FREI & FROMM
Forum für Gemeinschaft und Theologie
Liebe Menschen, die ihr mit dem Forum für Gemeinschaft und Theologie verbunden seid,
liebe Freie und Fromme, danke für Euer bleibendes Interesse!
Hoffnung liegt im Advent. Gott kommt, ist und bleibt in unserer Welt.
Bleibt behütet und gesegnet in dieser Adventszeit!
Für den Initiativkreis Dr. theol. Barbara Zeitler.
Hier gibt es Aktionen, Informationen, Ideen für Einzelne, kirchliche Gruppen und Gemeinden.
"Nicht in meinem Namen"
Zum wiederholten Mal hat die Landessynode eien Verfassungsänderung nicht angenommen, die den Grundsatz der Gleichberechtigung in der Verfassung verankern
sollte.
Angela Jakob aus Weinböhla hat dazu Position bezogen.
Als Initiativkreis unterstützen wir diese Position.
Hier unten folgt der vollständige Text.
„Nicht in meinem Namen“
Die Kirchenleitung der EVLKS hat der 28. Landessynode der EVLKS auf ihrer zurückliegenden Herbsttagung (nun schon zum dritten Mal, wie ein Synodaler beklagt) einen Entwurf zur Verfassungsänderung
vorgelegt. In § 3 Abs. 2 der Verfassung der EVLKS sollte folgender Satz hinzugefügt werden: „Die Landeskirche tritt für ein von Gleichberechtigung und gleichberechtigter Teilhabe bestimmtes Zusammenleben ein.“
Dieser Antrag erreichte nach zwei Lesungen und anschließenden Beratungen im Plenum nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit und wurde damit abgelehnt. Soweit die ernüchternden bis verstörenden
Fakten.
In der etwas detaillierteren Berichterstattung zur Herbstsynode ist dann zu lesen, dass sich zahlreiche Synodale sowie Landesbischof Tobias Bilz in der Debatte mit vielfältigen plausiblen
theologischen, ethischen und juristischen Argumenten deutlich für die im Antrag vorgeschlagene Ergänzung unserer Kirchenverfassung (die im Übrigen so oder mit ähnlichem Wortlaut in den
Verfassungen anderer Landeskirchen längst geschehen ist) aussprachen.
Gleichzeitig wird von Synodalen berichtet, die gegen diese Änderung das Wort ergriffen: dieser Satz sei nicht geistlich, sondern politisch und weltanschaulich motiviert; die Begriffe
Gleichberechtigung und gleichberechtigte Teilhabe seien Containerbegriffe, die nicht biblisch begründet seien; aus diesem Satz sei unter Umständen die Gewährung von Ansprüchen abzuleiten; die
Hinzufügung dieses Satzes könnte missbraucht werden zur Nutzung kirchlicher Räume durch esoterische oder politische Gruppierungen.
Landesbischof Tobias Bilz berichtete außerdem, dass er in persönlichen Gesprächen jenseits der öffentlichen Debatte mit weiteren Gegenargumenten konfrontiert wurde, aus denen er einen generellen
Vertrauensverlust ableitet. Bettina Westfeld, die Präsidentin der Landessynode, kritisiert einige der geäußerten Gegenargumente als Säen von Misstrauen und Zweifeln.
Das Lesen dieser Berichterstattung macht aus mehreren Gründen fassungslos. Zum einen ist es nicht nachvollziehbar, dass der Vorschlag, ein Eintreten der Landeskirche für die zutiefst im
christlichen Glauben verankerte Grundüberzeugung, dass allen Menschen eine gleiche unteilbare und unverfügbare Würde zukommt, explizit in unserer Kirchenverfassung festzuschreiben, drei Anläufe
in unterschiedlichen Synodentagungen braucht, um auch beim dritten Versuch wieder zu scheitern.
Zum anderen sind es die Gegenargumente selbst, die sprachlos machen. Zugegeben, man hätte sich vielleicht eine etwas präzisere Formulierung wünschen können, da das Konzept der gleichberechtigten Teilhabe im aktuellen sozialpolitischen und sozialrechtlichen Diskurs der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention ausschließlich für die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen verwendet wird und damit die von der Kirchenleitung vermutlich intendierte viel größere Adressatengruppe der Gleichberechtigung zu eng fasst. Aber dass beide Begriffe nicht biblisch seien, ist an Absurdität kaum zu übertreffen.
Selbst wenn (das kann ich als
Nicht-Theologin nicht beurteilen) diese Begriffe in biblischen Ur-Texten nicht vorkommen sollten, so ist doch das Konzept, das sie beschreiben, der Geist, den sie atmen, unzweifelhaft eine Säule
biblischer Ethik und gehört untrennbar zur Identität christlicher Kirchen. Tausende von Mitarbeitenden in sozialen Berufen setzen diese ethischen Grundwerte täglich in sozialen Einrichtungen der
Landeskirche und ihren Werken in tätiges Christsein um. Ein Anzweifeln der biblischen Begründbarkeit von Gleichberechtigung und gleichberechtigter Teilhabe stellt den Sinn der meisten
diakonischen Projekte, wenn nicht der Diakonie als Ganzes, und damit auch die berufliche und religiöse Identität ihrer Mitarbeitenden in Frage und verweigert ihnen und ihrer Arbeit Wertschätzung
und Respekt.
Gleichberechtigung und gleichberechtigte Teilhabe seien nicht geistlich, sondern politisch und weltanschaulich motiviert, ist ein weiteres Gegenargument. Ja, Gott-sei-Dank! möchte ich sagen. Die
Welt, unsere Gesellschaft brauchen es aus meiner Sicht dringend, dass Kirche, dass Kirchgemeinden, dass Christen sich im besten Sinne des Wortes einmischen mit ihren Werten und Überzeugungen,
ihrem Glauben, ihrer Hoffnung, mit Kreativität und Beharrlichkeit, mit engagierten Angeboten vor Ort auf der Seite von immer noch Ausgegrenzten stehen und zeigen was es heißt, Gleichberechtigung
und gleichberechtigte Teilhabe als unverfügbare Menschenrechte tätig umzusetzen und auch in politischen Gremien einzufordern für diejenigen, die sie noch immer schmerzlich vermissen: Menschen mit
Beeinträchtigungen, Kinder und Jugendliche in Armut, von Gewalt bedrohte Frauen und Mädchen, Wohnungslose, Asylsuchende, von Armut Betroffene etc. Warum dies nicht als Minimalkonsens auch in dem
Dokument formulieren, das die Grundlagen auch der ethischen Verfasstheit unserer Kirche beschreibt?
Als Demokratin versuche ich Beschlüsse von demokratisch gewählten Gremien zu respektieren, auch wenn sie nicht meiner eigenen Überzeugung entsprechen. Das gelingt nicht immer gleich gut. Die oben
beschriebene Beschlussfassung und die Gegenargumentation, die dazu führte, sind für mich skandalös und ich fühle mit allen Synodalen, die sich mit ihren Redebeiträgen für die längst überfällige
Verfassungsänderung stark gemacht und Gesicht gezeigt haben und angesichts des erneuten Scheiterns, so vermute ich, ähnlich ernüchtert sein mögen.
Für mich reiht sich diese Debatte und ihr Ergebnis nahtlos ein in die zahlreichen, als schmerzhaft erlebten Momente, in denen sich eine zerrissene landeskirchliche Realität zeigt. Momente, in
denen sich mir ganz unausweichlich die Frage nach roten Linien, Toleranz- und Schmerzgrenzen für einen weiteren Verbleib in meiner Landeskirche stellt. Momente, in denen meine Enttäuschung und
Empörung in einen einzigen Aufschrei münden: „Nicht in meinem Namen!“
Angela Jakob, Weinböhla
Ev.-Luth. Kirchspiel Coswig-Weinböhla-Niederau
Es blieb bisher merkwürdig ruhig in der sächsischen Landeskirche. Noch bevor „Der Sonntag“ im Advent 2021 eine Kurzmeldung veröffentlichte, hatte die Chemnitzer „Freie Presse“ Anfang Dezember
ausführlich über Missbrauchsfälle im Rahmen der evangelischen Jugendarbeit in den 1960er und 1970er Jahren berichtet. „Der lange Schatten des Jugendwarts“ benennt den 2013 verstorbenen ehemaligen
Karl-Marx-Städter Jugendwart Kurt Ströer als Täter.