Eine Auseinandersetzung mit der Auffassung der Sächsischen Bekenntnisinitiative zur Homosexualität

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Eine Auseinandersetzung mit der Position der Sächsischen Bekenntnisinitiative zum Thema Homosexualität von Christoph Maier
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In zwei Traktaten hat die Sächsische Bekenntnisinitiative ihre Positionen zum innerkirchlichen Streit um gleichgeschlechtlich Liebende öffentlich gemacht. Pfr. Christoph Maier zeigt mit dieser Erwiderung auf, wie mit den Verwerfungsaussagen der Bibel theologisch angemessen umgegangen werden kann, ohne die unrühmliche Geschichte der Diskriminierung Homosexueller fortzuschreiben.

 

Dabei kommt er über die exegetischen Einzelfragen zum Schriftverständnis und zu den tiefen fundamentaltheologischen Gräben, die sich zwischen den beiden Positionen auftun.


Kommentare: 6 (Diskussion geschlossen)
  • #6

    Anne Veit (Freitag, 30 September 2016 17:47)

    Vorhin habe ich mich auf der Seite der Bekenntnisinitiative durch die Thesenreihe gelesen. Bisher kannte ich nur einige wenige Äußerungen dieser Initiative und das war eigentlich ganz gut so.
    Ich frage mich, ob es in diesem Land mit seiner Verfassung eigentlich noch erlaubt ist, mich als psychisch krank und behindert zu betiteln, wenn ich eine Frau als Sexualpartnerin vorziehe.
    Ganz ehrlich: ich habe manchmal den Eindruck, dass der Raum der Kirche zu einem geworden ist, in dem man sich geschützt menschenverachtend und grundgesetzwidrig verhalten darf. Dort darf man diskriminieren und ungestraft öffentlich sagen, dass man von Frauen oder Schwulen kein Abendmahl nimmt. Oder man darf als Arbeitgeber in einer Weise Gesinnung und Lebenswandel zur Voraussetzung machen, die keinem anderen Betrieb zustünde.

    Ich lese oft, dass dieser Freiraum sich schon in mancher gesellschaftlichen Situation als ganz wichtig erwiesen hat - mit Verweis auf Diktaturen. Ja, unbestritten. Aber mindestens genau so viele Situationen lassen sich aufzeigen, in denen Kirche das Inhumane vertreten und konserviert hat. Allein die Möglichkeit, mit Berufung auf den Glauben auf Distanz zur Gesellschaft zu gehen, ist noch kein Wert, allenfalls eine Chance.

    Enttäuschend, wenn die Bekenntnisse der Gesellschaft sich inzwischen deutlicher am Evangelium ausrichten als die der Kirche und wenn sich im toleranten Miteinander in einem Bus mehr Demut zeigt als in kirchlichen Debatten.

    Vielleicht gehe ich doch lieber in die Politik...

  • #5

    Sascha Wildenhain (Mittwoch, 29 Juni 2016 22:27)

    Es ist eine nicht mehr zu überbietende Lächerlichkeit, der sich Christen preis geben, wenn sie allen Ernstes das Faktum der sich umgekehrt habenden Bevölkerungspyramide in Deutschland-also die Tatsache, daß eigentlich deutlich mehr Kinder "in die Welt gesetzt werden müssten", als dies aktuell geschieht- zum Anlass nehmen, in der Diskussion dieses Themas massiv gegen die absolute Minderheit der homosexuellen Menschen zu hetzen.
    So eine unerträgliche Dummheit! Die Eigenverantwortlichkeit von heterosexuellen Menschen, die in die Verantwortung kommen sollten, um eine Familie zu gründen, ist die denn nicht ein wichtiger Punkt? Ja? Nein? Wo bleibt dieses Thema? Zur Erinnerung an alle Hardliner gegenüber dem minimalen homosexuellen Bevölkerungsanteil sei noch einmal an die Tatsache erinnert, daß in Deutschland nahezu jede zweite Ehe scheitert! Dies kann (Quellenlage) durch seriös arbeitende Institutionen belegt werden. Seit Jahr und Tag scheuen sich (so eine meiner vielen Beobachtungen) viele Christenmenschen und auch die meisten anderen, die nicht -wie wir Christen-an den Gott glauben, der alles gemacht hat und in Christus Mensch geworden ist, davor, ihre GEFÜHLE so zu leben, daß sie sowohl mit sich selbst als auch mit ihren Mitmenschen gut zurecht kommen. Hier fällt mir immer die traurig-schöne Liedzeile der Liedermacherin Bettina Wegner ein, die in einem ihrer wunderbaren Lieder singt: "Wenn wir unsere Kinder schlagen, ins Gesicht und auf den Po, WEIL WIR SELBST UNS NICHT ERTRAGEN, traurig bin ich sowieso (...)". Ein Lied aus tiefster DDR- Zeit, geschrieben in tiefer Verzweiflung ob der ständigen Verlogenheit und Alltagsschizophrenie der lebenden Menschen.
    Deswegen hier noch einmal meine Frage an all die schlauen Moralisten unter uns Christen: Was hat die Tatsache, daß wir hier in Deutschland mehr Kinder haben "müssten" damit zu tun, daß es homosexuelle Menschen gibt, die obendrein in einer verschwindend geringen Minderheit sind? Wir leben im Jahre 2016 in Deutschland, wir haben Geschirrspülautomaten, Vollwaschautomaten, Wäschetrockner und ich würde hier gar nicht fertig werden, aufzuzählen, was wir sonst alles noch so haben. Für die 2. Generation vor der meinigen (Jahrgang 1973) war das Thema "WÄSCHE WASCHEN" noch eine Tagesaufgabe, mit kochenden Wasserkesseln, großen hölzernen Rührlöffeln und endlosen Wäscheleinen voller nasser Wäsche, aber es gab mitunter bis zu 10 Kinder in den Familien...
    Was will ich damit sagen?
    Ich sage es Ihnen und Euch: Möglicherweise geht es uns wirklich und wahrhaftig "zu gut". Möglicherweise haben viele Menschen die Orientierung verloren, weil sie sich unentwegt durch äußere Reize beschäftigen lassen. Möglicherweise müssen viele von uns es erst einmal richtig erlernen, sich ihrer eigenen Gedanken- und Gefühlswelt so zu nähern, daß sie in ihrem Verhalten auch anderen Menschen eine Orientierung sein können. Wer von uns kann-politisch uneingefärbt- auf gute Traditionen, Werte, Orientierungen verweisen, die es zu bewahren und weiter zu vermitteln gilt? Wer von uns hat kein persönliches Leid und Elend als Stachel in seinem Fleisch, ÜBER DAS ER NICHT SPRICHT? Weshalb werden hier -für mich- nicht nachvollziehbare Argumentationsmuster konstruiert, die immer und immer wieder auf Sündenbocktheorie hinauslaufen? "die Schwulen"; "die Moslems";
    "die Flüchtlinge"; usw. Für mich ergibt das ein Bild einer kolossalen Verdrängungsleistung, es ist so einfach und leicht, die Ursache meiner eigenen Schmerzen auf das Verhalten anderer Menschen zu schieben. So verstehe ich auch das Jesus- Wort vom Splitter in meinem Auge, den ich nicht fühlen will, weil ich mit der Entrüstung über den Balken im Auge meines Mitmenschen beschäftigt bin.
    Mit freundlichen Grüßen!
    Sascha Wildenhain / verheiratet, Vater von Kurt (4J), Gustav (2J) und Bruno (3W), kein Mitglied irgendeiner Partei, mindestens einen homosexuellen Menschen persönlich kennend und darauf hoffend, daß auch dieser Mensch (wie alle anderen Menschen auch) dereinst im Himmel sein wird.

  • #4

    Markus Löffler (Mittwoch, 29 Juni 2016 11:09)

    Vielen Dank für die intensive Auseinandersetzung mit den Schriften der SBI. Auf mich wirkt Ihr Umgang mit den Stellungnahmen der Bekenntnisinitiative fair. Es gelingt Ihnen, die theologischen Entscheidungen sachgemäß herauszuarbeiten und von da aus Ihre eigene Position zu entwickeln. Die Beschäftigung mit konkreten Argumentationsmustern finde ich hilfreich. Besonders beeindruckt hat mich Ihr Vorschlag, gleichgeschlechtliche und gegengeschlechtliche Beziehungen gleichermaßen unter den Schutz des Ehescheidungsverbots zu stellen. Damit überwinden Sie die Scheingefechte zwischen den verschiedenen Lebensformen und betonen stattdessen das Gemeinsame: den Segen einer tragfähigen intimen Beziehung zwischen Menschen in wechselseitiger Annahme. Mehr noch: Daraus wächst die Verantwortung, diese Liebe zu bestärken und in Schutz zu nehmen, wo es nötig sein sollte (und leider ist es angesichts der offenen und verborgenen Gewalt und Ausgrenzung nach wie vor nötig).

  • #3

    Kinder.Kinder (Freitag, 27 Mai 2016 16:32)

    Aus Herrn Dr. Krells Argumenten möchte ich gern auf eines reagieren:
    Wer Kinderreichtum fördern will, darf schwule und lesbische Partnerschaften nicht gleichwertig zur Ehe stellen.
    a) Warum sollten sichtbare und anerkannte schwule und lesbische Paare andere Paare davon abhalten Kinder zu haben? Dafür erkenne ich keinen Grund.
    b) Wer Kinderreichtum fördern will, sollte m.E. vor allem dafür sorgen, dass Kinder zu haben nicht das Armutsrisiko für Familien deutlich erhöht. Das trifft derzeit aber heterosexuelle ebenso wie homosexuelle Elternpaare und v.a. auf Alleinerziehende in Deutschland zu.
    Die Debatte über das Geschlecht der Eltern ersetzt die Debatte über den Skandal, dass Kinder zu haben Armut fördert, v.a. bei Alleinerziehenden. Wer über Schwule und Lesben redet, muss nicht über Steuergerechtigkeit, Kindergeld oder Ehegattensplitting reden. So verlief die Diskussion über das Familienpapier der EKD: "Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken". Ärgerlich!

  • #2

    Frank Martin (Donnerstag, 19 Mai 2016 21:53)

    Sehr geehrter Herr Dr. Krell,
    herzlichen Dank, daß Sie trotz gegenteiliger Meinung so sachlich argumentieren.
    Wir werden aushalten müssen, daß wir unterschiedliche Sichtweisen haben und sich aus diesen Sichtweisen vielleicht auch unterschiedliche Wahrnehmungen ergeben. Ich nehme wie Herr Maier eine große Unzufriedenheit wahr.
    Zur Toleranz habe ich einen Text unter Kirchenpolitik eingestellt. Da können Sie selbst prüfen, wie zumindest ich den Begriff fülle. Und Sie haben recht: Toleranz hat Grenzen. Die werden durch die Gesetze gezogen. Eine Grenze für mich: Dort, wo andere zu Mitteln für die Zwecke anderer gemacht werden – wo Menschen also andere zu Opfern machen.
    Die Unterscheidung Minderheit/ Mehrheit ist für uns beide und prinzipiell problematisch. Jesus stand oft allein, wenn er den konservativen Leuten entgegen trat.
    Der Vorwurf der Eitelkeit ist natürlich schwierig. Wie soll man sich äußern, wenn man sich nicht äußern soll, um nicht eitel zu wirken?
    Über die einzelnen Fragen können wir gern diskutieren. Vielleicht haben Sie ja Zeit und Lust, Ihre Stimme einzubringen – auch zum Forumstag.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #1

    Dr. Andreas Krell (Donnerstag, 19 Mai 2016 16:59)

    Thesen, denen ich*
    (*Physiker, dem zum Zeitpunkt des Studienabschlusses an der TU Dresden 1974 "offiziell" mitgeteilt wurde, ich müsse einsehen, dass für mich als Mitglied der Evangelisch-lutherischen Kirche kein Platz in der Forschung der DDR sein könne; im Übrigen seit meiner Jugend auch koran-lesend, polyglott und eng befreundet mit einem homosexuellen Paar im Westen der USA wie mit Juden in Israel und Moslems in Saudi-Arabien)
    NICHT zustimmen kann:
    1. "Es herrscht große Unzufriedenheit über den konservativen Geist in der Landeskirche."
    Dies mag für den Verfasser solcher Sätze zutreffen, für die Mehrheit derer, die hinter unserem Landesbischof Rentzing stehen, aber sicherlich nicht. Und ganz sicher nicht für die Christen im - zugegebenermaßen konservativen, vom Hauch des Erzgebirges geprägten - Süden Dresdens (meine Heimatgemeiden sind Lukas in der Südvorstadt, Leubnitz-Neuostra und jetzt Coschütz/Gittersee).
    2. "Die sächsische Landeskirche wirkt in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend isoliert."
    Dies kann nur sagen, wer Entwicklungen wie aktuell in der auch für mein mütterliches Görlitz zuständigen Berlin-Brandenburger Landeskirche mit kirchlicher Einsegnung homosexueller Paare für Ausdruck eines main-stream hält, dem sich alles anzuschließen habe.
    Gerade in einer kirchlichen Gemeinschaft empfinde ich solch imperatives Beharren auf einer eigenen Position befremdlich und setze dagegen:
    - Toleranz im Sinne des Evangeliums ist immer von der EIGENEN Position (wie immer die sein mag!) auf DEN ANDEREN gerichtet.
    - Toleranz im Allgemeinen schließt also auch ein, dass ich anerkenne, in einer Minderheiten-Position zu sein, wenn in einer kirchlichen Wahl ein Landesbischof gewählt wurde, der ggf. andere Positionen vertritt, als ich sie für richtig halte. Und innerkirchlich kann ich zwar bei meiner abweichenden Sicht bleiben, bin aber m.E. gehalten, den gewählten Amtsträger in der Erfüllung seines Amtes zu stützen, und sei es mit meinem Gebet. Rechthaberei, erst recht in der Öffentlichkeit, ist eitel.
    (hier spricht auch der Physiker in mir mit der klassischen Weisheit "Ich weiß, dass ich nichts weiß" = Vielleicht können ja auch Pfarrer von der Demut des Naturwissenschaftlers lernen).
    - Toleranz im Einzelnen, z.B. zur Lebensgemeinschaft Homosexueller, heißt für mich: Die Freundschaft mit "meinem" Homosexuellen Paar in den USA, die selbstverständliche Anerkennung von deren Lebensform ist das Eine. Es bedeutet aber mitnichten, dies auch als "allgemeinüblich" und der Ehe "gleichwertig" anzusehen oder gar zu akzeptieren, es sei "fortschrittlich", solches unseren Kindern gegenüber zu propagieren.
    Es m.E. macht auch gesellschaftspolitisch keinen Sinn: Man kann nicht ernsthaft über zu niedrige Geburtenraten klagen - und gleichzeitig in Schulen verkünden, es sei "gleichwertig", wenn Mann mit Frau oder Mann mit Mann zusammenlebt; solche Logik geht schon intellektuell nicht auf.
    - Wer diese meine Toleranz anderen gegenüber bei gleichzeitiger Betonung des natürlichen Unterschiedes der diversen Lebensformen als "Indikator für Ausgrenzung und Diskriminierung" bezeichnet, mit dem würde ich gern über seinen eigenen Toleranzbegriff diskutieren.
    Mit ausdrücklicher ZUSTIMMUNG lese ich die Erklärung, das FORUM FÜR GEMEINSCHAFT UND THEOLOGIE wolle ein Zeichen setzten "für Offenheit und Vielfalt" in unserer Kirche. "Vielfalt in der Kirche" bedeutet natürlich auch die Berechtigung zur Formulierung von Minderheitsvoten, kann aber offenbar NICHT heißen, das JEDE Meinung dem allgemeinen Kanon GLEICHWERTIG beigesellt werden kann. Ich zum Beispiel habe kein Problem, mit "meinen Moslems" (ich war dienstlich mehrfach in Saudi-Arabien) gemeinsam die Fathiha, die erste Sure des Korans zu beten, weil ICH dies für einen großartigen Gebetstext halte. Ich werde aber bestimmt von niemand in meiner Gemeinde fordern, sich dieser meiner Sicht als Ausdruck einer Willkommenskultur anzuschließen.
    Mit nachdenklichen Grüßen
    Dr. Andreas Krell
    Dresden [akrell52@gmail.com]