Für eine Legislatur der Begegnung in der Kraft des Heiligen Geistes

Eingabe und Offener Brief des Initiativkreises des Forums für Gemeinschaft und Theologie an die 28. Landessynode

Trinitatis 2021

Sehr geehrte Damen und Herren Landessynodale,

danke, dass Sie die Impulse aufgenommen haben, die aus der 27. Landessynode und der Kirchenleitung nach dem Rücktritt von Dr. Carsten Rentzing vom Bischofsamt ausgingen. Mit dem Bericht der Spurgruppe und der folgenden Diskussion hat die wichtige und notwendige Weiterarbeit für unsere Kirche, in unserer Zeit, in unserem Land begonnen.

Wir bitten Sie: Machen Sie aus der Legislatur der 28. Landessynode eine Zeit, in der Gottes Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit in unserer Kirche Gestalt gewinnt – in Begegnung und Auseinandersetzung mit dem biblischen Wort, das uns gemeinsam trägt, ermahnt und leitet.

Es gab und gibt gute Gründe, dass die Abgrenzung zwischen Rechtsextremismus und wertkonservativem Christentum zum Thema der Arbeitsgruppe wurde:

  • Dr. Carsten Rentzings in der Öffentlichkeit unaufgearbeitete Vergangenheit war verknüpft mit rechtsnationalen, verfassungskritischen Gedanken.
  • Bei Pegida und in der AfD finden sich Christinnen und Christen als Aktive und als Sympathisantinnen und Sympathisanten. Dort sehen wir einen teilweisen Missbrauch des christlichen Glaubens für die Herabsetzung Andersdenkender.
  • Es gibt – wie es der Bericht der Spurgruppe deutlich formuliert – „Grauzonen“, die eine bewusste und klare Auseinandersetzung und Positionierung nötig machen. Geschieht das nicht innerhalb der Kirche, droht die Gefahr, dass konservative Christinnen und Christen von extremistischen Gruppierungen vereinnahmt werden und sich vereinnahmen lassen und die Kirche so im Kern ihrer Botschaft getroffen wird.
  • Wir stellen innerhalb mancher Kirchgemeinden eine erschreckende Ignoranz und Naivität gegenüber politischen Ereignissen und Strategien fest. Dort besteht die Gefahr, dass antidemokratische Tendenzen unkritisch aufgenommen und weitergegeben werden.

Die Arbeitsgruppe hat den Extremismusbegriff auch über den Rechtsextremismus hinaus in den Blick genommen. Eine Verbindung oder inhaltliche Nähe zu linksextremen oder anderen verfassungsfeindlichen Gruppierungen innerhalb unserer Landeskirche gibt es unseres Wissens derzeit nicht. Insofern ist eine Konzentration auf die von der Spurgruppe verfolgte Thematik sinnvoll und notwendig. Eine Übertragung in andere Extremismusbereiche macht Sinn, wenn sich politische oder kirchliche Realitäten entsprechend verändern. Hier zählt nicht der subjektive Eindruck, sondern die nüchterne Analyse.

 

Wir erwarten Impulse auf drei Ebenen: 1. Innerhalb der Synode; 2. Innerhalb der Landeskirche; 3. In unsere Gesellschaft hinein.

 

1. Innerhalb der Synode …

… bitten wir Sie: Sorgen Sie dafür, dass die Frage: „Wo stehen wir als stark konservativ geprägte Landeskirche im Verhältnis zu erstarkenden rechtsextremen Positionen?“ nach innen und außen besprochen und geklärt wird. Weil die Auseinandersetzung über diese Frage Kraft kostet und manche Vorwürfe schmerzhaft sind oder beschämen, bitten wir Sie: Schaffen Sie Schutz- und Lernräume, jenseits der Öffentlichkeit für dieses Gespräch. Und: Sorgen Sie dafür, dass diese Auseinandersetzung nicht im Hinterzimmer bleibt, sondern in der Öffentlichkeit sichtbar wird. Stellen Sie sich als Synode und als Synodale dem Gespräch – auch wenn es ein Konfliktgespräch ist.

 

 

 

2. Innerhalb der Landeskirche…

… bitten wir Sie: Sorgen Sie dafür, dass solche Schutz- und Lernräume entstehen: Setzen Sie einen Schwerpunkt auf diese Arbeit, z.B. mit einer landeskirchlichen Initiative: „Wir sind Kirche in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes – miteinander leben, streiten, feiern.“

  • Schaffen Sie die institutionellen Bedingungen, die das Gespräch ermöglichen. Sorgen Sie für entsprechende Rahmenbedingungen für ehrenamtlich und beruflich Engagierte, von der Superintendentin bis zum Vikar, von der Mutter in der Krabbelgruppe bis zum Prädikanten.
  • Fördern Sie (auch finanziell) den Austausch durch Besuche zwischen Kirchgemeinden und Regionen, Gruppen und Institutionen. Fördern Sie Fortbildungen und Begegnungen zwischen unterschiedlichen Menschen und Positionen. Legen Sie ein Besuchsprogramm auf.
  • Geben Sie an die Kirchenleitung den Auftrag, diese Begegnung zu begleiten, zu unterstützen und lassen Sie deren Früchte in zwei Jahren evaluieren.
  • Machen Sie deutlich, was es für Folgen hat, wenn sich Gemeinden diesen Begegnungen verweigern: Wir berauben uns der Gemeinschaft in Christus.
  • Beziehen Sie die Ausbildungsstätten von der Ehrenamtsakademie bis zu den Fakultäten in diese Arbeit ein.
  • Ermutigen Sie zur gewaltfreien Kommunikation und fördern Sie die Fortbildung in dieser grundlegenden Gesprächstechnik.

Gestalten Sie innerhalb der Landeskirche eine Legislatur der Begegnung in der Kraft des Heiligen Geistes – eine Legislatur, die Respekt und Verstehen fördert. Wer nicht gesehen und gehört wird, entfernt sich aus der Kirche und/oder droht möglicherweise in Radikalisierung und Extremismus abzurutschen.

 

3. Innerhalb der Gesellschaft…

… lassen Sie unsere Kirche in der Auseinandersetzung sichtbar werden:

  • Geben Sie der Öffentlichkeit Kenntnis über den innerkirchlich notwendigen Prozess.
  • Fordern Sie den Beauftragten beim Freistaat Sachsen dazu auf, in den Parteien für das geschützte und moderierte Gespräch miteinander zu werben und dazu einzuladen.
  • Stärken Sie den Mitarbeitenden im Verkündigungsdienst den Rücken für die wache und selbstbewusste Auseinandersetzung mit Menschen und Gruppen, die andere Menschengruppen diffamieren und herabsetzen.
  • Ermutigen Sie Kirchgemeinden, sich kritisch mit den Christinnen und Christen in unterschiedlichen Parteien und mit den jeweiligen politischen Positionen auseinanderzusetzen, sie zum Gespräch oder zu gemeinsamen Projekten und Aktionen einzuladen, in denen Begegnung und Klärung möglich wird.
  • Beauftragen Sie den Bischof und die Kirchenleitung damit, für die Kirche Position zu beziehen, wo die Pluralität der Gesellschaft diffamiert wird, die Würde und der Schutz von Zugewanderten in Frage steht, wo nicht-binäre Personen in ihrer Würde oder Frauenrechte verletzt werden und ein klares „Nein“ zu politischen Akteuren zu sagen, die Ungleichwertigkeitsvorstellungen propagieren und Menschengruppen herabwürdigen oder ihre Daseinsberechtigung in Frage stellen.
  • Fordern Sie Dienste und Werke/Kirchengemeinden auf, Projekte zu entwickeln oder sich an solchen zu beteiligen, die die Begegnung zwischen Minderheiten in unserem Land, ökumenischen Geschwistern und Menschen der Mehrheitsgesellschaft ermöglichen. Fördern Sie diese Projekte!

Mit großem Respekt für Ihre Arbeit und in der Fürbitte für Gottes Segen in Ihrem gemeinsamen Arbeiten und Ringen

 

Anna-Maria Busch, Christiane Dohrn, Alexandra Hanke, Andreas Kastl, Dr. theol. Barbara Zeitler für den Initiativkreis des Forums für Gemeinschaft und Theologie