Über das Zweifeln

„Meine Seele fühlt den furchtbaren Schmerz, dass Gott mich nicht will, dass Gott nicht Gott ist, dass Gott nicht wirklich existiert. Der Himmel welche Leere.“

 

Können Sie sich vorstellen, wer diesen Satz gesagt hat? Man kann es gar nicht glauben, aber der Satz stammt von ...

... Mutter Teresa.

 

„Der Himmel welche Leere.“ Man weiß von Mutter Teresa, dass sie eine „göttliche Berufung“ verspürte, den Armen zu helfen. Mutter Teresa hat einen Orden gegründet und fortan in den Slums von Kalkutta gelebt und sich um die Menschen dort gekümmert. Und sie war hoch angesehen. 1979 hat sie den Friedensnobelpreis bekommen. Im Jahr 2003 wurde sie selig gesprochen. Die Heiligsprechung soll noch in diesem Jahr erfolgen.

 

Vor einigen Jahren sind Briefe von Mutter Teresa veröffentlich worden, die zeigen, was man sich kaum vorstellen kann: Mutter Teresa hat seit der Gründung ihres Ordens in einer tiefen Glaubenskrise gelebt. „Der Himmel welche Leere.“

Mutter Teresa hat nur ihrem Beichtvater von dieser Glaubenskrise berichtet, niemandem sonst. Dazu schreibt sie in ihren Briefen: „Ich wage nicht, die Worte und Gedanken auszusprechen, die mein Herz bedrängen.“

 

Ich kann diese Frau verstehen. Als Ordensfrau; als „Engel der Armen“ wie man sie nannte; als jemand, die schon zu Lebzeiten wie eine Heilige verehrt wurde, war es ihr unmöglich, sich als die Zweiflerin ja als die Verzweifelte erkennen zu geben, die sie – wie wir nun wissen – eigentlich war.

 

Es macht mich traurig, mir die Seelennot dieser Frau vorzustellen und ich frage mich, was passiert wäre, wenn sie es tatsächlich gewagt und anderen Menschen an ihrer Glaubenskrise Anteil gegeben hätte.

Sicherlich wären einige entsetzt gewesen, aber ich denke, dass es den meisten eher geholfen hätte, von Mutter Teresas abgrundtiefen Zweifeln zu erfahren … „Was, sogar sie?“ Niemand sollte sich schämen müssen, wenn ihn Glaubenszweifel umtreiben, wenn er die Gottesbilder seiner Kindertage hinterfragt, wenn er die Argumente der Religionskritik plausibel findet. Das alles können Wege zu einem tieferen Verständnis des Glaubens sein. Ich bin sogar der Auffassung, dass Gott die Sucher und Zweiflerinnen ganz besonders liebt, weil sie sich leidenschaftlich um ihn mühen.

 

Vor Jahren war ich zur Christvesper in der Leipziger Nikolaikirche. Wissen Sie wie der damals noch lebende Pfarrer Führer die Gemeinde zu diesem Gottesdienst begrüßt hat? Er wählte die Worte: Liebe Gemeindemitglieder, liebe Zweifler und alle anderen guten Christen.

Es wurde mir sehr weihnachtlich zumute damals.

 

 Kathrin Mette

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Kommentare: 14
  • #1

    Lothar Großmann (Mittwoch, 13 Juli 2016 09:40)

    Sehr geehrte Frau Mette,

    Ihr Artikel liest sich sehr gut, so etwa wie „Balsam auf die zweifelnde Seele“, und wäre deshalb aus meiner Sicht eine gute Einladung, sich Ihrer Forum-Bewegung anzuschließen. Wenn es da nicht noch aus meiner Sicht wichtige Fragen zu Ihrer Forum-Bewegung gäbe, die ich Ihnen hier stellen möchte.
    Ausgangspunkt meiner Fragen ist der Auftrag Gottes im Schöpfungsbericht der Bibel:

    Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, …, und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: seid fruchtbar und mehret euch…

    Da sind nun meine Fragen an Sie:

    Wie halten es gleichgeschlechtliche Ehe-/Paare mit dem Kinderkriegen oder „seid fruchtbar und mehret euch“, da ja meines Erachtens gleichgeschlechtliche Ehe-/Paare selbst keine Kinder zeugen können? Mal von meiner Ansicht nach fehlendem Mutterglück ganz abgesehen.
    Und, es gibt ja nun (noch) keine staatlichen oder landeskirchlichen Gesetze, die dieses offensichtliche Dilemma regelt.

    Wie würden Sie es beispielsweise den Jungen und jungen Männern im Thomanerchor, im Kreuzchor und meinen Enkeln erklären, dass dieser von Gott selbst gegebene Auftrag „…und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: seid fruchtbar und mehret euch“, um Kinder zu zeugen und dann als Mutter und Vater zu lieben und groß zu ziehen eben auch oder überhaupt nicht für gleichgeschlechtliche Ehe-/Paare gilt?

    Werden Sie und Ihre Forum-Bewegung Anstrengungen unternehmen (oder haben Sie dies schon getan), dass Schul- und Religionsunterricht erweitert werden um die Sexualaufklärung in Theorie und Praxis bezüglich gleichgeschlechtlicher Ehe-/Partnerschaften? Dies wäre ja unbedingt notwendig, da gleichgeschlechtliche Ehe-/Partnerschaften ja ein fester gesellschaftlicher Pfeiler sein soll. Leider habe ich zu diesem für mich wichtigem Thema vom ev.-luth. Landeskirchenrat Sachsen und vom Kultusministerium Sachsen noch nichts gehört und nichts gelesen.

    Insofern ist die Frage nach Gott dem HERRN und auch das gelegentliche Zweifeln an IHM wie bei Mutter Teresa auch immer verbunden mit praktischer Lebenshilfe wie dies beispielsweise auch aus meinen Fragen an Sie und Ihre Forum-Bewegung hervorgeht.

    Mit freundlichen Grüßen und besten Dank im Voraus

    Großvater Lothar Großmann

  • #2

    Frank Martin (Donnerstag, 14 Juli 2016 09:05)

    Sehr geehrter Herr Großmann,
    Ihre Fragen kann niemand für das Forum beantworten – wir reden nicht mit einer Stimme. Also werden Sie verschiedene Antworten bekommen – je nach dem, wen Sie fragen. Das Forum soll aber für den Austausch einen Raum bieten – herzlich willkommen dazu.
    Frau Mette wird Ihnen eventuell auch noch antworten. Hier zu Ihren Fragen meine Antwort: Es gibt Ehepaare, die sich bewußt gegen Kinder entscheiden – soll diesen die Ehe aberkannt werden? Es gibt Ehepaare, die keine Kinder zeugen können – sollen diese Ehen annulliert werden? Katholisch ist das möglich. Es gibt homosexuelle Lebenspartnerschaften, in denen Kinder gezeugt werden – mit dann vier Eltern. Denn lesbische Paare können von schwulen Paaren Kinder bekommen – wie ja auch heterosexuelle Paare auf nicht ganz natürliche Weise Kinder bekommen können – warum soll diesen Paaren der Segen Gottes verweigert werden, wenn sie ihn wünschen? Mutterglück habe ich auch noch nicht erlebt.

    Ihren Enkeln würde ich – wenn sie mich fragten – sagen, wie ich das sehe mit der Schöpfung und dem Auftrag und den Unterschieden, die zwischen Menschen bestehen. Etwa, daß Liebe und Begehren zum eigenen Geschlecht Teil der Lebenswirklichkeit ist.
    In der Schule und im gemeindlichen Kontext würde ich deutlich machen, daß wir anderen Menschen mit Respekt zu begegnen haben. Und ich würde deutlich machen, daß viele Vorstellungen etwa in der Bibel oder ähnlichen Texten dieser und anderer Zeiten gesellschaftliche Normen transportieren – sich diese Normen aber zu allen Zeiten schon verändert haben. Und dann würde ich vielleicht noch versuchen zu erklären, daß Sex zwar etwas sehr schönes sein kann, es aber in einer Partnerschaft um etwas anderes geht – Verantwortung für einen Menschen zu übernehmen, sich zu schenken und sich beschenken zu lassen.
    Gesellschaftlich und in der Kirche setze ich mich dafür ein, daß Menschen nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Und ich setze mich für die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften ein – inklusive Trau-Gottesdienst für gleichgeschlechtliche Paare.
    Und sollten Ihre Enkel irgendwann einmal feststellen, daß auch sie einen Menschen gleichen Geschlechts lieben, wünsche ich ihnen einen Großvater, der sie mit großem Verständnis und mit Respekt dabei begleitet, weil das immer noch eine extrem schwierige Situation ist und man dann Menschen braucht, die bedingungslos zu einer/ m stehen – wie Gott ja auch uns bedingungslos liebt.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #3

    Lothar Großmann (Donnerstag, 14 Juli 2016 11:19)

    Sehr geehrter Herr Martin,

    vielen Dank für Ihre aufschlussreiche Antwort.

    Ich hoffe und wünsche nun aber nicht, dass die Bibel an die jeweils vorhandenen gesellschaftlichen Normen der jeweiligen Zeitepochen angepasst werden müsste. Das könnte ja bedeuten, dass zum Beispiel in fünfzig oder hundert Jahren die jetzige Bibel durch eine andere Bibel mit völlig anderem Inhalt ersetzt werden könnte. Ich hoffe und wünsche, dass der christliche Glaube an Gott heute und in Zukunft noch genauso unverändert geglaubt wird wie zu den Zeiten Abrahams und der urchristlichen Gemeinden nach der Auferstehung Jesu.
    Mit freundlichen Grüßen
    Lothar Großmann

  • #4

    Frank Martin (Donnerstag, 14 Juli 2016 11:29)

    Sehr geehrter Herr Großmann,
    das verstehe ich jetzt nicht. Meinen Sie, daß wir wie Abraham mit mehreren Frauen verheiratet sein dürfen? Finden Sie die biblischen Methoden zur Kindererziehung wirklich sinnvoll und richtig?
    Gott ist kein Gott der Toten, sondern ein Gott der Lebenden. Wir leben heute mit einem anderen Wissenstand und mit unseren Problemen und Fragen. Dazu können biblische Texte eventuell Inspiration sein, niemals aber wörtlich zu befolgende Regeln geben.
    Das hatte zu seiner Zeit auch Jesus so gesehen. Deshalb hatte er ja so große Probleme mit den Pharisäern und Schriftgelehrten.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #5

    Kathrin Mette (Donnerstag, 14 Juli 2016 15:23)

    Sehr geehrter Herr Großmann, unter dem Begriff "Forum" verbergen sich - wie Frank Martin schon geschrieben hat - in der Tat verschiedene Personen mit durchaus unterschiedlichen theologischen Prägungen und Ansichten. Uns einen aber bestimmte Anliegen z.B. das der Beförderung einer "aufklärenden Theologie". Damit ist u.a. eine Theologie gemeint, die um das Gewordensein der verschiedenen Glaubensvorstellungen (also etwa der Vorstellung, die Welt sei von Gott geschaffen) weiß und überlegt, wie mit diesem Wissen umzugehen ist. Dies ist nun auch mit Blick auf den ersten biblischen Schöpfungsbericht der Fall, der sich im 1. Mose 1,1-2,4 findet (nach allem was die alttestamentliche Wissenschaft mit Gründen annimmt, aber jüngeren Datums ist als der zweite Schöpfungsbericht in 1. Mose 2, 4- 3,24). Wenn man einmal akzeptiert hat, dass alle diese Texte eine Geschichte haben, dass Menschen sie verfasst haben und naturgemäß der Wissensstand ihrer Zeit in diese Texte eingeflossen ist (zusammen mit religiösen Erfahrungen, religiöser Inbrust und dem Versuch, die Welt vor dem Hintergrund des Glaubens zu verstehen natürlich auch), dann fühle ich mich so frei, auch ein Lebensmodell, dass die biblischen Autoren noch nicht im Blick haben konnten (homosexuelle Partnerschaften) daraufhin zu befragen, ob es nicht dem christlichen Ethos entspricht. Und das trifft im Fall homosexueller Partnerschaften, wenn sie auf Treue und Verlässlichkeit und Fürsorge füreinander ausgerichtet sind, m.E. eben zu.
    Sie haben noch nach der Verankerung des Themas homosexueller Partnerschaften in den Lehrplänen gefragt. Ich persönlich befürworte es, wenn das Thema im Unterricht behandelt wird (Anstrengungen in dieser Richtung hat das Forum allerdings bisher nicht unternommen) und das ist auch so im Lehrplan geregelt: Im Gymnasium ist das Thema Homosexualität für die Klassenstufe 9 vorgesehen, im Lernbereich 3: Der Mensch und sein Handeln (den Lehrplan kann man hier ansehen: http://www.schule.sachsen.de/lpdb/web/downloads/lp_gy_evangelische_religion_2011.pdf?v2). In der Oberschule gibt der Lehrplan Evangelische Religion für Klasse 9 im Lernbereich 4 als Thema vor: "Sich positionieren zum verantwortungsvollen Umgang mit Freundschaft, Liebe und Partnerschaft" (vgl. dazu: http://www.schule.sachsen.de/lpdb/web/downloads/lp_ms_evangelische_religion_la_fussnote_2004_2009_2012.pdf?v2)

    Schöne Hintergrundinformationen zu den biblischen Texten findet man übrigens bei: http://www.bibelwissenschaft.de

    Mit herzlichen Grüßen
    K. Mette
    Da liegt es dann wohl im Ermessen der Lehrkraft, ob sie auf das Thema Homosexualität eingeht.

  • #6

    Lothar Großmann (Donnerstag, 14 Juli 2016 16:28)

    Sehr geehrte Frau Mette, sehr geehrter Herr Martin,

    nochmals vielen Dank für Ihre beiden für mich sehr aufschlussreichen Informationen, auch für Frau Mettes Darlegungen zum Begriff „Aufklärende Theologie“. Allerdings sind Frau Mettes Darlegungen zur aufklärenden Theologie für mich weder einleuchtend, noch überzeugend. Für mich persönlich gilt, dass der Glaube an Jesus Christus und damit an die göttliche Dreieinigkeit nicht wissenschaftlich erörtert oder gar erforscht werden kann. Dieser Glaube an Jesus Christus und damit an die göttliche Dreieinigkeit sind für mich Lebensüberzeugung, die mit Wissenschaft nichts zu tun hat. Glaube an Jesus Christus ist nicht wissenschaftlich ergründbar, sondern muss erfahren und erlebt werden. In der Bergpredigt teilt uns Jesus Christus mit, wie wir zu Gottes Ehre und zum Wohle unseres Nächsten leben können, ja sollen.

    Gott selbst sprach mit Abraham und Abraham befolgte Weisungen Gottes. Auch Abrahams Leben hatte Höhen und Tiefen, so wie auch bei uns heute noch. Auch Abraham wird sich bei der Wiederkunft Jesu im jüngsten Gericht für sein Leben verantworten müssen, so wie ich und wir alle auch.

    Ich danke Gott dafür, dass uns die Bibel seit Martin Luther in ihrem Inhalt und ihrer Form erhalten geblieben ist als unveränderlicher Maßstab für unser Leben. Und ich bitte Gott darum, dass diese Bibel in der Übersetzung Martin Luthers uns unverändert erhalten bleibt.

    Es ist für mich unvorstellbar, Johann Sebastian Bachs wundervolle geistliche Musik zu hören, ja, zu erleben, ohne an deren biblische Texte vor allem in Rezitativen vorbehaltlos zu glauben als unverändertes Wort Gottes, so wie dies auch für Bach eine Selbstverständlichkeit war.

    Mein Lebensalter hat mich gelehrt, dass es gut ist, über die vielen Lebensjahrzehnte hinweg mit ihren vielen Höhen und Tiefen die unveränderte Bibel, das Wort Gottes, als feste Lebensgrundlage zu haben.

    Dies war nun ein Abschluss zu meiner obigen Anfrage. Ihnen Beiden wünsche ich alles Gute.
    Mit herzlichen Grüßen
    Lothar Großmann

  • #7

    Frank Martin (Donnerstag, 14 Juli 2016 16:49)

    Sehr geehrter Herr Großmann,
    ich bin mit Ihnen einer Meinung, daß der Glaube an Jesus nicht wissenschaftlich ergründbar ist. Deshalb reden wir auch von einer aufklärenden Theologie und nicht von einer aufgeklärten Theologie. Als Theologe stehe ich vollumfänglich für die Negative Theologie. Alle Worte über Gott sind Worte über Gott und nicht Gott selbst. Das betrifft selbstverständlich auch die Worte in der Bibel. Nicht die Bibel ist Gottes Wort, vielmehr ist Jesus Christus Gottes Wort. Und da ist es in der Tat so, daß Nachfolge nachleben heißt.
    Vielleicht sollten Sie dort, wo Sie vom Maßstab sprechen, sagen, daß es Ihr Maßstab ist. Das ist nämlich vollkommen in Ordnung. Die Luther-Übersetzung als DEN Maßstab zu bezeichnen, finde ich schon schwierig. Ich würde auch die Bibel nicht als Maßstab bezeichnen, sondern eben Jesus. Und vielleicht wissen Sie ja, wie er sich mit denen streiten mußte, die die Texte des AT immer als Maßstab bezeichnet hatten.
    Herzlichen Dank für Ihre guten Wünsche, die ich Ihnen vorbehaltlos abnehme.
    Ich wünsche Ihnen auch alles Gute.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #8

    Kathrin Mette (Freitag, 15 Juli 2016 08:54)

    Ich frage mich schon seit längerer Zeit, warum offenbar so viele Christen und Christinnen eine derart große Skepsis gegenüber der theologischen Wissenschaft pflegen. Ich vermute mal, dass es sich dabei nicht um generelle Vorbehalte dem wissenschaftlichen Denken gegenüber handelt, denn in anderen Bereichen greifen diese Menschen mutmaßlich gern auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurück, im Bereich der Medizin zum Beispiel (der Klassiker). Aber warum darf man sich der Bibel und dem, was sie erzählt dann nicht mit wissenschaftlichen Methoden nähern? Natürlich ist dieser Haltung zuzugestehen, dass "Gott an sich" kein Gegenstand wissenschaftlicher Bemühungen sein kann, die auf empirischer Basis arbeiten. Aber die Sache ist ja die: Wir haben keinen Zugang zu "Gott an sich". Wir haben ihn nur im Medium von Bildern, von Erlebnissen (religiöse Erfahrungen), von Geschichten, die Menschen über ihn erzählen (die Bibel), von theologischen Denkbemühungen (auch die Bibel, Paulus zum Beispiel). Und alles, was sich in der Sphäre des Menschlichen abspielt, kann auch wissenschaftlich ergründet werden (die grundsätzliche Vorbehaltlichkeit aller in diesem Feld erzielten Ergebnisse ist dabei zugestanden). Grundsätzlich anzunehmen, dass ein wissenschaftlicher Blick auf die Welt des Glaubens diesen Glauben zerstört oder unmöglich macht, hieße ja allen Menschen, die sich wissenschaftlich mit der christlichen Religion befasst haben (und das schließt dann alle sog. "Mitarbeiter(innen) im Verkündigungsdienst" ein, denn die haben in ihrer Ausbildung meines Wissens alle mit der Theologie als Wissenschaft zu tun) zu unterstellen, sie hätten ihren Glauben verloren oder glaubten nicht mehr richtig.
    Natürlich verändert sich der eigene Glaube durch die Auseinandersetzung mit der Theologie und den wissenschaftlichen Einsichten über die biblischen Texte. Aber dass sich der eigene Glaube entwickelt ... das halte ich für völlig normal ... Jeder Mensch nimmt eine Glaubensentwicklung, hat also eine Geschichte mit seinem eigenen Glauben. Grundschulkinder stellen sich Gott als lächelnden alten Mann auf einer Wolke vor. Je älter sie werden, desto abstrakter wird ihr Gottesbild. Aufgefordert ihr Bild von Gott zu malen, zeichnen größere Kinder etwa ein Herz oder ein Auge. Also: Keine Angst vor der Wissenschaft. Theologinnen und Theologen beißen nicht.

  • #9

    Lothar Großmann (Freitag, 15 Juli 2016 19:25)

    Sehr geehrte Frau Dr. Mette,

    Ihrer Feststellung, dass viele Christen eine gewisse Skepsis gegenüber der theologischen Wissenschaft haben, kann zumindest ich selbst zustimmen.
    Ich selbst habe keine generellen Vorbehalte dem wissenschaftlichen Denken gegenüber, weil ich selbst über zehn Jahre in der Forschung tätig war. Daher ist für mich die „Erde keine Scheibe“, wie es mal in einem Artikel hieß.
    Für mich stellt aber die theologische Wissenschaft eine Art Philosophie dar. Begründet habe ich dies kurz schon in einem meiner obigen Beiträge.

    Ganz simpel sage ich auch, dass Jesus, Johannes der Täufer, die zwölf Apostel und viele andere keine theologische Wissenschaft (der jeweils damaligen Zeit) brauchten, um den Gott, den Vater, den Schöpfer,
    den Allmächtigen zu verkündigen und in dieser Überzeugung Gutes
    an vielen Menschen zu tun.

    Die wissenschaftliche Erforschung von Wirkungsstätten biblischer Personen, biblischer Orte und anderem ist meiner Ansicht nach Sache der Archäologie, Geologie, Geschichtswissenschaft.

    Der Glaube an den dreieinigen Gott ist Sache eines jeden Menschen selbst. Dieser Glaube ist im Innenleben eines gläubigen Menschen fest verankert
    und muss nicht mit wissenschaftlichen Methoden erforscht werden. Glaube an den dreieinigen Gott ist ja kein Krankheitsbild, das wissenschaftlich untersucht werden muss, sondern eine positive Lebensüberzeugung.

    Leider vermisse ich sehr oft in fast allen Exegese-Beiträgen die Hinweise darauf, unser tägliches und anhaltendes Gebet zu Gott fortwährend zu pflegen. Gebete stützen und fördern unseren Glauben an Gott, jedenfalls viel mehr als alle wissenschaftlichen Theologien. Gebete geben Lebenskraft.

    Was mich betrifft, so hatte und habe ich keine Angst vor Theologinnen und Theologen. Vielmehr wünsche ich mir aber Seelsorge, ermutigende Andachtsworte, Gebetsgemeinschaften und praktischen Gemeindedienst anstelle von „wissenschaftlich-theologischen Beiträgen“.

    Dies war mal das Kundtun meiner Meinung als ein zwar oftmals strauchelnder, aber immer gottgläubiger Christ.

    Nichts desto trotz anerkenne ich mit großem Respekt Ihre Pfarrerinnen-Tätigkeit, auch als akademische Theologin, sehr geehrte Frau Mette.

    Mit herzlichen Grüßen vom
    Großvater Lothar Großmann

  • #10

    Frank Martin (Freitag, 15 Juli 2016 19:58)

    Sehr geehrter Herr Großmann,
    Theologie ist nicht Philosophie. Aber sie arbeitet teilweise mit ähnlichen Methoden. Das ist auch notwendig, weil Theologie die Rechtfertigung Gottes in dieser Welt versucht. Und zwar die Rechtfertigung des Gottes, der in Jesus Christus selbst Teil dieser Schöpfung geworden ist.
    Nun muß das nicht jede/r Christ*in tun, von Theolog*innen wird dies aber zurecht erwartet. Und es gibt den Konflikt zwischen denen, de dies versuchen und denen, die dies skeptisch beäugen, schon von Anfang an. Es gab auch schon von Anfang an Konflikte zwischen denen, die alles beim Alten lassen wollten und denen, die wußten, daß zwar Gott ganz der Selbe, die Zeit aber immer eine andere ist. Beispielhaft dafür ist der Konflikt zwischen Jakobus, Petrus und Paulus, den Sie in der Apostelgeschichte nachlesen können. Beispielhaft für den Konflikt zwischen "einfachen" Christ*innen und Theolog*innen ist die Auseinandersetzung um Origenes. Er war der mit Abstand bedeutendste Theologe der Alten Kirche. Fast alle nach ihm beziehen sich auf ihn. Dennoch wurde er verketzert. Eine traurige Geschichte. Er unterschied übrigens zwischen den einfachen Christ*innen - was zum Leben reicht - und denen, die zum wissenschaftlichen Arbeiten berufen sind.
    Bestimmte Dinge sollten Sie von Theolog*innen nicht erwarten – wohl aber von Pfarrer*innen. Und ja, manchmal geht das auseinander. Dafür gibt es verschiedene Gründe, über die wir reden sollten – wir als Gemeinde Jesu Christi.
    Und auch ja, zum Glauben brauche ich die Wissenschaft nicht – zur verantworteten Rede der Kirche von Gott aber sehr wohl.
    Von der Exegese sollten Sie das erwarten, wofür die Exegese da ist – von Bäcker*innen erwarten Sie ja in der Regel auch nicht, daß sie Ihre Lungenentzündung behandelt.
    Den Rest sollten Sie einfordern – von uns in unserer Profession als Pfarrer*innen. Aber da bitte ich dann um Fairness – so, wie Bäcker*innen nicht für alle schlechten Brötchen verantwortlich sind, so auch nicht alle Pfarrer*innen für alle schlechten Predigten oder Seelsorgegespräche.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #11

    Sascha Wildenhain (Sonntag, 17 Juli 2016 20:16)

    Sehr geehrter Herr Großmann,
    vielen Dank dafür, daß Sie sich hier in diesem Forum an der Diskussion beteiligen.
    Vor 2 Jahren begann in dem Unternehmen, mit dem ich ein Arbeitsrechtsverhältnis habe, ein neuer Geschäftsführer offiziell seine Tätigkeit. In seiner Antrittsrede stellte er sich der versammelten Belegschaft mit den Worten vor:
    "Mein Name ist (XXX), ich bin (XX) Jahre alt, verheiratet, keine Kinder."
    Verheiratet, keine Kinder. Was wissen wir-so ging es mir gedanklich durch den Kopf- was wissen wir vom anderen Menschen? Es gibt so viele bedrückende Ursachen dafür, daß heterosexuell veranlagte Menschen- also die deutliche Mehrheit- keine Kinder bekommen können: Zeugungsunfähigkeit des Mannes oder das schlimme Leid, daß es der Frau aufgrund unterschiedlichster physischer Konstellationen nicht möglich ist, zu empfangen, ein Kind in ihrem Körper heran reifen zu lassen und zu gebären. Was leiden diese Menschen, ein unsagbares Leid, ich kann das immer mitfühlen, wenn wir, meine Frau und ich, mit unseren 3 kleinen Söhnen durch den Tag gehen und Begegnungen haben. Ihre Gedanken und Bedenken gehen aber-so zumindest mein Eindruck- mehr in die Richtung "Homosexualität" und der damit verbundenen Fragen und Gedanken. Meine spontane Frage an Sie ist diese: Warum interessiert Sie ausgerechnet dieses Thema so intensiv? Ich meine das wirklich ernst!
    Es gibt in unserer unerlösten Welt so unerhört viel abgrundtief Böses, das dieses aufzuzählen hier den Rahmen sprengen würde, aber eine nicht geringe Zahl von Christenmenschen hat offensichtlich die Bevölkerungsminderheit der homosexuell empfindenden Menschen als großes Übel fest im Fokus seiner Wahrnehmung. Warum nur? Bitte vergegenwärtigen Sie sich unsere deutsche Geschichte der Ausgrenzung, Stigmatisierung und am Ende der Tötung von Menschen, die "IRGENDWIE ANDERS" waren (sind) als die Mehrheit. Haben wir alle daraus etwas gelernt? Ich sage für mich: Ja. Bevor die verschwindend geringe Minderheit der homosexuell empfindenden Menschen dafür angeprangert wird, daß wir hier"bevölkerungstechnisch" nicht mehr aus der Knete kommen, also bevor das geschieht, hätte ich doch gerne mal hinterfragt, wo die Bereitschaft der heterosexuell empfindenden Bevölkerung bleibt, Verantwortung für Kinder- also für die eigen Familie- zu übernehmen.
    Ich bin der Meinung, daß wir hier eine nahezu perverse Schieflage der Diskussion haben.

    Mit freundlichen Grüßen!

    Sascha Wildenhain

  • #12

    Lothar Großmann (Montag, 18 Juli 2016 06:02)

    Sehr geehrter Herr Wildenhain,

    Sie bitten mich, dass ich mir die deutsche Geschichte vergegenwärtige.
    Sehr geehrter Herr Wildenhain, genau dies tue ich täglich, weil die Nazis zwei meiner Verwandten im KZ und einer Tötungsanstalt ermordet haben. Einer, weil er jüdischer Abstammung war und eine Verwandte, die in Pirna – Sonnenstein (C16/17) ermordet wurde, weil sie sich weigerte, ihren bekennenden Christenglauben aufzugeben und sich weigerte, ihr Bibelverständnis und ihre Glaubenshaltung den damaligen „gesellschaftlichen Anforderungen“ anzupassen. Deshalb möchte ich alle Vertreter gleichgeschlechtlicher Partnerschaften dringend dazu auffordern, es sein zu lassen, ihre Kritiker auch nur andeutungsweise in die politischen Ecken der verbrecherischen deutschen Vergangenheit zu stellen!

    Sehr geehrter Herr Wildenhain, diese geschilderte Familientragödie veranlasst mich dazu, auf meinem Weg des bibeltreuen Christen-Glaubens zu bleiben und mich mit diesem Thema zu beschäftigen. Damit diejenigen - wie ich z.B. -, die noch an die wortgetreue Bibel glauben, nicht stigmatisiert, abgestempelt und falscherweise in eine Pharisäer-Ecke gestellt werden, als solche, die noch glauben, die Erde sei eine Scheibe.

    Ich sagen einem Jeden: wer nicht mehr an die wortgetreue Bibel glaubt, begibt sich auf christlich-geistliches Glatteis. Deshalb setze ich ganz persönlich überhaupt nicht auf die aufklärende oder historisch-kritische Theologie.
    Dies war nun mein letzter Beitrag zu diesem Thema.

    Ihnen, sehr geehrter Herr Wildenhain, alles Gute!
    Lothar Großmann

  • #13

    Sascha Wildenhain (Montag, 18 Juli 2016 12:20)

    Sehr geehrter Herr Großmann,

    es lag nicht in meiner Absicht, Sie in "die rechte Ecke" zu stellen, auch tut es mir leid, daß ich Ihnen mit meinen Worten wohl zu nahe getreten bin. Ihre persönlichen Schilderungen machen mich sehr betroffen, ich habe sehr viel über diese furchtbaren Verbrechen dieser Zeit gelesen, weil ich eben nur schwer fassen kann, wozu wir Menschen fähig sind. Da kann ich es verstehen, wenn Sie sich angegriffen und verletzt fühlen, aber das war überhaupt nicht meine Absicht. Leider wird diese Debatte um das Thema "Homosexualität und was die Bibel dazu sagt" wahrscheinlich noch länger dafür herhalten müssen, daß sich Menschen in der Diskussion darüber missverstehen und unnötig verletzen. Bitte bleiben Sie "im Boot", also im Gespräch, denn eine wirklich brauchbare Alternative zum Austausch unterschiedlicher Perspektiven sehe ich nicht. Wenn wir uns gegenseitig respektieren und die Toleranz- wie hier beschrieben- leben, dann wird es gehen.

  • #14

    Lothar Großmann (Montag, 18 Juli 2016 18:18)

    ... alles ok.
    Es war unsere Großmutter, Urgroßmutter und Ur-Ur-Großmutter.