Klaus und das Glaubensbekenntnis

Klaus ist ein treuer und aufmerksamer Gottesdienstbesucher. Seit er denken kann, gehört der Kirchgang zum Sonntag. Die schwersten Zeiten seines Lebens waren die, in denen er nicht regelmäßig zum Gottesdienst gehen konnte, zum Beispiel damals, als er in Schichten gearbeitet hat. Rollende Woche nannten sie das. Aber das ist lange her. Jetzt ist er Rentner, genießt es, oft verreisen zu können und besucht auch gern mal an anderen Orten den Gottesdienst.

 

Die Predigt ist zu Ende. Die Orgel setzt ein und mit seinem kräftigen Bass stimmt Klaus in das Lied nach der Predigt ein. Danach steht der Prediger auf: „Lasst uns Gott loben mit dem Bekenntnis unseres Glaubens.“ sagt er. Wie alle Gottesdienstbesucher und -besucherinnen steht Klaus auf und gemeinsam sprechen sie: „Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen…“. Klaus kann diese Worte im Schlaf. Und während er spricht, gehen seine Gedanken spazieren. Sie wandern zurück zur Taufe seines Ältesten. Das muss Ende der sechziger Jahre gewesen sein. Der Pfarrer damals hatte ein langes Taufgespräch mit ihm und seiner Helga geführt und sie eindringlich darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass sie ihrem Kind vom Glauben erzählen und dass sie als Eltern stellvertretend für ihr Kind das Glaubensbekenntnis bei der Taufe sprechen. Daraufhin hat er es sich noch einmal ganz genau eingeprägt. Seither erinnert ihn das „Ich glaube“ immer an diese Taufe.

 

Seinem Ältesten haben sie dann versucht mitzugeben, was sie von den Worten verstanden hatten. Gott hat die Erde und alles geschaffen. Jesus Christus hat als Gottessohn und Menschenkind gelebt, ist gestorben und auferstanden. Sie haben die Geschichten aus der Kinderbibel vorgelesen. Als er dann in die Christenlehre und später zum Konfirmandenunterricht ging, haben sie immer weniger zuhause von diesen Geschichten gesprochen. Klaus fällt auf, dass er gar nicht weiß, ob sein Ältester diese alten Worte auch noch kennt. Er nimmt sich vor, ihn beim nächsten Besuch danach zu fragen.

 

„Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche…“, hört Klaus sich sprechen und fragt sich, was das denn mit dem Heiligen Geist eigentlich ist. Er hört gern die Pfingstgeschichte. Immer muss er schmunzeln, wenn es heißt, dass die Umstehenden dachten, die Apostel seien ‚voll süßen Weins‘. Aber wie er sich den Heiligen Geist vorstellen soll oder ob er ihn schon mal gespürt hat, da ist er sich nicht sicher. Obwohl, als vor drei Jahren seine Helga starb und der Pfarrer bei ihm war und sie zusammen gebetet haben, da hat er sich doch hinterher irgendwie getröstet gefühlt.

 

„Gemeinschaft der Heiligen“, spricht Klaus zusammen mit den anderen, die um ihn stehen. Er weiß zwar, dass er kein Heiliger ist. Aber er ist sich sicher, er gehört zur christlichen Gemeinde. Das ist ihm wichtig. „Man muss wo dazu gehören!“, sagt er immer.

 

„Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen“ Bedächtig setzt sich Klaus wieder auf die Kirchenbank. Er kann nicht jedes Wort erklären, was er da gesprochen hat. Aber diese Worte immer wieder zusammen mit anderen zu sprechen, tut irgendwie gut.

 

In seiner Gemeinde zuhause wird manchmal auch ein Lied an dieser Stelle gesungen. „Wir glauben all an einen Gott“ zum Beispiel. Das singt sich so schön. Und auch „Du, Gott, bist Herr, der Schöpfer der Welt“ singt er gern.

 

Ohne dieses kleine Ritual, das gemeinsame Bekennen des Glaubens, würde ihm sonntags etwas fehlen. Es ist gut, zu hören, wie die andern Menschen auch diese Worte kennen und sprechen. Das hilft zum Glauben. Und Gott wird’s freuen, denkt sich Klaus.                             
                           

Christiane Dohrn

 


Das Glaubensbekenntnis - Grund, Gemeinschaft, Gegenüber

Wenn vom Glaubensbekenntnis im Gottesdienst die Rede ist, muss eigentlich zuerst gefragt werden: Welches denn? In den meisten Gottesdiensten sprechen wir das Apostolikum (EG 804). Es heißt so, weil es der Überlieferung nach den Aposteln zugeschrieben wird. Das stimmt nicht. Aber das Apostolikum ist ein sehr altes Bekenntnis, dessen Wurzeln im Rom des zweiten Jahrhunderts im Rahmen von Taufunterricht und Taufe liegen. Zu besonders festlichen Anlässen wird auch manchmal das Nicäno-Konstantinopolitanum gesprochen (EG 805), ein offizieller Text altkirchlicher Konzile des vierten Jahrhunderts. Das ist das eigentliche Glaubensbekenntnis der Christenheit. Denn die dortigen Sätze über Jesus Christus werden von allen christlichen Konfessionen als richtig angesehen. Manchmal werden auch Glaubenslieder gesungen (z.B. EG 183, 184, SvH 43, 44). Das sind Versuche die alten Glaubenssätze neu zu formulieren.

 

In unseren Gottesdiensten werden aber nicht nur ganz verschiedene Glaubensbekenntnisse gesprochen. Vielleicht ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass sie unterschiedliche Orte haben können.

 

1. Nach den Schriftlesungen und vor der Predigt: Das Glaubensbekenntnis ist dem Akzent nach Gebet und Gotteslob. Die Gemeinde antwortet damit auf das Evangelium.

 

2. Nach Predigt und Predigtlied: Das Glaubensbekenntnis ist dem Akzent nach eher Bekenntnis oder Zusammenfassung: Die Schrift wurde verlesen und ausgelegt, nun bekräftigt die Gemeinde das Gehörte mit der Zusammenfassung des Glaubens.

 

3. Nach Predigt, Fürbitten und ggf. Kollekte vor dem Abendmahl: Das Glaubensbekenntnis ist wieder mehr Gebet. Die Gemeinde besinnt sich in Vorbereitung auf das Abendmahl noch einmal auf Gott als ihr Gegenüber.

 

Aber warum sprechen wir überhaupt in jedem Gottesdienst das Glaubensbekenntnis? Drei Aspekte sollten hier betont werden.

Wir vergewissern uns damit des Grundes, auf dem unser Glauben steht. Im Mitsprechen oder –singen lassen wir die Geschichte Gottes mit uns Menschen jedes Mal wieder Revue passieren.

Wir stellen Gemeinschaft her: Wir stellen uns mit unserem Glauben (und auch unseren Zweifeln) in eine größere Gemeinschaft, die nicht nur Kirchenräume übergreift, sondern auch Zeiten. Dieser Aspekt wird besonders in deutlich, wenn das Bekenntnis im Rahmen einer Taufe gesprochen wird.

Und schließlich: Wir vergewissern uns, wem wir gerade gegenüber stehen: Das „Amen“ erinnert uns daran, dass diese Worte auch einen hymnischen Charakter haben, also Gotteslob sind. Wir entfalten mit diesen Worten all das, was wir über Gott sagen können und loben so seine Größe.

 

Grundsätzlich gilt: Das, was meinen Glauben trägt, ist größer als ich. Deswegen ist es auch sinnvoll, auf geprägte Worte zurückzugreifen, die von anderen mitgesprochen werden. Allerdings: Das entbindet keinesfalls davon, sich mit den einzelnen Aussagen des Bekenntnisses auseinanderzusetzen. Wie verstehe ich sie so, dass ich mit dem Herzen spreche und nicht einfach nur daher plappere? Denn die alten Worte sind auch eine harte Kost. Schon Ende des 19. Jahrhunderts haben sich Pfarrer im sogenannten Apostolikumsstreit an so manchen Formulierungen des Apostolikums gerieben. Sie fanden etwa, Konfirmanden brauche man von Jungfrauengeburt oder Höllenfahrt Christi nichts mehr erzählen. Aber das Glaubensbekenntnis ganz zu streichen oder, was nicht selten als Ausweg gesucht wird, nicht alle Sätze zu sprechen oder gleich ganz dem individuellen Geschmack zu überlassen, ist eine zu einfache Lösung. Warum sollte mein Verstehen größer oder tiefer sein als ein Bekenntnis, dessen Text lange gereift und von Generationen gesprochen wurde? Vielleicht kann ich Neues entdecken, wenn ich auf den alten Worten lang genug herumkaue. An Widerständigem kann man nämlich auch wachsen.

 

Astrid Reglitz