. Was sinnvoll, segensreich, liebgewordene Tradition ist, was bleiben kann oder nicht mehr plausibel ist – und was riskiert werden sollte- diese Prozesse werden uns länger begleiten, auch zum Thema „Mission“.

 

Wenn in Gemeinden vielfältige Prägungen erkennbar sind, ist das aufregend, aber nicht bedrohlich. Wie um den Kern der Botschaft gerungen und gestritten wird, ist keinesfalls egal oder beliebig.

 

Die historisch- kritische Bibelauslegung traf früher auf viele Ängste, längst wird sie mit anderen Methoden ergänzt, z.B. „Bibel in gerechter Sprache“, die ich in #7 verwendet hatte.

 

Die Vielfalt sorgt für Bescheidenheit, weil wir Theologen es trotz und wegen aller Studien nicht in der Hand haben und vertrauen müssen und können, was Gott tut. Es mag traurige Zeiten für die Botschaft oder die Kirchen geben- sie wird „nicht weg“ sein.

 

Danke für die Anregungen in diesem Experiment!


#29 Frank Martin, 27. März 2017

Liebe Frau Zeitler,

so als letzte Gedanken: Das wäre ein Thema für ein Schreibgespräch - was ist Kirche eigentlich - zwischen theologischer Betrachtung und soziologischer Notwendigkeit?

Was ist die Kirche, die wir im Glaubensbekenntnis als Wirkung des Geistes bekennen - und in welchem Verhältnis steht sie zu dem historisch-zufälligem Kirchenkörper Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen?

Wenn wir Kirche als Mission Gottes begreifen - und Mission als Grund der Kirche, hat das Folgen auch für die Strukturen. Ich glaube, daß diese Überlegung einen neuen Blick auf die Versuche der Strukturveränderungsvermeidungsprozesse in unserer Landeskirche ermöglichen könnte.

Was hilft, das Evangelium Gottes zu bezeugen? Ich stimme Herrn Bartels ausdrücklich zu, daß dies vor allem in der Begegnung zwischen Menschen passiert. Dafür braucht es Ermöglichungsorte, wo dies geschieht. Und das sind die Gemeinden vor Ort. Die sind möglich - ob mit oder ohne bezahlte Mitarbeiter*innen, wo Menschen sich begeistern lassen. Es brauchte mehr Vertrauen in unsere Gemeinden. Und es brauchte Begleitung und Unterstützung der Gemeinden durch ausgebildete Fachleute - Gemeindepädagog*innen, Musiker*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen und Pfarrer*innen. Und es braucht ein solidarisches Miteinander, welches auch irgendwie organisiert werden müsste.

Also: Statt Versorgung Ermutigung, statt Verwaltung Gestaltung. Und wie das dann je gefüllt wird, entscheidet sich vor Ort.

 


#30 Barbara Zeitler, 26. März 2017

Liebe Mitschreibende und Mitlesende, herzlichen Dank für Ihr Dabeisein in den vergangenen zwei Wochen! Besonders danke ich den drei Diskutierenden: Sie haben sich auf große Worte und umfangreiche Fragen mit begrenztem Platz zur Antwort eingelassen. Dabei haben Sie uns in Ihre Gedanken und Erfahrungen blicken lassen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbar gemacht. Für mich war anregend zu lesen, wie Evangelisation heute aussehen kann: gesellschaftspolitisch wach, theologisch unterschiedlich, dialogisch. Dass andere Erfahrungen oft nachhaltig Glaubensbiografien beeinträchtigen, war auch zu lesen. Spannend auch die selbstkritische Diskussion, ob denn die heilsame Mission Gottes, die Sendung Jesu, von uns wirklich angemessen bezeugt wird - was da ist und was da fehlt in Gottesdienst, Gemeinschaft und Diakonie. Für die Fragen, die wir nur gestreift haben, zur "Judenmission" und zur Exegese des sogenannten Missionsbefehls und zum Verständnis von "Mission" im Missionswerk und den wichtigen, ökumenischen Dokumenten der letzten Jahre verweise ich gern auf die Texte im "Hintergrund" und im Kommentar von Herrn Mederacke bzw. Frau Weber (#23). Gern erinnere ich zuletzt an Rudolf Bohren (1920-2010), der den Gedanken geprägt hat, für Kirche, Theologie und Christinnen und Christen gehe es darum, dazu beizutragen, "dass Gott schön werde". In meinen Augen ist das eine zeitgemäße Weise über die Sendung Jesu in einer wunderschönen und schrecklichen Welt zu reden und zu handeln. In diesem Sinn danke ich für das Gespräch - in dem Gott mir auf manche Weise schön wurde. 

 

Beiträge der Userinnen und User

 

Fabian Mederacke, 16. März

Es gibt eine grandiose Erarbeitung eines Missionsverständnisses und vor allen Dingen der praktischen Konsequenzen daraus aus dem Jahr 2011. Es ist ein gemeinsames Papier des Ökumenischen Rat der Kirchen, des Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und der Weltweiten Evangelischen Allianz. Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt. Empfehlungen für einen Verhaltenskodex

 

Die Präambel gesagt: "Mission gehört zutiefst zum Wesen der Kirche. Darum ist es für jeden Christen und jede Christin unverzichtbar, Gottes Wort zu verkünden und seinen/ihren Glauben in der Welt zu bezeugen. Es ist jedoch wichtig, dass dies im Einklang mit den Prinzipien des Evangeliums geschieht, in uneingeschränktem Respekt vor und Liebe zu allen Menschen."

 

Im Anschluss wird ausgeführt, was dies positiv bedeutet. Darin eingeschlossen sind Distanzierungen von unchristlichen Praktiken, wie z.B. dass in der Evangelisation die Notlage von Menschen nicht ausgenutzt wird.

 



Hintergrund

An dieser Stelle finden Sie einige Dokumente, die das Nachdenken über "Mission" anregen, fundieren und begleiten können. Sie wurden eigens für die Zweck verfasst. Wir danken den Autoren und der Autorin herzlich dafür!

  • Prof. Dr. Thomas Knittel, Dozent an der Ev. Hochschule in Moritzburg stellt bibelwissenschaftliche Überlegungen zum sogenannten Missionsbefehl am Ende des Matthäusevangeliums an
  • Pfarrer Ravinder Salooja ist der Direktor des Leipziger Missionswerk und geht in seinem Text der Frage nach, was die gegenwärtige Missiontheologie unter "Mission" versteht
  • Dr. Randi Weber nimmt an unserer Diskussion teil und hat einen "Zwischenruf" zum Thema verfasst.
  • Dr. Timotheus Arndt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Theologischen Fakultät Leipzig und äußert sich zum Themenkomplex der Judenmission