Für eine Legislatur der Begegnung in der Kraft des Heiligen Geistes

Eingabe und Offener Brief des Initiativkreises des Forums für Gemeinschaft und Theologie an die 28. Landessynode

Trinitatis 2021

Sehr geehrte Damen und Herren Landessynodale,

danke, dass Sie die Impulse aufgenommen haben, die aus der 27. Landessynode und der Kirchenleitung nach dem Rücktritt von Dr. Carsten Rentzing vom Bischofsamt ausgingen. Mit dem Bericht der Spurgruppe und der folgenden Diskussion hat die wichtige und notwendige Weiterarbeit für unsere Kirche, in unserer Zeit, in unserem Land begonnen.

Wir bitten Sie: Machen Sie aus der Legislatur der 28. Landessynode eine Zeit, in der Gottes Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit in unserer Kirche Gestalt gewinnt – in Begegnung und Auseinandersetzung mit dem biblischen Wort, das uns gemeinsam trägt, ermahnt und leitet.

Es gab und gibt gute Gründe, dass die Abgrenzung zwischen Rechtsextremismus und wertkonservativem Christentum zum Thema der Arbeitsgruppe wurde:

  • Dr. Carsten Rentzings in der Öffentlichkeit unaufgearbeitete Vergangenheit war verknüpft mit rechtsnationalen, verfassungskritischen Gedanken.
  • Bei Pegida und in der AfD finden sich Christinnen und Christen als Aktive und als Sympathisantinnen und Sympathisanten. Dort sehen wir einen teilweisen Missbrauch des christlichen Glaubens für die Herabsetzung Andersdenkender.
  • Es gibt – wie es der Bericht der Spurgruppe deutlich formuliert – „Grauzonen“, die eine bewusste und klare Auseinandersetzung und Positionierung nötig machen. Geschieht das nicht innerhalb der Kirche, droht die Gefahr, dass konservative Christinnen und Christen von extremistischen Gruppierungen vereinnahmt werden und sich vereinnahmen lassen und die Kirche so im Kern ihrer Botschaft getroffen wird.
  • Wir stellen innerhalb mancher Kirchgemeinden eine erschreckende Ignoranz und Naivität gegenüber politischen Ereignissen und Strategien fest. Dort besteht die Gefahr, dass antidemokratische Tendenzen unkritisch aufgenommen und weitergegeben werden.

Die Arbeitsgruppe hat den Extremismusbegriff auch über den Rechtsextremismus hinaus in den Blick genommen. Eine Verbindung oder inhaltliche Nähe zu linksextremen oder anderen verfassungsfeindlichen Gruppierungen innerhalb unserer Landeskirche gibt es unseres Wissens derzeit nicht. Insofern ist eine Konzentration auf die von der Spurgruppe verfolgte Thematik sinnvoll und notwendig. Eine Übertragung in andere Extremismusbereiche macht Sinn, wenn sich politische oder kirchliche Realitäten entsprechend verändern. Hier zählt nicht der subjektive Eindruck, sondern die nüchterne Analyse.

 

Wir erwarten Impulse auf drei Ebenen: 1. Innerhalb der Synode; 2. Innerhalb der Landeskirche; 3. In unsere Gesellschaft hinein.

 

1. Innerhalb der Synode …

… bitten wir Sie: Sorgen Sie dafür, dass die Frage: „Wo stehen wir als stark konservativ geprägte Landeskirche im Verhältnis zu erstarkenden rechtsextremen Positionen?“ nach innen und außen besprochen und geklärt wird. Weil die Auseinandersetzung über diese Frage Kraft kostet und manche Vorwürfe schmerzhaft sind oder beschämen, bitten wir Sie: Schaffen Sie Schutz- und Lernräume, jenseits der Öffentlichkeit für dieses Gespräch. Und: Sorgen Sie dafür, dass diese Auseinandersetzung nicht im Hinterzimmer bleibt, sondern in der Öffentlichkeit sichtbar wird. Stellen Sie sich als Synode und als Synodale dem Gespräch – auch wenn es ein Konfliktgespräch ist.

 

 

 

2. Innerhalb der Landeskirche…

… bitten wir Sie: Sorgen Sie dafür, dass solche Schutz- und Lernräume entstehen: Setzen Sie einen Schwerpunkt auf diese Arbeit, z.B. mit einer landeskirchlichen Initiative: „Wir sind Kirche in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes – miteinander leben, streiten, feiern.“

  • Schaffen Sie die institutionellen Bedingungen, die das Gespräch ermöglichen. Sorgen Sie für entsprechende Rahmenbedingungen für ehrenamtlich und beruflich Engagierte, von der Superintendentin bis zum Vikar, von der Mutter in der Krabbelgruppe bis zum Prädikanten.
  • Fördern Sie (auch finanziell) den Austausch durch Besuche zwischen Kirchgemeinden und Regionen, Gruppen und Institutionen. Fördern Sie Fortbildungen und Begegnungen zwischen unterschiedlichen Menschen und Positionen. Legen Sie ein Besuchsprogramm auf.
  • Geben Sie an die Kirchenleitung den Auftrag, diese Begegnung zu begleiten, zu unterstützen und lassen Sie deren Früchte in zwei Jahren evaluieren.
  • Machen Sie deutlich, was es für Folgen hat, wenn sich Gemeinden diesen Begegnungen verweigern: Wir berauben uns der Gemeinschaft in Christus.
  • Beziehen Sie die Ausbildungsstätten von der Ehrenamtsakademie bis zu den Fakultäten in diese Arbeit ein.
  • Ermutigen Sie zur gewaltfreien Kommunikation und fördern Sie die Fortbildung in dieser grundlegenden Gesprächstechnik.

Gestalten Sie innerhalb der Landeskirche eine Legislatur der Begegnung in der Kraft des Heiligen Geistes – eine Legislatur, die Respekt und Verstehen fördert. Wer nicht gesehen und gehört wird, entfernt sich aus der Kirche und/oder droht möglicherweise in Radikalisierung und Extremismus abzurutschen.

 

3. Innerhalb der Gesellschaft…

… lassen Sie unsere Kirche in der Auseinandersetzung sichtbar werden:

  • Geben Sie der Öffentlichkeit Kenntnis über den innerkirchlich notwendigen Prozess.
  • Fordern Sie den Beauftragten beim Freistaat Sachsen dazu auf, in den Parteien für das geschützte und moderierte Gespräch miteinander zu werben und dazu einzuladen.
  • Stärken Sie den Mitarbeitenden im Verkündigungsdienst den Rücken für die wache und selbstbewusste Auseinandersetzung mit Menschen und Gruppen, die andere Menschengruppen diffamieren und herabsetzen.
  • Ermutigen Sie Kirchgemeinden, sich kritisch mit den Christinnen und Christen in unterschiedlichen Parteien und mit den jeweiligen politischen Positionen auseinanderzusetzen, sie zum Gespräch oder zu gemeinsamen Projekten und Aktionen einzuladen, in denen Begegnung und Klärung möglich wird.
  • Beauftragen Sie den Bischof und die Kirchenleitung damit, für die Kirche Position zu beziehen, wo die Pluralität der Gesellschaft diffamiert wird, die Würde und der Schutz von Zugewanderten in Frage steht, wo nicht-binäre Personen in ihrer Würde oder Frauenrechte verletzt werden und ein klares „Nein“ zu politischen Akteuren zu sagen, die Ungleichwertigkeitsvorstellungen propagieren und Menschengruppen herabwürdigen oder ihre Daseinsberechtigung in Frage stellen.
  • Fordern Sie Dienste und Werke/Kirchengemeinden auf, Projekte zu entwickeln oder sich an solchen zu beteiligen, die die Begegnung zwischen Minderheiten in unserem Land, ökumenischen Geschwistern und Menschen der Mehrheitsgesellschaft ermöglichen. Fördern Sie diese Projekte!

Mit großem Respekt für Ihre Arbeit und in der Fürbitte für Gottes Segen in Ihrem gemeinsamen Arbeiten und Ringen

 

Anna-Maria Busch, Christiane Dohrn, Alexandra Hanke, Andreas Kastl, Dr. theol. Barbara Zeitler für den Initiativkreis des Forums für Gemeinschaft und Theologie

 


Kommentare: 49 (Diskussion geschlossen)
  • #49

    Diana von Eynern (Samstag, 16 Juli 2022 09:20)

    Hier der Verweis auf die differenzierte und klärende Rede von EKD-Präses Dr. Annette Kurschus aktuell beim Sommerempfang in Brüssel:

    https://www.ekd.de/rede-kurschus-sommerempfang-ekd-buero-in-bruessel-74237.htm

  • #48

    Diana von Eynern (Dienstag, 07 Juni 2022 23:29)

    Hinweis: Am 11.6.22 findet ein Fachtag zum Rechtspopulismus in christlichen Kreisen statt.
    https://www.sonntag-sachsen.de/fachtag-rechtspopulismus-christlichen-kreisen

  • #47

    Diana von Eynern (Montag, 21 März 2022 07:39)

    Die beginnende Rekrutierung von deutschen Neonazis als Soldaten im Ukraine-Krieg verschärft die Situation:
    https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-03/rechtsextremismus-neonazis-rekrutierung-russland-ukraine-krieg utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.startpage.com%2F.

    Deshalb ist jede Stimme , die zum Frieden aufruft, um so wichtiger.
    Ein Beispiel gibt da Prof. Dr. Thorsten Dietz mit seinem Kommentar zur Friedensethik: https://www.pro-medienmagazin.de/ukraine-krieg-selig-sind-die-frieden-stiften/

  • #46

    Diana von Eynern (Freitag, 28 Januar 2022 19:02)

    Hier die gestrige berührende Rede der Holocaust-Überlebenden Inge Auerbacher, die Erinnerungen u.a. aus dem KZ Theresienstadt den Abgeordneten und der Öffentlichkeit zum diesjährigen Holocaust-Gedenktag mitteilt.

    https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw04-gedenkstunde-rede-auerbacher-879226

    Die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sagte in ihrer Begrüßungsrede: "Der Antisemitismus ... ist ein Problem unserer ganzen Gesellschaft. Er ist mitten unter uns.

    https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/reden/2022/20220126-879202

  • #45

    Diana von Eynern (Samstag, 08 Januar 2022 09:35)

    Wunderbar heute die Kundgebung auf dem Neumarkt von der Aktion "Haltung zeigen" in Dresden, an der sich viele Menschen, wichtig als Zeichen nach Innen und Aussen ist, daß die Initiative insbesondere auch aus der Kirchenleitung kommt, beteiligen:
    https://haltung-zeigen.com/

  • #44

    Diana von Eynern (Dienstag, 28 Dezember 2021 23:05)

    P.S. Wenn ich bei Papst Franziskus in seiner neuen Enzyklika "Fraterni tutti" - Über die Geschwisterlichkeit - lese, wie klar er sich zu "unvermeidlichen Konflikten" (237 ff.) und "berechtigten Kämpfen (241)" äussert, zum Kampf gegen Unterdrückung aufruft um der Würde des Menschen willen, dann ermutigt mich die persönliche und gesellschaftspolitische Haltung des kirchlichen Oberhauptes:
    "(Einen Unterdrücker) zu lieben bedeutet (...), zu versuchen, daß er davon ablässt zu unterdrücken, ihm jene Macht zu nehmen, die er nicht zu nutzen weiß und die ihn als Mensch entstellt. (...) Es geht nicht darum, auf unsere eigenen Rechte zu verzichten."

  • #43

    Diana von Eynern (Dienstag, 21 Dezember 2021 13:17)

    In der Fürbitte des synodalen Gottesdienst in der Frauenkirche gebraucht Synodalpräsidentin Bettina Westfeld eine deutliche Sprache: »Wir beklagen die Irrwege der braunen Synode 1933/34. Da sind wir in die Irre gegangen.« Das war ein wichtiges Zeichen dieser Herbstsynode und wurde von den kirchlichen Medien auch sofort veröffentlicht. Die Grenzziehung zwischen dem gegenseitigen Ertragen von unterschiedlichen Sichtweisen in einer Gemeinde und dem "un-erträglichen" Irrweg bzw. der Schuld des Irrweges durch Teilnahme an oder Unterstützung von demokratiefeindlichen Gruppen liegt weiterhin in der Verantwortung des oder der Einzelnen bzw. der einzelnen Synodalen. Der Gesprächsraum Kirche bietet nach diesem Papier einen Raum für Begegnung in gegenseitiger Toleranz und Respekt, intendiert aber nicht in erster Linie eine Grenzziehung bzw. Parteinahme für Menschen, die im Dritten Reich aufgrund ihrer "Rasse", Religion oder sexuellen Ausrichtung durch die braune Gesinnung ihr Leben verloren.

  • #42

    Juliane Keitel (Dienstag, 23 November 2021 00:43)

    Liebe Forumsleute - im November hat die Synode getagt. Ihr hattet eine umfangreiche Eingabe geschrieben.
    Habt ihr eine Antwort erhalten? Oder seht ihr Aspekte eures Textes in dem neuen Papier, das in der Auseinandersetzung mit dem Bericht der sog. Spurgruppe entstanden ist (https://engagiert.evlks.de/fileadmin/userfiles/EVLKS_engagiert/B._Landeskirche/Landessynode/2021-Herbst/Dateien_fuer_Berichterstattung/Kirche-als-Gespraechsraum-gestalten.pdf), berücksichtigt? Seid ihr zufrieden mit diesem Text des Theologischen Ausschusses der Sächsischen Landessynode?

  • #41

    Gert Flessing (Samstag, 14 August 2021 22:29)

    zu#40 Die Entwicklung, sowohl in Polen, als auch in Ungarn, kann sehr nachdenklich stimmen. Aber augenscheinlich hat, in polen, PiS eine große Anhängerschaft.
    An Solidarnosc kann ich mich noch gut erinnern und auch daran, wie in Polen der Ausnahmezustand ausgerufen wurde und die ganze Nacht Russische Panzer durch das Kaff fuhren, in dem ich damals wohnte. Es hieß, sie würden an die polnische Grenze verlegt. Aber sie donnerten auch durch die Dörfer, um uns zu mahnen, ruhig zu sein.
    Manchmal könnte man sagen: "Wie gewonnen, so zerronnen." Jetzt wird die Freiheit systematisch eingeschränkt und ja, möglich, dass auch das Netz zensiert wird. Ganz verbieten klappt ja nicht mal in China.

  • #40

    Diana von Eynern (Donnerstag, 12 August 2021 20:46)

    erg. zu #28: Die aktuell turbulenten politischen Geschehnisse in unserem politisch zerrissenen Nachbarland und "nebenbei" die weitere Einschränkung der Pressefreiheit 40 Jahre nach der Freiheitsbewegung Solidarnosc bewegen mich tief. Heutiges Zitat einer guten polnischen Freundin, die direkt bei Solidarnosc in Danzig beteiligt war und sehr unter der aktuellen Machtentwicklung von PiS und gesellschaftlichen Zerrissenheit leidet: "Als Nächstes wird das Internet verboten."

  • #39

    Gert Flessing (Donnerstag, 05 August 2021 11:58)

    zu 3. Ach, Sie wissen schon, das es nicht ausreicht, in ein gebildetes Haus hinein geboren zu sein. Ich kenne etliche, die dieses Glück hatten und scheiterten, als es um das eigene Leben ging. Ein Großonkel von mir, Oberst a.D. Staatssekretär im Auswertigen Amt Bonn, hatte einen Sohn, dem er sämtliche Wege ebnen konnte. Er endete mit Drogen und völlig entgleist, in irgend einer Scheune.
    "Status"? Den definiert jeder Mensch sich selbst. Wer bin ich? Oder: "Wer will ich sein?" Der Weg ist, neben dem Erkennen von Grenzen und Möglichkeiten, der Wille, sich zu bilden. Dazu, ein Fundament zu finden, auf dem man sein Leben gründen kann. Mein Konfirmationsspruch hat mich, mein Leben lang, bis heute, begleitet: "Es ist gut, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade."
    Mal abgesehen von meinem Blutdruck und einer kleinen Undichtheit einer Herzklappe, habe ich diese Gnade erfahren. DA ist mein Fundament. Natürlich weiß ich, dass Jesus sagte, dass die ersten die Letzten sein werden und umgekehrt. Aber das schreckt mich nicht. Ich habe ihm mein Leben anvertraut. Sollte ich der Letzte sein, erhalte ich immer noch meinen "Denar".
    Von daher lebe ich, selbst wenn Sie es vielleicht nicht glauben wollen, Pluralismus. Europa ist etwas, was ich schon immer für etwas hielt, was gestaltet werden muss, um unsere Zukunft sein zu können. Der Slogan, den ich auf unser erstes Wahlplakat, nach der Wende brachte, lautete: "Sachsen - unsere Heimat; Deutschland - unser Vaterland; Europa - unsere Zukunft." Vor allem aber habe ich, wo ich auch war, in Europa, Menschen getroffen, die Christen sind.
    Die Idee, Menschen zu unterdrücken, wäre mir nie gekommen. Im Gegenteil. Menschen zu fördern, ihnen Perspektiven für ihr Leben aufzuzeigen, ihnen zu helfen, vielleicht neu Fuß zu fassen. Das ist mir immer wichtig gewesen.
    Das ist es, wozu wir berufen sind, in der Zeit, die wir hier haben. Dafür nutze ich die Möglichkeiten und Ressourcen, die ich vorfinde. So, wie ich einst meine Frau, wir waren frisch verheiratet, drängte, die Fahrerlaubnis zu machen, ihr später durch meine "Kinderbetreuung" half, die Ausbildung zur Gemeindeschwester zu absolvieren und noch später, sich zur Pflegedienstleiterin zu qualifizieren. Menschen helfen, ihren Weg gehen zu können.
    Wie im persönlichen, so im Amt. Das ist doch die Aufgabe. Trösten, Ermutigen, Hoffnung stiften, Kraft zusprechen, Kummer mittragen und wieder auf den Weg bringen.
    Jedenfalls habe ich es immer so verstanden. Dabei nie vergessen, sich auch selbst zu lieben, damit man die Kraft für die Nächstenliebe nicht verliert.
    Nur am Rande, was ich für wesentlich für unsere Gesellschaft halte.
    Verbot von Inlandflügen, dafür Verstaatlichung der Bahn. Stromversorgung, Wasserversorgung u.ä. gehören nicht in Privathand.
    Verbot von Wetten an Börsen und strengere Kontrolle. Besteuerung der erzielten Gewinne, bis es weh tut. Nur einige Beispiele.

  • #38

    Gert Flessing (Donnerstag, 05 August 2021 11:42)

    zu #36
    Es betrübt mich, liebe Frau Keitel, dass Sie unseres Gespräches augenscheinlich überdrüssig sind. Ich finde es angenehm und durchaus erhellend für mich.
    Sicher, ich kann mit Ihren, wie es manchmal rüber kommt, "schwarz - weiß - Denken" nicht recht glücklich werden. Aber es ist Ihre Weltsicht.
    Meine muss es, so denke ich, nicht sein.
    Gewiss, ich habe die DDR mit all ihren Fassetten erlebt. Das Beispiel mit meinem Freund und seinem Artikel, stammt aus jener Zeit, als dieses System in den letzten Zügen lag. wer weiß, er wäre sonst vielleicht unser erster Ministerpräsident geworden.
    Ich würde auch die Presse damals nicht mit der heutigen vergleichen wollen. Ich glaube schon, dass Journalisten heute frei sind. Welche innerredaktionellen Zwänge es geben könnte, weiß ich nicht. Aber ich denke, das jede Zeitung durchaus interne Regeln hat.
    Dazu kommt, das ich mich manchmal frage, ob Journalismus die Darstellung von Fakten (ein großes Magazin warb mal damit) oder die Vermischung von Fakten und Meinungen ist. Wenn ich zu den Fakten eine Meinung weitergebe, meine Meinung, weitergebe, beeinflusse ich meine Leserinnen und Leser.
    Ich erwarte nicht von einem Journalisten, das er "schreibt, wie ich es möchte", es sei denn, er bittet mich um ein Statement. Dann allerdings möchte ich, das es so wiedergegeben wird, wie ich es sagte, oder schrieb. Nicht, wie sie oder er es verstanden hat. Muss es gekürzt werden, was ja durchaus möglich ist, würde ich gern darüber informiert werden. Nun, bei mir ist das nie passiert, weil ich wusste, wie viel Zeichen das, was erbeten wurde, enthalten darf.
    2. Ich denke schon, das Muslime integrierbar sind, so, wie andere Menschen auch. Ich stelle diese Menschen auch nicht unter einen Generalverdacht. Ich kenne genügend Muslime, die sich gut integriert haben, die ihre Arbeit machen und unauffällig leben. Natürlich nehme ich, dabei "helfen" ja die Medien auch, das es andere gibt. Das finde ich traurig und schlimm. Ich nehme die Probleme wahr, die es mit bestimmten Vereinen gibt, die mit saudischem Geld oder gar unter Einfluss des türkischen Religionsministeriums arbeiten. Ich nehme zur Kenntnis, wie Menschen, die hier Islamkunde lehren wollen, von ihren eigenen Leuten infrage gestellt werden.
    Nach meinen eigenen Studien, die ich betrieben habe, ist im Islam potentiell ein Machtanspruch vorhanden, der einst da sein musste, damit der Gründer dieser Religion, Mohamed, seinen Laden zusammen halten konnte. Er war nun einmal nicht nur friedlicher Gelehrter sondern Kriegsherr und Staatsgründer.
    Während dessen war Jesus nicht dezidiert Gründer einer neuen Religion - er hat sich so nie gesehen und alles andere, als ein Kriegsherr. Das seine Lehre von der Kirche oft genug pervertiert wurde, kann man ihm selbst kaum anlasten.
    Schon von daher ist das, was Pegida an Gedanken hat, abwegig.
    Wie es ja, in meinen Augen, immer eine geistig - geistliche Auseinandersetzung sein muss. Keine der Lautstärke und schon gar keine der Gewalt. Dazu gehört die innere Kraft des Vertrauens in Gott.

  • #37

    Juliane Keitel (Mittwoch, 04 August 2021 10:05)

    Nachtrag/Korrektur: ein mitlesender Freund machte mich darauf aufmerksam, dass ich die Sache mit dem Journalisten (#35) evtl. nicht richtig verstanden habe. Lieber Herr Flessing: das stimmt, ich habe Ihre Erinnerung nicht im Rahmen der ehemaligen DDR gelesen, bitte entschuldigen Sie das. Falls Sie mit "damaliges Presseorgan" also das "Neue Deutschland" meinten, würde die Geschichte selbstverständlich in ein völlig anderes Licht gerückt werden, denn damals hatten wir keinen freien Journalismus und keine freie Presse. Genau aus diesem Grund aber verbietet es sich für mich, diese und die heutigen Zeiten gleichzusetzen und von diesen Erfahrungen auf heute zu schließen. Das sollte differenziert und nicht in einen Topf geworfen werden.

  • #36

    Juliane Keitel (Montag, 02 August 2021 21:04)

    Sie haben vollkommen Recht, Herr Flessing - wir kommen nicht zueinander und können das Gespräch gerne beenden. Ich habe keine Lust mehr, undifferenziertes Ausweichen und noch mehr rechtspopulistische Meinungen zur Kenntnis nehmen zu müssen. Davon gibt es auch an anderen Stellen genügend, und ich finde es bedrückend und beschämend, solche immer wieder und wieder auch im Raum der Kirche anzutreffen. Nur noch drei kurze Bemerkungen zu Ihren Ausführungen in #35:
    1. Zu Ihrem Verhältnis zum Journalismus: Ihr Beispiel ist unverständlich. Ist der Journalist schuld daran, dass Ihr Freund seinen Job verloren hat? Oder hat Ihr Freund Dinge verlautbart, die dazu geführt haben? Worum genau ging es denn? Ziemlich pauschal und verantwortungslos, wenn Sie das so stehenlassen, denn das ist eine gängige populistische Einstellung, so nach dem Motto: ja, so sind sie eben, die Journalisten. Es nützt auch nichts bzw. unterstützt das populistische Argument ja nur noch, wenn Sie dann noch relativierend ergänzen, dass Sie aber auch Journalisten kennen würden, denen gegenüber man "kein zu großes Misstrauen haben darf". Wahrscheinlich meinen Sie damit dann ausgewählte Personen, die alles genauso schreiben, wie Sie und andere es gern möchten. Tolles Verständnis von Medien und Journalismus, bitte entschuldigen Sie die Polemik.
    2. Zu Ihrem Verhältnis zu Pegida: Sie weichen aus. Pegida ist der Auffassung, dass der Islam nicht integrierbar ist, weshalb Menschen muslimischen Glaubens unter Generalverdacht gestellt werden und als 'nicht hierher gehörend' beschrieben werden; die Folgen solchen Denkens und Redens für das Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft, die eine Tatsache in diesem Land darstellt, dürften auch Ihnen klar sein. Mir ging es nicht vordergründig um das Auftreten und Brüllen der Demonstrierenden, sondern vor allem um die Inhalte, die Sie teilweise zu teilen scheinen, Herr Flessing. Dazu äußern Sie sich leider nicht, sondern ziehen sich zurück auf die Art und Weise des Demonstrierens, die - und da kann man Ihnen natürlich nur zustimmen - widerlich ist. Zu deren Inhalten aber äußern Sie sich mit keinem Wort.
    3. Zu Ihrem Verhältnis zum Elitären: Ihr deterministisches Bild von Gesellschaft (#35: "[Elite] spaltet auch nicht die Gesellschaft, sondern akzeptiert sie so, wie sie sich darstellt, in all ihren Fassetten (sic).") ist bemerkenswert, und das ist natürlich eine besonders perfide Art von Ideologie: Diejenigen, die das Glück hatten, in sozioökonomisch hohe und 'gebildete' Kreise hineingeboren zu werden, bleiben für immer dort und dürfen diejenigen benutzen und unterdrücken, deren Status niedriger ist, und das hat auch noch so zu bleiben. Eine ebenfalls krass rechtspopulistische Haltung. Ich frage mich, wie Sie das mit einem christlichen Gewissen vereinbaren können. Ich habe eine andere Vision von Gesellschaft, nämlich eher angelehnt an das Jesuswort von den Letzten, die die Ersten sein werden. Diese Art der 'Ideologie' passt meiner Meinung nach ein wenig besser zum Christentum als Ihre Elitenideologie. Abgesehen davon scheint es Sie ja auch nicht zu interessieren, dass Elitarismus, wie ich schon schrieb, Pluralität und Pluralismus ablehnt, ohne die beispielsweise Europa nicht zu denken ist.

  • #35

    Gert Flessing (Montag, 02 August 2021 11:42)

    zu#43
    Ach, liebe Frau Keitel, wir werden eine Übereinstimmung gewiss nicht erzielen. dafür sind wir zu verschieden.
    Sie "lesen heraus". Schon falsch. Ich misstraue allen Medien, mehr oder weniger. Nicht zuletzt, weil ich erlebt habe, wie Journalisten manchmal mit aussagen umgehen. Früher wurde ich manchmal gebeten, für unser damaliges Presseorgan, irgend etwas zu formulieren. Ich habe mir das, vor Druck, immer noch mal vorlegen lassen. Ein Freund von mir hat es nicht getan. Das kostete ihn letztlich sein Amt.
    Ich kenne aber auch Journalisten und weiß, das man auch kein zu großes Misstrauen haben darf. Doch ich weiß auch, dass manchmal der Platz in einer Kolumne nicht reicht und etwas weggelassen werden muss.
    Ich teile auch die Positionen von Islamkritikern nicht unbedingt. Auch das, was sie veröffentlichen, lese ich kritisch.
    Das damit kein akutes Problem gelöst wird, ist doch wohl klar. Es sind Menschen, die bestimmte, vorhandene Muster aufzeigen.
    Angst- und Neiddebatte? Ja, die gibt es. Aber die existiert, so denke ich, weil die Masse der Menschen mit den Problemen nicht umgehen kann. Sie erinnern mich an Eine Rotte, die das leckere Essen im Napf sieht und jedes Individuum drängelt und versucht andere wegzuschubsen, um erster zu sein.
    Verständnis für Pegida? Warum sollte ich? Ich habe kein Verständnis für solche undifferenzierten Zusammenrottungen, für wüste Parolen und Geschrei. Hatte ich nie, denn meist sind solche Leute nur lästig. Vor allem ist da wieder der Napf, zu dem sie drängen und von dem sie andere weg schubsen wollen. Das genug für alle da ist, merken sie nicht einmal.
    Ihre "Anführer" sind ja auch nur Menschen, die sich daran berauschen, Macht zu haben und davon vielleicht profitieren zu können. Eine der großen Gefahren, die es in der Gesellschaft gibt.
    Die AfD ist, wie ich es einschätze, immer weiter nach rechts gedriftet. Da ist eine Zusammenarbeit nicht möglich. Ja. Ich hatte, ganz zu Anfang, mal gedacht, dass es ein Versuch sein könnte, Menschen, die von dem Linksdrall der CDU enttäuscht sind, auffangen zu können. Doch ich war damals schon skeptisch, denn Herr Prof. Lucke war ein Gegner Europas. Das hat mir die Sache suspekt gemacht.
    Ich weiß nicht, ob ich damit kokettiere, "elitär" zu sein. Ist vielleicht ein Erziehungsdings. Für mich steht Elite jenseits von jeglicher Form von Ideologie. Muss jenseits davon stehen, denn Ideologie verengt und dogmatisiert.
    Sie spaltet auch nicht die Gesellschaft, sondern akzeptiert sie so, wie sie sich darstellt, in all ihren Fassetten. Ihre Aufgabe ist es, Ideen zu liefern, weiter zu denken und der Gesellschaft gedankliche Angebote zu machen, wie Zusammenhalt gestaltet werden kann z.B.
    An irgend eine "Schwarmintelligenz" glaube ich nicht.
    Vermutlich bin ich deshalb auch mein Leben lang ein Einzelgänger gewesen und habe auch politisches Engagement u.ä., ohne Bedauern hinter mir lassen können.

  • #34

    Juliane Keitel (Sonntag, 01 August 2021 20:27)

    Nun sind wir eben doch wieder dort, wo wir auch sonst enden in diesen Diskussionen. Ich lese bei Ihnen, Herr Flessing, ein unifferenziertes Misstrauen gegenüber ("seriösen"...? #33) Medien heraus. Ich höre heraus, dass Sie den rechtspopulistischen und -extremen Vorstellungen vom nicht-integrierbaren Islam in eine westeuropäische Kultur aufsitzen. Ich sehe, dass Sie eben nicht differenzieren und Ihnen offensichtliche populistische Positionen von Bassam Tibi und ja, auch von Ayaan Hirsi Ali (und damit möchte ich nicht ihre eigene Lebensgeschichte und ihre biografischen Reflexionen abwerten!), nahe sind. Aber Sie checken nicht, dass beide Personen mit ihren unifferenzierten politischen Positionen, die sie aus persönlichen Erfahrungen ableiten und ohne empirische Evidenzen generalisieren - ich wiederhole es nochmal - nicht ein einziges Problem lösen, sondern Ängste und Neidedebatten schüren und sich genau in der Grauzone bewegen, die ins rechte Spektrum abzurutschen droht. Da ist es unerheblich, ob Sie dann noch AfD wählen oder nicht, Herr Flessing, denn Sie beziehen sich ja schon immerzu auf deren Zuträger, deren Unterstützer:innen und argumentieren mit diesem Gedankenpotetial. Das spielt einer AfD und deren Geist doch genauso in die Hände, wie offen homophobe oder rassistische Christ:innen, die zu Pegida laufen. Mir fällt es schwer, zu glauben, dass Sie nicht auch Veständnis für Pegida aufbringen, Herr Flessing, oder dass Ihnen eine Zusammenarbeit zwischen AfD und CDU oder CSU auf kommunaler Ebene herzlich egal ist oder Sie diese eher als 'interessante Projekte' beurteilen.
    Wenn Sie immer so selbstkritisch anmerken, dass Sie auch irgendwie elitär sind (oder kokettieren Sie etwa damit?), dann frage ich mich, weshalb diese Selbstkritik nicht dazu führt, zu überlegen, ob das ein gutes Konzept ist. Elitarismus steht doch nicht über jeder Ideologie, im Gegenteil, er spaltet eine Gesellschaft! Elitäre Menschen verweigern sich i.d.R. Pluralität und Pluralismus, das sollte Ihnen zu denken geben.

  • #33

    Gert Flessing (Sonntag, 01 August 2021 18:05)

    zu#32
    Pardon, aber hier begreife ich Sie nicht. Wenn ich mich mit DEM Islam beschäftige, beschäftige ich mit der Herkunft dieser Religion. Das berücksichtigt natürlich erst einmal nicht die Tatsache, dass er, wie das Christentum auch, eine Entwicklung genommen hat, seine eigenen Schismata kennt und das nicht nur in Sunniten und Schiiten.
    Aber um seine Grundlagen zu begreifen, muss man ja zunächst die Quellen kritisch lesen.
    Das die "Kirche" nicht nur positiv gewirkt hat, in ihrer langen Geschichte, weiß ich sehr wohl.
    Wie ich versuchte, deutlich zu machen, richtet sich meine Kritik nicht gegen Menschen, die Muslime sind. Mir ist es auch völlig gleichgültig, ob sich jemand taufen lässt. Darum kann es nicht gehen und Integration als solche hat, in einer offenen Gesellschaft, nichts mit Taufe zu tun. Wohl aber etliches mit Wertvorstellungen, wie Gleichberechtigung, Akzeptanz sexueller Selbstbestimmung, und Ablehnung von Fundamentalismen.
    Basam Tibi ist elitär? Na und? Dennoch sind seine Bücher durchaus lesenswert. Könnte es sein, das ihn "seriöse" Medien schneiden, weil seine Gedankengänge eben elitär und anstößig sind? Man muss nicht auf ihn hören, aber man sollte ihn hören. Er ist eine Stimme, unter anderen. Wie stehen Sie dann, liebe Frau Keitel, zu Ayaan Hirsi Ali? Ich halte sie, mit ihrer Geschichte, für eine beeindruckende Frau. Sie steht ein für die Rechte der Frauen, ein eigenständiges Leben zu führen, das ihnen von bestimmten Gruppen des Islam verwehrt wird.
    Natürlich kann man das gewiss auch als Populismus abstempeln.
    Aber vermutlich bin ich auch, in manchen Augen, elitär. Mag sein. Doch ich gehe davon aus, das es die Menschen sind, die sich nicht ideologisch binden lassen, sondern bewusst bereit sind, über jeglichen Ideologien zu stehen, die ideologiegebundene Menschen als elitär betrachten. Selbst wenn sie vermutlich weiter blicken als jene, die sich von ihren "Führern" anleiten zu lassen.

  • #32

    Juliane Keitel (Sonntag, 01 August 2021 14:13)

    Ihre Beschäftigung mit dem Islam in allen Ehren, Herr Flessing, aber da kommt dann nichts Besseres dabei heraus, als tatsächlich zu sagen, "Ich sehe DEN Islam kritisch." (#31, Hervorhebung von mir)?? Das ist zugleich armselig und populistisch. Und Sie gehen auch tatsächlich davon aus, dass "der" Islam nicht kompatibel sei mit dem Christentum?? Darf er nicht etwas anderes sein, oder schwingt da ein unterdrücktes Enttäuscht-Sein darüber mit, dass sich hier lebende Muslime nicht bisher haben taufen und in eine niedliche Welt "des" christlichen Lebens haben eingliedern lassen?? Wenn Sie diese Ansicht weiterdenken, liegen höchst problematische Konsequenzen auf der Hand. Was haben wir ein Glück, bitte entschuldigen Sie die Polemik, dass kaum jemand, der derzeit Entscheidungsgewalt hat in unserer deutschen Welt, sagt "Ich sehe DAS Christentum kritisch." - obwohl es viele Anhaltspunkte dafür gibt, historische und aktuelle Entwicklungen in christlichen Institutionen und Gemeinden als überaus kritisch und menschenverachtend zu bewerten. Ich dachte, wir hätten uns inzwischen mal auf Differenzierung geeinigt.

    Und ausgerechnet Bassam Tibi, der i.d.R. elitär argumentiert und seit Jahren von der AfD und anderen rechten und populistischen Plattformen (bspw. Achse des Guten) vereinnahmt wird, ohne sich dagegen zu wehren oder abzugrenzen, sondern teilweise selber aktiv in rechtspopulistsichen Formaten (bspw. Tichys Einblick) publiziert, kann ich in dieser Debatte nur als Teil des Diskurses begreifen, aber nicht ernstnehmen. Er führt mit seiner Sichtweise nicht zu Lösungen der Probleme. An dieser Stelle kann man das Nachdenken, wie Sie schreiben, auch getrost beenden. Es reicht doch nicht, Professor und selber Migrant zu sein, so dass auf ihn gehört werden müsste. Man muss schon mal genauer schauen, was jemand sagt und tut. Aber da zeigt es sich immer wieder, dass eine autoritäre Erziehung, die auch in manchen christlichen Gemeinden und Familien mit einem autoritären Gottesbild (perfinde benannt als "lieber" Gott) einhergeht, genau sowas verhindert, weil sie Menschen hervorbringt, die sich nach Status und vermeintlichen Meriten richten, anstatt selber zu denken, und die meinen, wenn man sich auf einen Professor beruft, dann sei schon alles richtig. Dass aber auch ein Professor ein Populist sein kann, kommt dann gar nicht mehr in Betracht.

  • #31

    Gert Flessing (Sonntag, 01 August 2021 11:29)

    zu #30
    Oh, mein Vertrauen in Gott ist vermutlich größer, als mein Vertrauen in Menschen. Ein Grund dafür ist, das man Menschen trifft, die nur schwer hören können. Nicht, weil sie ein Ohrenleiden haben, sondern weil sie "festgelegt" sind. Dazu kommt eine gewisse Denkfaulheit.
    Man lässt andere denken und nimmt das dann an oder lässt es sein.
    Ach, ich habe gewiss mit "dem Schatz des Glaubens" gewuchert, es gibt sogar Menschen, die da etwas von mitgenommen haben. (Meinen kleinen Internetandachten folgen noch heute ca 5 oder 6 Menschen) Manches, was wir in der Gemeinde anstoßen konnten, ist auch wieder versandet. Wir hatten sogar mal einen Männerstammtisch.
    Aber so ist das. Tempus fugit.
    Aber dazu kommt, das es für mich selbst nicht leicht ist, geistig - geistlich zu arbeiten. Die Zeit hat Stolperfallen. Beispiel: Ich beschäftige mich seit den siebziger Jahren, als Theologe, mit dem Islam. Grund: Während meiner Studienzeit lernte ich junge Menschen aus Ägypten kennen, die damals in Berlin studierten. Sie waren, nach außen, Sozialisten. Aber nach innen, religiös. Meine Beschäftigung mit dem Islam, Koran, Hadithen... hinterließ manches an Fragen. Die wissenschaftliche Literatur dazu war überschaubar. Ich war schon auf meinen eigenen Kopf, weitgehend, angewiesen. Ich sehe den Islam kritisch. Nicht die Muslime! Ich halte ihn auch nicht für kompatibel mit unserem christlichen Glauben. Seine Basis ist, in weiterem Sinne, synkretistisch. Menschen, wie Basam Tibi, streben eine Modernisierung ihrer Religion an. Sie werden aber nicht nur von vielen islamischen Gruppen abgelehnt und bedroht, sondern sie werden auch hier abgelehnt.
    Das halte ich für fragwürdig.
    Freilich wird man, wenn man hier Kritik übt und sich dem Gedanken, es handle sich um eine "abrahamitische Religion" nicht öffnet, gern als islamophob und vermutlich rassistisch betrachtet. Ich kann mit solchen Zuschreibungen nichts anfangen, denn sie beenden sehr schnell jedes Nachdenken.
    Warum ist eine nüchterne Diskussion so oft kaum noch möglich?
    Das ist nur ein Beispiel, das mich bewegt. Ich wünsche mir viel mehr Gelassenheit, im Umgang miteinander.

  • #30

    Juliane Keitel (Freitag, 30 Juli 2021 23:58)

    Das mit der Ratlosigkeit tut mir leid, Herr Flessing. Aber Sie haben doch schon gesagt: "...auszudifferenzieren ist nicht immer leicht. Muss aber gemacht werden"(#29). Lassen Sie uns dort ansetzten bzw. weitermachen. Oder ist es zu schwer, einer solch undifferenzierten Meinung, dass "andere zu viel Hilfe bekommen, die besser dem eigenen Volk zukommen sollte" (#29), deutlich zu widersprechen? Im aktuellen Sonntag finde ich ein gutes "Wort zur Woche": https://www.sonntag-sachsen.de/2021/31/geistlichen-besitzstand-prufen. Damit ließe sich doch schon etwas anfangen, oder?

  • #29

    Gert Flessing (Mittwoch, 28 Juli 2021 14:50)

    zu #27 Die Studie ist schon interessant. Sie macht deutlich, das die Gesellschaft von bestimmten Vorurteilen und Ressentiments durchzogen ist. Die kann man durchaus als rechts werten.
    Natürlich finden wir das auch in den Gemeinden wieder. Ich selbst finde mich auch in einem ständigen Ringen, um Korrektur, was manche Vorstellungen anbelangt. Manches lässt sich leicht abstreifen und aus dem Denken beseitigen, wie Antisemitismus. Der war, in meiner Kindheit und Jugend, noch weit verbreitet. Ebenso Vorurteile gegen Sinti und ähnliche Volksgruppen. Diese Vorurteile sind immer noch sehr wach in der Bevölkerung. Man spricht zwar von Rumänen, meint aber etwas anderes. Auch ich schaue sehr genau hin, wer draußen steht, wenn es an der Tür klingelt. Aber das hat auch etwas mit Erfahrungen zu tun, die nicht immer positiv waren.
    Doch das soll nicht dazu führen, das man pauschalisiert, und da meine letzte Gemeinde sehr aktiv in der Rumänienhilfe tätig war, habe ich einiges lernen dürfen.
    Auch der Gedanke, das "andere" zu viel Hilfe bekommen, die besser dem "eigenen Volk" zukommen sollte, ist durchgängig da. Begegnet mir in vielen Gesprächen in den Gemeinden.
    Das auszudifferenzieren ist nicht immer leicht.
    Muss aber gemacht werden.
    zu #28
    Ich kenne Polen ein wenig, noch aus Zeiten der DDR. Meine Mutter war mal jenseits der Oder zuhause. Wir haben Polen gemeinsam besucht, weil sie "alles noch mal sehen wollte". Die Menschen waren freundlich. Sie waren sehr katholisch und sie waren sehr von ihrem eigenen Volk überzeugt. Da meine Mutter eine geborene Ottowski war, sagte unser erster Gastgeber, das sie ja eigentlich auch Polin sei, weil das ski ein alter polnischer Adelstitel wäre und ob sie näheres wüsste. Sie könne stolz darauf sein.
    Sie neigte so solchen Ideen nicht.
    Auch später, wenn ich in den Jahren nach der Wende dort Urlaub machte, fiel mit auf, wie groß die Frömmigkeit war und wie groß das polnische Selbstwertgefühl war. Man war stolz, Pole zu sein.
    Dazu kam eine große Aggressivität gegenüber Russland. Gegen Deutschland nicht einmal halb so sehr. Außerdem ist, so merkte ich, ein gewisser Antisemitismus dort vorhanden, der in der Frage gipfelte, warum wir Schulklassen nach Auschwitz schleppen würden und ob wir keinen Stolz hätten. Das war die extremste Aussage dazu.
    Auf diesem Hintergrund wundert mich das, was dort momentan geschieht, nicht sonderlich. Der Nationalismus ist dort in der Mitte der Gesellschaft ja vorhanden.
    In Deutschland ist er doch ziemlich gebrochen.
    Freilich bin ich mit einem gewissen Nationalstolz aufgewachsen. Das erste Gedicht, das ich von meiner Mutter hörte, war "du sollst an Deutschlands Zukunft glauben, an deines Volkes Auferstehn..."
    Freilich bin ich nüchtern genug, um zu sehen, was solch eine Einstellung anrichten kann und sehe mein Vaterland eingebettet in einem geeinten Europa.
    Wenn ich dann die Gewissheit dazu nehme, das alles, was wir hier haben und erreichen, nur zeitlich und nicht ewig ist, relativiert sich alles noch ein wenig mehr.
    Aber die Spaltungen, die bis in die Familien gehen, liebe Frau von Eynern, die sind auch bei uns schon da.
    Nein, (zu#27) ich verschließe meine Augen nicht. Ich müsste sie sonst auch vor mir selbst verschließen. Aber ich sehe auch die Mühe, die es kostet, einen guten Weg zu wählen, ohne irgend wie anders extrem zu werden. Ja, da sind Menschen, die im Ehrenamt sich mühen, das in der Gemeinde was wird und die dann plötzlich über die Corona Maßnahmen schimpfen oder sich über Frauen mit Kopftuch aufregen.
    Da ist der Friedhofsmeister, der sich über geklautes Kupfer an einer Gruft aufregt und meint, während er ein bestimmtes Fingerzeichen macht, es wären die Rumänen gewesen.
    Alles erlebt. Von Kirchvorstehern, die, bei einer kleinen Feier, wenn es Alkohol gab, Schwulenwitze machen oder "bloß" Blondinenwitze nicht zu reden.
    Die Arbeit ist groß.
    All das, was ich jetzt, in meinem Nachdenken, dem Gehege meiner Erinnerungen und der Tastatur entfleuchen ließ, hat keinerlei biblizistische Grundlage und auch nicht wirklich etwas mit einem dualistischen Weltbild zu tun(jedenfalls nicht bewusst), sondern ist schlicht schlichtes Denken "normaler" Menschen und Mitchristen. Und - bei mehrtägigen Konventen, zu vorgerückter Stunde kann man auch manches hören...
    Tja, soweit. Ehrlich, ich bin durchaus ratlos.

  • #28

    Diana von Eynern (Dienstag, 27 Juli 2021 23:09)

    Liebe Frau Keitel,
    ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre präzise Klarstellung der Gefahren sowie der Gefahren, die latent in der Mitte der Gesellschaft schlummern. Wir sehen im Nachbarland Polen, wohin es führt, wenn eine Partei nationalistische Werte in die Mitte der Gesellschaft transportiert und gleichzeitig mit sozialen Vergütungen lockt. Wie gefährlich das ist, wenn subtil die Judikative schrittweise entmachtet wird und im Land nicht ausreichend Widerstand geleistet wird. Wenn sich die Kirche mit diesen nationalistischen Werten verbündet, dann sieht es dunkel aus im Land, weil bis in die Familien hinein die Spaltung stattfindet. Eine ganz tragische Entwicklung ist das. Umso wichtiger ist es, den zutiefst unchristlichen nationalistischen Geist zu benennen und biblisch ausgedrückt, "ihn zu fliehen" im ganzen Ernst der Bedeutung dieses Wortes.

  • #27

    Juliane Keitel (Dienstag, 27 Juli 2021 19:42)

    Dass niemand auf die Idee kommt, Höcke oder ähnliche Protagonisten einzuladen zu einem Gemeindeabend ist hoffentlich völlig außerhalb der Diskussion. Aber was soll das Ausweichen auf offensichtliche Faschisten und Rechtsextreme, Her Flessing? Mein Punkt sind die 'normalen' Gemeindemitglieder, die auf der einen Seite sich hingebungsvoll für Bedürftige in der Gemeinde engagieren, die Kindergottesdienste halten und Lektor:innendienste übernehmen, die auf der anderen Seite aber möglicherweise keine Grenze ziehen (können), weil sie unerfahren sind im Umgang mit den Strategien von Rechtspopulisten, oder die keine Grenze ziehen WOLLEN, weil sie genauso denken; das gilt sicher gleichermaßen auch für einige Haupt- und Nebenamtliche. Verschließen Sie bitte davor nicht Ihre Augen, Herr Flessing. Sie selber bringen ständig Beispiele dafür (siehe #20). Und ich bin mir sicher, dass sich auch mit Ihren letzten Beispielen aus #26 populistische Positionen - und ich sage jetzt bewusst nicht: 'Meinungen', denn das sind sie ja immer auch - verbreiten lassen, wenn die Moderation nicht aufpasst und den Moment, in dem bspw. AfD-Positionen stark werden, erkennt und aus Evangelium und Grundgesetz gegensteuern kann. Die Themen dieser Gemeindeabende haben das Potential für jede Menge rechtspopulistische 'Meinungsäußerungen': Wie stand Ihr Korvettenkapitän zur Seenotrettung? Welches Missionsverständnis transportierten die Missionare aus Paraguay? Welche Sicht wurde auf den Islam eingenommen, unabhängig von der sicher traumatischen biografischen Erfahrung des jemeinitischen Pastors? Wurde ausreichend differenziert?
    Die Grenzüberschreitungen ins rechte Milieu sind doch mitten unter uns, Herr Flessing, das können Sie doch nicht übersehen haben und meinen, Sie wären da nicht involviert. Im Gegensatz zum Spurgruppenbericht geht die o.g. Eingabe realistisch davon aus. So zu tun, als hätten wir alle die gleichen Werte (#26), ist reichlich naiv, denn das ist ja nun offensichtlich nicht so, jedenfalls nicht unter den evangelischen Christ:innen in Sachsen, sonst hätten wir ja wohl diese Diskussionen nicht. Rechtspopulistische und -extreme Positionen befinden sich leider nicht mehr nur am Rande der Gesellschaft, sondern sind in der Mitte latent präsent, und sie fallen auch im christlichen Milieu auf fruchtbaren Boden, und wahrscheinlich insbesondere dort, wo u.a. biblizistische Traditionen und ein dualistisches Weltbild vorherrschen und wo gleichzeitig theologisch-politisch wenig reflektiert gearbeitet und gepredigt wird. Auch das hat die o.g. Eingabe auf den Punkt gebracht.
    Ich empfehle mal die Beschäftigung mit den Mitte-Studien, die den gesellschaftlichen Trend sehr gut beschreiben: https://www.fes.de/forum-berlin/gegen-rechtsextremismus/mitte-studie-2021.

  • #26

    Gert Flessing (Montag, 26 Juli 2021 13:52)

    zu #25 So merkwürdig finde ich das nicht. Sie möchten, dass "die Kirche" als "Organisation" sehr deutlich macht/sagt, dass sie keinesfalls Gespräche in erweitertem Rahmen, wie bei Gemeindeabenden o.ä. ermöglicht, auf denen Menschen in der Lage wären, rechtspopulistisches Gedankengut öffentlich zu vertreten.
    Die Auseinandersetzung mit solchen Menschen, die es auch in den Gemeinden geben kann (und wird), soll im geschützten Raum der persönlichen Seelsorge stattfinden.
    Letzteres ist natürlich wichtig, vor allem bei Menschen, die von Fragen und Ängsten umgetrieben werden und ich denke, wir können den Raum der Seelsorge da ruhig weiter spannen.
    Aber wie gehen wir dann mit den brisanten Themen unserer Zeit um?
    Wen "dürfen" wir dann als Gesprächspartner einladen?
    Ich bin überzeugt, das niemand auf die Idee kommt, Björn Höcke zu einem Gemeindeabend einzuladen oder, früher, Holger Apfel.
    Eigentlich ist es für mich nicht so relevant, da es ja keine Gemeinde mehr gibt, für die ich verantwortlich bin. Aber ich weiß, dass die Gemeindeglieder auch gern jemanden "von draußen" hören. Gemeinsam mit der Landeskirchlichen Gemeinschaft, hatten wir einst die Reihe "Lichtblicke" ins Leben gerufen. Da waren u.a. Missionare aus Paraguay oder ein jemenitischer Pastor, dessen Vater Imam war und ihn verstoßen hat. Als es um Volkstrauertag ging, hatte ich einen Korvettenkapitän da, als es um die Entwicklung der Stadt ging, etliche Male unseren Bürgermeister, der CDU Mann ist. Es war eine bunte Reihe, die dadurch entstand.
    Nie hatte ich das Gefühl, das da eine Grenze überschritten worden ist.
    Die Menschen, die bei uns waren, hatten die gleichen grundlegenden Werte und Prinzipien, die wir, als Christen, haben. Selbst der Kapitän, obwohl er sagte, dass er nicht gläubig sei.
    Wenn ich an die Probleme dieses Jahres denke, so ist mir schon klar, dass wir eine Bundestagswahl haben. Ich erwarte auch, dass die Führung unserer Kirche deutlich sagt, das Christen sich sehr überlegen sollten, welcher Partei sie ihre Stimme geben und das eine Partei, die menschenverachtend ist, nicht wählbar sein sollte. Das wäre dann die Grenze, was darüber geht, könnte als Wahlbeeinflussung gerichtsnotorisch werden. In den Flutgebieten sind Leute aufgekreuzt, die zum Lager der Querdenker gezählt werden, wenn mich nicht alles täuscht. Ich weiß nicht wirklich, ob ich die nun als rechtspopulistisch einstufen soll, oder auf welchem Planeten die leben. Das sie in ihrer Staatsverdrossenheit den Rechten in die Hände spielen, ist wohl sicher.

  • #25

    Juliane Keitel (Samstag, 24 Juli 2021)

    Sie machen immerzu merkwürdige Alternativen auf, Herr Flessing. Es geht doch nicht darum, entweder klare Position zu beziehen und damit Gemeindemitgliedern, die auf dem rechten Auge blind sind, das Gespräch zu verweigern, ODER mit ihnen zu reden und dafür das klare, öffentliche Wort der Kirchenleitung zu vermeiden, sich undeutlich auszudrücken und die Probleme nicht zu benennen. Zwar kann ein klares Wort der Landeskirche gegen Rechts die Gefahren dauerhaft nicht bannen oder Menschen, die ihr Christlich-Sein offenbar mit brauner Ideologie mühelos verbinden können, überzeugen und zu einer 180°-Wende bewegen, aber es ist damit doch nicht gleichzeitig gemeint, sochen Leuten prinzipiell nicht zuzuhören. Selbstverständlich hat die Kirche die Pflicht und unter vielen ihrer Hauptamtlichen sicher ja auch sehr gute Fähigkeiten zur Seelsorge und damit Möglichkeiten, besondere Formen des (intimen) Gesprächs zu praktizieren. Was aber nicht geht, ist, Rechtspopulisten eine öffentliche Plattform zu geben, deren 'Meinungen' wertzuschätzen und damit den Diskurs immer weiter zu verschieben, d.h. diese Ansichten salonfähig zu machen. Das ist doch der entscheidende Unterschied. Unabhängig von der ein oder anderen seelsorgerlichen Dimension geht es um unmissverständliche öffentliche Zeichen einer öffentlichen und relativ mächtigen Institution, die sich an grundlegenden Prinzipien und Werten orientiert und die damit Orientierung für viele andere zu geben vermag.
    Schön für Sie, dass Sie ein "Nein!" zur AfD irgendwie "hören" (#24), ich hätte das gern etwas deutlicher. Ich bezweifle, dass es in der Kirchenleitung einen Konsens in der Abgrenzung gegen Rechts gibt - nach dem peinlichen Bericht der Spuruppe umso mehr; der hat meine diesbezüglichen Zweifel leider eher befestigt. Je länger ich darüber nachdenke, desto verantwortungsloser finde ich das. Schließlich befinden wir uns in einem Wahljahr und in Zeiten, in denen Pandemie und Flutkatastrophe Unterscheidungen, Einordnungen und gleichermaßen geistliches wie politisches Engagement herausfordern. Es ist Ihnen sicher nicht entgangen, dass auch die tragischen Ereignisse der letzten Tage inzwischen von rechten Akteuren vereinnahmt werden.

  • #24

    Gert Flessing (Samstag, 24 Juli 2021 11:42)

    zu #23
    Wohl war. Christen sind nicht per se bessere Menschen, als der Rest. Auch, wenn manche sich so sehen. Damit sind auch jene, die in Leitungsgremien gewählt werden nicht per se Heilige.
    Aber rechte Strukturen? Ich kann die Spurgruppe verstehen. Eine Abgrenzung soll erfolgen. Aber wie und wo?
    Ein "Nein" zur AfD höre ich durchaus, auch von unserer Kirchenleitung. Doch ich frage mich, ob es - Ihrer Meinung nach, liebe Frau Keitel - damit getan ist.
    Ich weiß, das es, bis auf diesen Tag, in unserer Landeskirche Menschen gibt, die mit gleichgeschlechtlichen Paaren und der ganzen queren Szene, ein Problem haben. Die es für widergöttlich halten. Der morgige Predigttext dürfte sie bestärken.
    Es gibt Menschen in unserer Landeskirche, die sind sehr heimatverbunden und leben in Sorge, dass ihre geliebten Traditionen verloren gehen.
    Es gibt Menschen in unserer Landeskirche, die sind Unternehmerinnen und Unternehmer und stützen das kapitalistische System. ...
    Natürlich gibt es unter Christen auch Rassisten, bewusste und unbewusste.
    Es gibt ebenso Menschen, die sich für Minderheiten einsetzen, die, in Gemeinden, Arbeit mit Migrantinnen und Migranten machen, die sich für soziale Projekte einsetzen, die Menschen einfach als Menschen sehen und dennoch an Traditionen, ihrer Heimat, hängen.
    All das spiegelt die Gesellschaft wieder, in der wir leben.
    In meinem Dienst war ich (und in dem Rahmen, den ich nun habe, bin ich es noch) für alle Menschen da, nicht nur für die, die in irgend einer Schublade (oder sagt man heute nicht "Filterblase) stecken.
    Sie, liebe Frau Keitel, können ihre Grenzziehung gern generell machen. Ich mache sie von Fall zu Fall. Zuvor höre ich Menschen an.

  • #23

    Juliane Keitel (Donnerstag, 22 Juli 2021 23:11)

    Es geht ja nicht darum, irgendwo "das Böse" (#22) zu vermuten, sondern konkret die Frage nach rechten Strukturen innerhalb der Landeskirche, und das bedeutet natürlich auch in den Leitungsgremien, zu stellen. Auch im "Schoß der Kirche" gibt es nicht per se die besseren Menschen, und die Abgrenzung der sächsischen Landeskirche gegen Rechts ist auch mit dem neuen Bischof nicht vom Tisch, sondern nach wie vor undeutlich. Lesen Sie mal den Bericht der Spurgruppe.

  • #22

    Gert Flessing (Donnerstag, 22 Juli 2021 21:43)

    zu #21
    Nun, ich habe mir schon die Frage gestellt, ob Sie, liebe Frau Keitel, ein wenig der Mentalität verfallen, "das Böse" mitten unter uns, im Schoß der Kirche, ja im Kreis derer, die "die Herde bewahren sollen", erahnen. Es tröstet mich, dass Sie an keiner Mythenbildung arbeiten. Ich tue das auch nicht, sondern habe nur ein Stimmungsbild, wie es sich mir darstellt, wiedergegeben. Natürlich nahm und nehme ich mich derartiger Vorstellungen an. Man kann sie nicht einfach so stehen lassen. Genau das gehört natürlich zur Aufgabe von Kirche.
    Allerdings bin auch ich manchmal, nicht in Gesprächen mit Menschen an sich, sondern mit Menschen der Politik, ein wenig verzagt gewesen, wenn ich als Begründung, warum jemand etwas nicht gesagt hat, mit dem Hinweis auf Parteidisziplin oder ähnlichem abgespeist wurde. Wobei mir das nicht unbekannt ist habe ich doch, als Fraktionsvorsitzender im Kreistag selbst manchmal darum gerungen, wenn es um Abstimmungen ging.
    Es stimmt schon. In der Demokratie leben auch nur die Menschen, die halt da sind. Die Strukturen sind gut und ich bin auch nicht der Ansicht, dass sie durch mehr "direkte Demokratie", wie Volksabstimmungen, besser würde. An der Stelle bin ich, wie ich fürchte, doch etwas elitär, denn ich glaube nicht an eine "Schwarmintelligenz", jedenfalls nicht beim Menschen.
    Ja, wir brauchen Journalisten, die wirklich berichten, was so läuft und auch die Schmuddelecken, die es gibt, aufdecken. Nicht immer gefällt das Ergebnis, aber das muss, fürchte ich, so sein.
    Eine größere Gruppe Jugendliche? Ach, du Himmel. Das ist gewiss schon länger her. Vor gut zehn Jahren habe ich aufgehört, Religionsunterricht zu geben, von da an waren es nur noch Konfirmanden, mit denen ich zu tun hatte. Natürlich war der Kontakt zu Jugendlichen enger, als ich noch in Lunzenau war. Die Bank in der Nähe des Pfarrhauses, war ein beliebter Treffpunkt. Obwohl ich wohl eher etwas steif und zurückhaltend bin, haben sich manche Gespräche ergeben. Ehrlich gesagt habe ich für Jugendarbeit nie sonderlich getaugt. Zu intellektuell und langweilig.
    Aber Sie haben Recht. Das ist die Generation, die Kirche weiter führen soll.

  • #21

    Juliane Keitel (Mittwoch, 21 Juli 2021 23:05)

    Ein Blick in ein paar Definitionen zum Thema Verschwörungsmythen führt Ihren Eindruck, Herr Flessing, ad absurdum: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/verschwoerungstheorie-verschwoerungsmythos-verschwoerungserzaehlung-57919/; https://www.bpb.de/izpb/318159/zwischen-theorien-und-mythen-eine-kurze-begriffliche-einordnung. Meine Frage nach möglichen rechten Strukturen in der Landeskirche ist völlig legitim, da es darüber bislang keine öffentliche Aufarbeitung gibt. In einem Interview im Sonntag (Nr. 50, 13.12.2020) sagt Dr. Rentzing, dass alles, was er öffentlich in seiner Zeit als Bischof geäußert (und also auch nicht geäußert) hat, mit der Kirchenleitung abgestimmt war.

    Viel näher an Verschwörungsmythen ist das, was Sie, Herr Flessing, über Leute, die Sie kennen, in #20 schreiben: "Die meisten Menschen, die ich kenne, haben Demokratie, als Herrschaft des Volkes und damit auch Entscheidungsmöglichkeit des Volkes, begriffen und fühlen sich, angesichts der Parteiendemokratie und der Schwierigkeiten, selbst Einfluss zu nehmen, veralbert. Das, was Medien über ihre "Volksvertreter" kolportieren, verstärkt Unverständnis und Ärger. Von den Diäten angefangen, über die Lobbyisten, die Beraterverträge, bis hin zu der geringen Erreichbarkeit von Abgeordneten."
    Das hört sich nach rechtspopulistischem Gerede an: "Die da oben machen ja nur, was sie wollen." Dafür habe ich kein Verständnis, auch nicht für die Kennzeichnung Ihrer Bekannten als Opfer. Ich hoffe, dass Sie entsprechend widersprechen oder sich - als Pfarrer - seelsorgerlich der Thematik annehmen, ohne demokratiefeindliches und populistisches Reden und Handeln zu bestärken. Weiterhin kann ich nur hoffen, dass diese 'Mehrheit', die Sie meinen, zwischen ihren Gefühlen und Realitäten zu unterscheiden weiß, wenn es an die Wahlurne geht. In einer Demokratie leben nicht per se die besseren Menschen, Herr Flessing, aber es gibt die besseren Strukturen, in denen man über Missstände reden kann, in denen es Widerspruchsrecht, Demonstrationsrecht usw. gibt und in denen Journalist:innen Fälle von Missbrauch und Fehlverhalten in Politik und Gesellschaft aufdecken und an die Öffentlichkeit bringen. Aber da braucht es von allen schon ein wenig Engagement als nur zu meckern. Das bedeutet Zivilgesellschaft.

    Und noch eine Bemerkung zu Ihrer Aussage in #19 ("Denn die Ursache dafür, dass Kirche bei manchen Menschen unglaubwürdig ist, hat relativ wenig mit politischen und mehr mit "religiösen" Fragen zu tun.") - Ich weiß nicht, wann Sie zum letzten Mal mit größeren Gruppen von Jugendlichen zu tun hatten, also mit der Generation, die in nicht allzu langer Zeit entscheiden muss und wird, wie es mit der Kirche weitergeht. Meiner Erfahrung nach ist es genau der Zusammenhang, der Jugendliche interessiert: Wie bringt sich die Kirche mit ihren grundlegenden religiösen Überzeugungen und Erkenntnissen in das politische Geschehen und in aktuelle Problemlagen ein? Und das interessiert auch nicht nur Jugendliche, aber sie sind eine Bevölkerungsgruppe, auf die langsam mal ein wenig ernsthafter gehört werden muss.

  • #20

    Gert Flessing (Mittwoch, 21 Juli 2021 11:16)

    zu #18
    Lassen Sie mich zitieren: "Oder haben wir in der sächsischen Kirchenleitung, unter den Synodalen, den Pfarrer:innen und in Gemeinden bereits so (zu) viele AfD-Sympathiesant:innen und Querdenker:innen, dass diese klaren Worte deshalb nicht ausgesprochen werden, weil kirchlich-rechtspopulistische Entscheidungsträger dies verhindern?"
    Dieser Satz legt die Vermutung nahe, dass die sächsische Kirche und ihre Leitung, rechtsextrem unterwandert ist.
    Ich bin lange genug in Sachsen, dass ich auch einige Menschen der Leitungsebene kennen gelernt habe. Dabei war niemand, der extrem nationalistisch oder rechts gewesen wäre. Gewiss, Dr. Rentzing kannte ich nicht, dem das ja zum Vorwurf gemacht wurde. Aber ansonsten... Ich kenne Pfarrerinnen und Pfarrer, die, in meinen Augen, ein wenig sehr "fromm" waren/sind. Aber das ist ja etwas anderes, als das, was Sie, liebe Frau Keitel, befürchten.
    Ich bin nicht fromm. Ich bin aber auch kein Anhänger irgend eines extremen Gedankengutes. Oh, vielleicht ein wenig patriotisch, wenn es um meine Heimat geht. Aber das ist gewiss nicht Tümelei. Denn ich weiß ja, das wir hier keine bleibende Stätte haben und das zunehmende Alter macht einem das manchmal schon recht deutlich.
    Ich halte unsere Demokratie für durchaus gefestigt. Sie mag nicht vollkommen sein. Aber sie ist das Beste, was uns widerfahren ist. Jedenfalls aus meiner Sicht, als "Opfer der DDR- Diktatur" (War Ironie). Die meisten Menschen, die ich kenne, haben Demokratie, als Herrschaft des Volkes und damit auch Entscheidungsmöglichkeit des Volkes, begriffen und fühlen sich, angesichts der Parteiendemokratie und der Schwierigkeiten, selbst Einfluss zu nehmen, veralbert. Das, was Medien über ihre "Volksvertreter" kolportieren, verstärkt Unverständnis und Ärger. Von den Diäten angefangen, über die Lobbyisten, die Beraterverträge, bis hin zu der geringen Erreichbarkeit von Abgeordneten.
    All das macht Menschen empfänglich für Leute, die ihnen das Gefühl geben, sie zu hören.
    Wenn wir die Demokratie stärken wollen, müssen wir wirklich zu den Menschen gehen, müssen wir geduldig mit ihnen sein und müssen wir ihnen helfen, sich neu zu ordnen. Noch haben wir, als Kirche, die Möglichkeit dazu. Noch werden wir gehört. Mir wäre es ganz lieb, wenn es nicht mit "Völker hört die Signale ..." verbunden wäre, denn da hört die Mehrheit weg. Der Weg der Demokratie ist Überzeugen, nicht verordnen, nicht verbieten und auch nicht beschämen.
    Auch nicht, weil es nicht so läuft, wie man es selbst gern hätte, Menschen zu verdächtigen. Ich halte so etwas für etwas unprofessionell.

  • #19

    Juliane Keitel (Dienstag, 20 Juli 2021 13:25)

    Was genau hat Sie erschüttert, Herr Flessing? Und wo sehen Sie den Anschluss an Verschwörungsmythen?

  • #18

    Gert Flessing (Montag, 19 Juli 2021 21:37)

    #17 Oh, ich verstehe Sie sehr gut. Ich kann das, was Sie schreiben nachvollziehen. Aber wenn ich es auch nachvollziehen kann, finde ich es dennoch fragwürdig.
    Es klingt, als ob Sie sich fürchten und das wäre eine fatale Reaktion.
    Herr Tillschneider äußert sich in einer öffentlichen Debatte im Landtag. Da er dort hinein gewählt ist, und da eine öffentliche Debatte ja auch ein Gespräch ist, hat er, als Abgeordneter, das Recht, sich zu äußern. Das muss man nicht mögen, aber so funktioniert Demokratie. Ich erinnere mich an die DDR, wo Diskussionsbeiträge, wie man es nannte, abgesprochen waren.
    Weil es heute anders läuft, meinte ich, dass ihm hoffentlich entsprechend intelligent entgegnet wurde.
    Natürlich könnte jemand aufstehen und sagen: "Wir wollen ihren Scheiß nicht hören." Aber ich fürchte, das wäre keine kluge Entgegnung.
    Natürlich wollen er und andere, ihre Position verdeutlichen und kommunizieren. Das wollen alle anderen, die eine politische Meinung haben, auch.
    Das ist aber gerade das, was eine Demokratie ausmacht. Menschen vertreten eine Meinung. Die kann Unfug, bösartig oder merkwürdig sein. Es ist ihr Recht. Wenn sie ausfällig werden und andere persönlich angreifen und sich vielleicht in Verbalinjurien hinein steigern, werden sie, normalhin, zur Ordnung gerufen oder es erfolgen Sanktionen. Jedenfalls kenne ich das so.
    Jeder Christ, der in einem Landtag sitzt oder im Bundestag, kann doch entsprechend antworten.
    Dazu kommt, dass wir, als Kirche durchaus das Recht haben, derartigen Thesen öffentlich zu widersprechen. Wir haben doch genügend kluge Köpfe, die solche Thesen nehmen und ihre Unsinnigkeit verdeutlichen können. Wozu gibt es Kanzelabkündigungen? Sie sollten aber kurz, nüchtern und prägnant sein, wenn jemand zuhören soll. Niemand mag Gewäsch.
    Damit wäre dann ja auch eine, sachlich begründete, Distanzierung von der AfD verbunden.
    Was die Glaubwürdigkeit der Kirche anbelangt, so hilft das nur bedingt. Denn die Ursache dafür, dass Kirche bei manchen Menschen unglaubwürdig ist, hat relativ wenig mit politischen und mehr mit "religiösen" Fragen zu tun. Die Menschen erwarten von ihrer Kirche vor allem Trost in ihren eigenen Befindlichkeiten und Verständnis für ihre eigenen Ängste. Hoffnung erwarten sie, gerade in diesen Zeiten.
    Wenn wir die geben können, hören sie auch das andere, das gesellschaftliche.
    Das ist jedenfalls meine, auf meiner Lebenserfahrung beruhende, Meinung.
    Und - Ihre letzten Worte haben mich erschüttert. Sind Sie wirklich bereit, in die Riege der "Verschwörungstheoretiker" einzutreten?
    Ich für mein Teil fürchte nicht um die Demokratie und ich fürchte keine Tillschneider. Ich vertraue auf Gott. Denen, die ihn wirklich im Herzen tragen, gibt er die nötige Kraft, vollmächtig zu reden und zu handeln.

  • #17

    Juliane Keitel (Sonntag, 18 Juli 2021 12:42)

    zu #16: Wir missverstehen uns, Herr Flessing. Bei Tillschneider geht es doch nicht um ein Gespräch. Er äußert sich mit seinen Thesen in einem öffentlichen Raum, in einem deutschen Landtag! Damit hat er die Macht, den Diskurs zu verschieben. Wenn wir auf sowas in weiteren, sich anschließenden Gesprächen, Diskussionen eingehen, z.B. auch in kirchlichen (öffentlichen) Räumen, dann kennzeichnen wir diese Positionen als etwas Diskussionswürdiges, als eine von mehreren legitimen Meinungen im Meinungsspektrum. Damit würden wir dieser unheilvollen, demokratiefeindlichen Diskursverschiebung kräftig mit zur Geltung verhelfen. Deshalb kann es hier nichts weiter als ein klares NEIN geben. Das ist eine Kommunikation und kein "la-la". Leute wie Tillschneider wollen nämlch ganz sicher nicht mit Ihnen diskutieren, sondern 'Gespräch' heißt bei rechten Akteuren, die eigenen Positionen zu verbreiten und zu verankern, weiter nichts. Dazu darf man ihnen keine weiteren Räume anbieten. Es ist schlimm genug, dass sie den Bundestag und die Landtage bereits dafür zur Verfügung haben.
    Da Positionen von Tillschneider und den "Christen in der AfD" aber auch in sächsischen Gemeinden geteilt werden, wäre es dringend notwendig, sich als Landeskirche öffentlich und ganz konkret von diesen und ähnlichen 'theologischen', rechtsextremen Ansichten und damit von der AfD zu distanzieren. Das wäre ein gewichtiges symbolisches Zeichen, mit dem die Kirche eine öffentliche Glaubwürdigkeit beanspruchen könnte, unter anderem auch bei Jugendlichen. Alles andere ist unkonkretes, verantwortungsloses Herumlavieren.
    Ich suche immer noch nach Antworten auf die Frage, warum das nicht passiert. Reicht das denn nicht, was wir sehen und hören? Oder haben wir in der sächsischen Kirchenleitung, unter den Synodalen, den Pfarrer:innen und in Gemeinden bereits so (zu) viele AfD-Sympathiesant:innen und Querdenker:innen, dass diese klaren Worte deshalb nicht ausgesprochen werden, weil kirchlich-rechtspopulistische Entscheidungsträger dies verhindern?

  • #16

    Gert Flessing (Samstag, 17 Juli 2021 21:48)

    zu #15
    Gespräch zielt immer auf Veränderung. Gespräch zielt immer auf, zumindest, die Möglichkeit, den anderen Menschen zu erreichen.
    Ich habe mir Tillschneiders Rede angehört. Es ist eine Mogelpackung. Mehr nicht. Natürlich kann der Mann reden. Er kann Kant, Bultmann und andere zitieren und in seine Rede einbauen.
    Aber er verdreht das natürlich, um seine These zu belegen.
    Jeder einigermaßen geschulte und nüchtern denkende Theologe kann da eigentlich nur lächeln.
    Denn Nächstenliebe ist natürlich egalitär. Sie unterscheidet nicht zwischen diesen und jenen und vor allem geht es, gerade beim Kirchenasyl nicht um die Not in Syrien oder Afghanistan, sondern hier, in unserer Nachbarschaft, wo Menschen, die vielleicht schon integriert sind, auf Grund bürokratischer Regeln, abgeschoben werden sollen.
    Sie sind sehr wohl Nächste für uns, denn ihr Elend ist das von Menschen, die da sind. Sie in ihrem Elend allein zu lassen, wäre Verrat des Glaubens.
    Tillschneider spielt diese Menschen gegen Obdachlose, Rentner und Menschen mit Mindestlohn aus. Auch das ist eine Mogelpackung. Denn diese Menschen sind durchaus nicht allein. Sie brauchen auch kein Asyl in der Kirche. Die Diakonie kümmert sich um solche Menschen. Wenn die Politik an dieser Stelle etwas solidarischer wäre, müsste es das Elend uns die Armut vor der Haustür nicht in dem Maße geben. Aber das ist ein anderes Kapitel.
    Ich habe nie gezögert, Menschen, wie diesem Herrn Tillschneider in die Parade zu fahren.
    Man muss solche Blender nicht fürchten.
    Aber sie sind nun einmal da. Sie sind da und sie agieren. Sie sind da und Menschen hören ihnen zu.
    Nun kann ich mir die Finger in die Ohren stecken und "la,la, la" singen. Das ist, m.E. das platte Nein, das wir ihnen natürlich entgegen schleudern können.
    Ich hoffe aber, das irgend jemand auf die Rede dieses Mannes eine kluge Entgegnung hatte. Eine kluge (!) keine, die nur polemisch war.
    Liebe Frau Keitel, wir werden diese Tillmanns, Meuthens, Storchs nicht los.
    Aber wir können sehr wohl die Menschen erreichen, die an deren Auslassungen zweifeln, die bereit sind, selbst zu denken.
    Natürlich müssen wir die Demokraten im Lande stärken.
    Das wird auch an vielen Orten, von den Pfarrerinnen und Pfarrern getan, die, in ihren Orten den Kontakt zu den demokratischen Kräften in der Politik pflegen.
    Wie? Das wird jede und jeder, vor Ort, entscheiden müssen.
    Für mich galt und gilt, das "der Feind meines Feindes" deswegen noch lange nicht mein Freund ist.
    Von daher hat sich immer von Fall zu Fall entschieden, wen ich unterstützt habe.

  • #15

    Juliane Keitel (Samstag, 17 Juli 2021 13:21)

    zu #12: Es ist doch die Frage, wem es nützt, wenn wir im Raum der Kirche die AfD und andere demokratiefeindliche Akteure und Bestrebungen zu Wort kommen lassen. Ich halte das für gefährlich, wie ich unten (#11) ausgeführt habe. "Alles hat seine Zeit", und meiner Meinung nach ist es lange überfällig, dass die sächsische Kirchenleitung sich dazu mit einem kategorischen NEIN positioniert. Dafür aber scheint das Problembewusstsein zu fehlen oder es passiert aus anderen taktisch-strategischen Überlegungen heraus nicht. Mit allgemeinen und unkonkreten Bekundungen wie "Wir sind gegen jede Abwertung von Menschen" oder "Wir sind gegen alles Extremistische" macht man sich angesichts der Situation doch vollkomen unglaubwürdig. Das ist es, was definitiv nicht reicht, denn in solche Floskeln reihen sich AfD-Mitglieder und -Sympathiesant:innen mühelos ein, nehmen sie auch für sich in Anspruch, mit teils abstrusen Begründungen. Hier mal ein Beispiel, womit man im Falle eines 'Dialogs' im kirchlichen Raum konfrontiert werden kann: https://hans-thomas-tillschneider.de/kirchenasyl-ist-k-e-i-n-gebot-der-naechstenliebe/. Sind unsere Pfarrer:innen und andere Haupt- und Nebenamtliche darauf vorbereitet? Können (und wollen...) sie fundiert Paroli bieten, wenn Bultmann, Kant, Bonhoeffer, Reformation, Ablasshandel in völliger historischer und theologischer Verdrehung verwendet werden? Oder endet alles wieder in einem Nebeneinander-Stehenlassen von 'Meinungen' und damit in einer weiteren Verharmlosung rechtspopulistischer Positionen? Weil die Kirche da eine gewaltige Verantwortung hat, muss sie meiner Meinung nach an einer viel früheren Stelle dieses NEIN aussprechen und den braunen Geist vorab - mit Verweis auf Evangelium und Grundgesetz - abweisen. Es gehört zu dessen Wesen, nicht gesprächsfähig zu sein, und er darf für seine Positionen keine zivilgesellschaftlichen Plattformen bekommen, schon gar nicht in einer Kirche. Das kommt einer Verhöhnung der Opfer solchen Redens und Denkens gleich.
    Dass ein klares NEIN aus der Landeskirche vermutlich nicht reicht, um die Gesinnung von Menschen, die die AfD gerne in Regierungsverantwortung sehen würden, zu ändern, ist ja völlig klar. Aber um die geht es mir auch nicht, sondern es geht um die unbedingte und deutliche Bestärkung derjenigen, die sich den rechtspopulistischen und -extremen Bestrebungen entgegenstellen, und um diejenigen, die nach Einordnungen suchen.

  • #14

    Gert Flessing (Freitag, 16 Juli 2021 20:40)

    zu #13
    Den Bericht von Herrn Bauer habe ich gelesen. Es war, so denke ich, ein wichtiger Beitrag zu dieser Synode, da die Landeskirche gehörigen Einfluss an dieser Stelle hat und auch unterstützend wirken kann. Das ist mir um so näher, als meine Partnerin in einer Förderschule der Diakonie gearbeitet hat und ich daher ein wenig Einblick auf die Möglichkeiten, aber auch die Sorgen, die sich damit verbinden, habe.
    Menschen und es sind nicht wenige, sind auf das Wirken der Diakonie angewiesen. Ob es um Schuldnerberatung oder Altenpflege geht, um Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder deren Befähigung, ein selbst bestimmtes Leben zu führen, es müssen Menschen da sein, die diese Arbeit machen.
    Es ist auch richtig, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht unerheblich von dem abhängen, was auf der politischen Ebene beschlossen wird.
    Auch da kann und soll die Kirche klare Worte finden. Mir ist nur zu deutlich, dass diese Arbeit de Nächstenliebe, Geld kostet und ich bin der Meinung, das jene, die diese Arbeit machen, davon auch leben sollten. Ich kenne auch die Arbeitsbedingungen in diakonischen Einrichtungen. Nicht immer ist das, was man dort erlebt, zufriedenstellend.
    Ja, die Menschen, die auf die Hilfe der Diakonie angewiesen sind, sind Benachteiligte. Wie groß mag ihre "Lobby" sein?

  • #13

    Diana von Eynern (Freitag, 16 Juli 2021 09:53)

    Ich empfehle den engagierten und sehr aufschlußreichen Bericht von Oberkirchenrat und Diakonie-Direktor Dietrich Bauer vor der letzten Synode, der deutlich gemacht hat, daß die institutionelle Diakonie auf eine klare Positionierung der kirchlichen Entscheidungsebene für Randgruppen und Benachteiligte angewiesen ist, um ihre Arbeit tun zu können. Andererseits ging sein Appell an die Politiker .
    https://engagiert.evlks.de/fileadmin/userfiles/EVLKS_engagiert/B._Landeskirche/Landessynode/Muendlicher_Bericht_Diakonisches_Werk_Synode_2021_Juli_Endfassung.pdf

  • #12

    Gert Flessing (Mittwoch, 14 Juli 2021 22:26)

    Nun ja, die Querelen und Auseinandersetzungen, die es in den Achtzigern, im Raum der Kirche gab, sind mir nicht unbekannt. Auch mir waren nicht alle Gruppen, die sich da oppositionell gaben, genehm. Aber das war eher ein ästhetisches Problem, denn ich habe nie etwas darauf gegeben, ob jemand nun aus der Taufe gekrochen ist, oder nicht. Habe erlebt, das manche getauften Leute auch nicht besser sind, als ungetaufte.
    Geredet habe ich mit jedem Menschen, der das wollte.
    Aber es war auch nie wirklich spannend, dort, wo ich war. Es war ländlich und eher gemächlich.
    Aber ich erlebte eben auch das, was die Menschen letztlich auf die Straße trieb, was ihnen den Mut gab, wirklich eine Masse zu werden, die sich nicht mit ein paar "Zuführungen" und Druck zurücktreiben ließ.
    Das war eindeutig nur bedingt der Wunsch nach Demokratie. Es war der Wunsch, dass die Mangel Wirtschaft endlich aufhören sollte, das man reisen darf, ohne schikaniert zu werden, das man frei reden darf und nicht den Atem der Stasi im Nacken spüren möchte. Ich fürchte, das war auch der Grund, aus dem Kohl quasi als eine Art Heilsbringer betrachtet wurde und man sich, in einer gewissen Mehrheit, durchaus gern "anschließen" ließ.
    Wo sind denn die meisten der damaligen Protagonisten der "runden Tische" geblieben, wenn sie sich nicht anpassen konnten oder wollten?
    Ich war skeptisch und ich bin es heute nicht minder.
    Daher finde ich meine Frage, wie wir Partei ergreifen sollten oder können, nicht so unverständlich.
    Ich hatte heute einen kurzen Disput mit einem unserer Politiker, der auch Probleme damit hat, das, was geschieht, diese ganze "Überhitzung" der gesellschaftlichen Diskussionen und die vielfältigen persönlichen angriffe, einzuordnen und zu verstehen. Er hat, wie Sie, liebe Frau Keitel, das Gefühl, das Gespräche nichts mehr bringen. Ich musste ihn fragen, wie intensiv und auf welchen ebenen er es denn versucht hat. Öffentliche Erklärungen sind kein Gespräch.
    Natürlich muss man, auch öffentlich und deutlich, jedem, der rechtsextreme Parolen benutzt, entgegen treten. Menschen, egal, wer sie sind, müssen, in ihrer Würde, geachtet werden.
    Ich verharmlose die AfD nicht. Sie ist schlicht nicht wählbar für jemanden, der die Demokratie, die Menschenwürde und Europa schätzt. Ich bin glühender Europäer.
    Die Querdenker mit ihren absurden Verschwörungstheorien halte ich für völlig fehlgeleitete Menschen. Es wundert mich, das man unter ihnen doch recht intelligente Leute findet.
    Gut, das der Verfassungsschutz da ein Auge drauf hat. Wozu ist er sonst da?
    Dennoch bin ich davon überzeugt, das es zu Gesprächen mit den Menschen, keine wirkliche Alternative gibt. Ein klares und entschiedenes Nein reicht nicht. Sie wissen, wie Kinder auf so etwas reagieren.
    Wenn wir uns dem Gespräch verschließen, haben wir damit noch nichts geändert.
    Ich erinnere mich an den Herbst 1989. Ich erhielt, auf meinem Berg in Hohenkirchen, Besuch von drei Herren. Es war noch vor dem "Republikgeburtstag". Sie waren vom Rat des Bezirks gekommen. Es war kein sehr langes Gespräch. Sie fragten, ob ich was vom "Neuen Forum" gehört hätte. Ich bejahte, es war ja in der Tagesschau berichtet worden. Dann wollten sie meine Meinung wissen, was sie machen sollten. (Ich frage mich heute noch, warum sie ausgerechnet zu mir kamen.) Ich sagte ihnen, dass sie mit den Leuten reden sollten, zuhören sollten, was da für Vorschläge kommen würden. Ich meinte, das sie doch selbst wüssten, wie schlecht die Lage sei. Ich sagte auch, das ich der Meinung wäre, ein Verbot und eine Gesprächsverweigerung würde das Problem nicht lösen, weil sich Meinungen und Einstellungen nicht wegwünschen lassen. Sie meinten darauf, das sie leider ihre Anweisungen hätten und gingen, mit hängenden Köpfen weg.
    Das gilt heute nicht minder. Wir werden all den Hass und den Dreck und die Vorurteile nicht los, wenn wir sagen: "Wir halten euch für völlig falsch und unchristlich und so." Auf diese Weise stärken wir auch nicht die Zivilgesellschaft. wobei ich mich manchmal Frage, ob dieser begriff nicht auch ein Schlagwort ist.
    Ich habe immer da gute Erfahrungen gemacht, wo ich Gesprächsangebote machte.
    Wir dürfen keine Angst haben. Der Raum der Kirche ist unser Raum. Gewiss öffentlich, weil jeder kommen kann. Aber die Regeln, nach denen dort agiert wird, geben wir vor. Das dann mit der nötigen Klarheit zu tun, mag eine Herausforderung sein. Aber wenn PfarrerInnen wirklich Autorität haben, wird diese auch an der Stelle anerkannt werden und sich durchsetzen. Das ist keine Theorie, sondern persönliche Erfahrung.

  • #11

    Juliane Keitel (Mittwoch, 14 Juli 2021 01:09)

    Dass Parteinahme 1989 einfach gewesen sein soll, ist nicht meine Erfahrung. Die Gemengelage war doch komplex! Ich erinnere mich an Kirchvorstände und Hauptamtliche, die Oppositionellen gerade keine Unterstützung gewährten, weil deren Anliegen nicht explizit "Jesus" war, weil es 'Ungläubige' waren, die nicht kirchliche (missionarische) Interessen verfolgten. Teilweise hatten Kirchgemeinden auch Angst, ihre nach dem Schönherr-Kurs gewonnenen Privilegien einbüßen zu müssen, wenn sie oppositionelle Gruppen (auch da ga es ja verschiedene!) unterstützten. Ich erinnere mich an kirchliche Akteure, die kritisierten, dass die Oppositionellen häufig nicht getauft waren und eine Taufe auch nicht in Erwägung zogen. Also bekamen sie auch die kirchlichen Räumlichkeiten nicht für ihre Aktivitäten zur Verfügung. Eine Taufe, ein Label war wichtiger als das, was die Oppositionellen taten und wofür sie viel riskierten, und auch damals haben sich etliche kirchliche Akteure scheinheilig auf Röm 13 bezogen, um ihre Stillhaltetaktik zu begründen. Ohne das Buch von Hempel zu kennen kann ich mir vorstellen, dass er genau diese Haltung meint und - immerhin - im Nachhinein kritisch sieht.
    Ist es wirklich eine Frage für Sie, lieber Herr Flessing, wo kirchliche Akteure heute Partei ergreifen sollten? Die obige Eingabe macht es doch deutlich! Um es nochmal zu wiederholen: es geht um ein lautes, vernehmbares - kirchliches! - Nein zu rechtsextremen Umtrieben und zur AfD! Das ist wohl nicht zuviel verlangt. Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Partei nicht länger verharmlosen würden (#10: "eine Partei, die nichts taugt"), ebenso wie die Querdenker (#8); Teile der Szene werden immerhin vom Verfassungsschutz beobachtet. Menschen, die sich dort zugehörig fühlen, sind keine Opfer und werden nicht durch Aussagen von Wanderwitz (#10) oder sonst wem oder durch Ereignisse in Würzburg (#8) dort hin getrieben. Das ist eine völlige Verdrehung der Tatsachen. Sie gehen dort hin, WEIL sie die Parolen und Gedanken teilen. Genau das müssen wir ernst nehmen - alles andere anzunehmen ist doch Augenwischerei. Wir sehen daran - und das ist ja das Bittere, das Gefährliche -, dass die permanenten Verschiebungen des Diskurses, die Umdeutungen von Geschichte, die Opferinszenierungen rechter Akteure, die Verschwörungsmythen, die Stimmungmache gegen und die Abwertung von Migrant:innen, PoC, LGBTQI*, Wissenschaft, Presse etc. leider Wirkung zeigen und Teile des christlich-bürgerlichen Milieus kein Problem mehr damit haben, sich unsolidarisch und diskriminierend zu verhalten und zu sprechen.
    Ich bin mir nicht sicher, ob die Zeit der Gespräche nicht lange vorüber ist. Die obige Eingabe macht diesen Aspekt sehr stark, und auch Herr Flessing setzt am Ende von #10 darauf eine Hoffnung. Ich glaube aber, ein kategorisches Nein, ein striktes Zurückweisen der rechtspopulistischen und -extremen Denk- und Handlungsweisen von AfD-affinen Christ:innen, und parallel die unbedingte Stärkung zivilgesellschaftlichen Engagements, die Bestärkung der Menschen, die sich diesem Ungeist aktiv in den Weg stellen - egal ob Christ:innen oder nicht! -, sind derzeit wichtiger, als diesem 'Geist' irgendeine Bühne und Plattform zu geben. Im Rahmen der Kirche ist auch ein "geschützter Raum" eher ein öffentlicher, und die Gefahr ist groß, dass sich die Strategien der Neuen Rechte durchsetzen könnten, v.a. wenn die Diskutierenden ungeschult sind.

  • #10

    Gert Flessing (Dienstag, 13 Juli 2021 17:43)

    zu#9: Ich denke, Parteinahme war 1989 relativ einfach. Auch ich habe die Zeit erlebt. Dabei gebe ich zu bedenken, dass es sich, mit der DDR, um ein marodes, kaputt gewirtschaftetes Land handelte. Ich denke an die zerfallende Bausubstanz der Städte, an die, oft durch Provisorien der Provisorien, zusammengehaltene Betriebe, denen es oft genug, an nötigstem fehlte. All das ist heute, ein wenig, anders. Heute wird die "Gentrifizierung" beklagt, was ich durchaus verstehe, wer konsumieren möchte, kann das tun. Wenn ich von den Einschnitten durch Corona absehe, geht es einer Mehrheit gut, auch wenn die Kluft zwischen Arm und Reich größer wird.
    Natürlich kann man sagen, und auch ich mache das manchmal, dass die "guten Jahre" hinter uns liegen. Die Menschen spüren durchaus, dass die Gesellschaft bebt.
    Ich habe nie geglaubt, dass Sachsen immun gegen rechtes Gedankengut sei. Biedenkopf, den ich sonst sehr schätze, hat nicht nur da geirrt.
    Aber warum sollte es in Sachsen anders sein, als im Ruhrpott, wo ich zum ersten Mal, während einer Dienstreise etwas von der DVU gehört habe oder in Bayern, wo ich, kurz nach der Wende, eine Kreistagssitzung miterlebte, wo die kleine Fraktion der Republikaner in die CSU Fraktion integriert war. Das hat mich ein wenig fragen lassen, aber man meinte, man hätte "die" schon unter Kontrolle.
    Nun zurück: Wenn wir Partei ergreifen wollen, dann frage ich mich, wofür wir das tun sollten. Aber auch, wo eine Grenze zu ziehen ist. Natürlich da, wo Menschen, egal wer sie sind, verunglimpft werden.
    Aber ich frage mich, wie kann ich eine Meinung haben, zu den "Brennpunkten", die heute so hochkochen, die "anders" ist, ungefällig, nicht ideologisch, sondern selbst erarbeitet oder überlegt, ohne einen "shitstorm" zu ernten?
    Ich kenne Menschen aller Couleur. Ich rede mit ihnen, wie ich es immer getan habe.
    Ich höre Leuten, wie Sahra Wagenknecht gut zu und schätze diese Frau. Ich habe auch schon mit Leuten von den Grünen gesprochen. Ich habe noch "echte" Nazis gekannt und durfte mich von einem (Herr Glagau) Verräter nennen lassen. Sei`s drum.
    Auch ich bin nachdenklich. Was treibt die Menschen wirklich (!) dazu, AfD zu wählen, eine Partei, die nichts taugt, schon gar nicht als Alternative für Deutschland? Wenn ich jedoch das lese, was Marcus Wanderwitz geschrieben hat, dann habe ich zumindest eine gewisse Ahnung. Bevor ich meine letzte Stelle verließ hatte ich ein sehr langes und intensives Gespräch mit ihm gehabt. Er hatte dabei zu vieles mit "Parteidisziplin" gerechtfertigt, auf das ich ihn ansprach und das war mir, aus der DDR, nur zu vertraut. Könnte es sein, das solche Töne Menschen der AfD in die Arme treiben?
    Wenn wir, als Kirche, etwas tun wollen, dann sollten wenigstens wir den Holzhammer stecken lassen. Wir sollten unsere Türen öffnen, um Menschen einzuladen, zu Gesprächen, um uns, auch als Pfarrer, auf den Weg zu machen, um zu ihnen zu gehen, auch zu Wahlkampfveranstaltungen und zu Sprechstunden von Abgeordneten und mit ihnen sprechen. Wir sollten Parteileute in unsere Veranstaltungen einladen, damit sie mit den Menschen in der Gemeinde reden können und sollten das öffentlich ankündigen. Wenn wir die Demokratie stärken wollen, müssen wir das demokratisch machen.
    Ich persönlich misstraue allen, die das, was sie tun, von vornherein als "gute Sache" verkaufen. What dem einen sin Uhl is dem annern sin Nachtigall.

  • #9

    Diana von Eynern (Dienstag, 13 Juli 2021 14:41)

    Altbischof Dr. Hempel schrieb in seinen Erinnerungen u.a. sinngemäß, daß er im Rückblick bedauere, 1989 den Menschen, die offen dem diktatorischen System widerstanden, sich für demokratische Rechte einsetzten - und teilweise dafür an Leib und Leben Schaden trugen - nicht stärker zur Seite gestanden zu haben. Das hat mich beeindruckt in seiner insgesamt sehr ausgewogenen Rückschau als Landesbischof, die von Liebe und Treue zu seiner Kirche Zeugnis gab. Der Zusammenhalt in der Kirche ist wichtig, aber es gibt lt. Altbischof Dr. Hempel um der Sache willen eine "Parteinahme", deren Versäumnis er ausdrücklich bedauert hat. Das hat mich nachdenklich gemacht. Deshalb schätze ich die kritischen Rückfragen von Frau Keitel, weil sie ihren Finger genau an diese Stellen legen - um der guten Sache willen. Denn leider ist das nicht eingetroffen, was Ministerpräsident Biedenkopf einst so sicher behauptete, daß Sachsen immun gegen Rechtsextremismus sei. Sehr schade, ich hätte ihm sehr gerne recht gegeben!

  • #8

    Gert Flessing (Dienstag, 13 Juli 2021 10:07)

    zu # 7: Im September geht es um Deutschland. Darum, wie es weiterhin gestaltet werden soll. Ich bin davon überzeugt, das es auch weiterhin eine demokratische Gesellschaft, mit einer demokratisch gewählten Regierung haben wird.
    Was die Probleme in Sachsen anbelangt, so habe ich lange genug in Leipzig gewohnt, um die dortigen Probleme ein wenig zu kennen. Nicht umsonst sind wir dort weg gezogen.
    Meine Arbeit auf dem Lande aber hat mir gezeigt, dass Rechtsextremismus existiert, aber die Gemeinschaft, die keinen Extremismus möchte, stark genug ist, ihn unten zu halten.
    In jüngster Zeit hat sich diese Gefahr in vereinzelten Klebeaktionen sichtbar gemacht und in einigen "Aufmärschen" von "Querdenkern", die aber nie wirklich eine Anzahl von Teilnehmern erreichten, dass sie als Problem eingestuft worden wären.
    Was die Menschen der Zivilgesellschaft wollen, ist, ihr Leben in Ruhe leben zu können. Viele sagen, dass sie keine Nachrichten mehr sehen oder hören wollen, weil das ihr Leben stört und nicht hilft.
    Pfarrerrinnen und Pfarrer haben, dank der Strukturreform und dem, was noch kommen wird, genügend um die Ohren, auch ohne irgend eine politische "Einflussnahme", wenn die überhaupt möglich ist. Auch diese neuen Strukturen sind durchaus "unbekannte Gewässer".
    Der Sextant ist von unserem Bischof sehr wohl benannt worden. Es sind die theologischen Fähigkeiten, vereint mit dem Geist Gottes, die uns helfen sollen, den Horizont, also das Heute und die Sonne, also Gott und sein Wort, zusammen zu bringen. Das halte ich durchaus für richtig. Natürlich ist es, wie das bei Bildern so ist, nicht eineindeutig.
    Ich denke, dass es ein konservatives Gefälle zwischen Großstädten und Landgemeinden gibt. Aber selbst in dem Ort, in dem ich jetzt wohne, sind z.B. Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern nichts mehr, was aufregt, wenn man von einigen recht alten Menschen absieht. Es ist also eine Entwicklung da und ich denke schon, dass Gespräche zwischen den einzelnen Menschen in unseren Gruppen, etwas, im Blick auf Offenheit und Toleranz, bringen. Diese Toleranz darf dabei aber nicht einseitig sein. Auch sollte nicht vergessen werden, das Vorfälle, wie in Würzburg oder Wien, Menschen, wenn das nicht wirklich aufgefangen wird, verunsichern und für rechte Parolen anfällig machen.

  • #7

    Juliane Keitel (Montag, 12 Juli 2021 23:36)

    zu #3 und #4: Ich hätte mich gefreut, wenn der Bischof die "unbekannten Gewässer", die "Meinungsverschiedenheiten", die "Interessengruppen" doch einmal konkret benannt, mit Beispielen unterlegt hätte. Wen meint er? Was meint er genau? Wer lässt sich von welchen Interessengruppen leiten? Warum? Wer müsste sich mit wem und über welchen Gegenstand, welche Sache, welchen Streitfall versöhnen? Und welche detaillierten theologischen Reflexionen sollten wobei weiterhelfen? Ich bleibe relativ inhaltsleer zurück. Es ist das alte Lied in dieser Landeskirche: Nichts wird konkret benannt.
    Wir haben aber handfeste Probleme mit dem Rechtsextremismus in unserem Bundesland und in einigen Gemeinden (siehe die Eingabe der Initiator:innen von frei & fromm hier auf dieser Seite). Davon wird nicht ein Wort gesagt, auch bei der Synode am vergangenen Wochenende (09.-11.07.) war das Thema verschwunden. Dabei sind es vor allem die Pfarrer:innen, die mit ihrer Autorität Möglichkeiten der Einflussnahme haben. Und sie haben Verantwortung!
    Wir haben im September eine Bundestagswahl. Ich würde - wenn schon mit diesem Bild gearbeitet wird - dringend konkret erörtern wollen, wie ein (evangelischer, christlicher) "Sextant" dabei helfen kann, eine demokratische Zivilgesellschaft zu erhalten. Nur in einer solchen wird auch eine Kirche Bestand haben können.

  • #6

    Gert Flessing (Sonntag, 11 Juli 2021 11:17)

    Auch ich habe mir diese Andacht angehört. Danke für den Hinweis. Ja, der Gekreuzigte ist die Mitte. Mögen die Bedingungen schwer sein, sein Kreuz kann verbinden und Hoffnung stiften. Sowohl für die Geschundenen - der Soldat, der die Waffe wegwirft und sich solidarisiert, ist ein Zeichen dafür, dass nicht alles und alle gleich bleiben. Selbst jene, die von fern schauen, dorthin, wo Brot und Wein, als Zeichen von Gemeinschaft und Versöhnung ausgereicht werden, sind nicht ausgeschlossen. Ich wünschte uns, als Kirche, diese Leichtigkeit, die, so denke ich, nur dort gewonnen wird, wo wirklich Christus die Mitte ist und Versöhnung das Ziel.

  • #5

    Diana von Eynern (Samstag, 10 Juli 2021 21:07)

    Die Morgenandacht von Pfrn. Ulrike Franke zum Wandbild in der Dreikönigskirche war ein starker Impuls zu Beginn der Synode. Sie beschrieb die Sehnsucht und das Vertrauen der Glaubenden in Christus, machte Hoffnung auf Seine Herrschaft unter schwierigen äusseren Bedingungen. Sie ermutigte die synodale Gemeinschaft zu einer "Leichtigkeit" und dadurch auch der "Freude" später bei Singen eines Liedes, das die Insassen bei den Gottesdiensten in der Gefängnisseelsorge gerne singen. Dieser Impuls hat für mich auch im Rückblick auf diesen synodalen Tag, die Diskussionen und die Entscheidungswege zu den Beschlüssen eine tiefe Bedeutung.

  • #4

    Gert Flessing (Samstag, 10 Juli 2021 14:27)

    Ein sehr guter Vortrag. Ja, wir haben "in unbekannten Gewässern" zu navigieren, um Kurs halten zu können. Auch ich glaube, das die Suche nach Gemeinsamkeit wesentlicher ist, als sich auf Gruppeninteressen zu stützen. Obwohl es gewiss eine Herausforderung ist. Der Synode wünsche ich dazu Gottes Kraft.

  • #3

    diana.von.eynern@web.de (Freitag, 09 Juli 2021 22:19)

    Im Vorfeld der Synode hat unser Landesbischof ein Wort zum Pfarrertag gesprochen, das nachzuhören ist, mit dem Titel: "Navigieren im unbekannten Land". https://www.youtube.com/watch?v=9rBM64bBx4k

    Eine wesentliche Aussage innerhalb des Bischofswortes ist angesichts vieler verunsichernder innerkirchlicher und gesellschaftlicher Umstände der Aufruf sinngemäß "hin zu präziser theologischer Reflexion, die zu zielorientierter, inspirierter Hoffnung führt, was der Berufung der Pfarrer entspricht". Eine gemeinsame Abstimmung bei Meinungsverschiedenheiten sei wichtig anstelle sich von Interessengruppen leiten zu lassen. Für die synodale Arbeit an diesem Wochenende ist das die geistliche Grundlage, zu der ich den Synodalen ein Herz voller Liebe als inneren Kompass ("Sextant") beim Navigieren wünsche!

  • #2

    Juliane Keitel (Sonntag, 04 Juli 2021 10:11)

    Wenn Christ:innen sich mit AfD und Pegida gemein machen, dann sind sie leider sehr wohl daran beteiligt, bestimmte Menschen abzuwerten und eine 'Daseinsberechtigung' nicht als grundsätzliches menschliches Recht anzuerkennen, sondern an Bedingungen zu knüpfen oder eben durchaus auch abzusprechen. Das mag die eine oder der andere nicht ausdrücklich wollen und vor allem nicht hören wollen, aber das ist ja genau das Problem, über das wir reden müssen. Und das Reden genau darüber gehört für mich zur Gemeinschaft des Heiligen Geistes unbedingt und im Moment auch ganz dringend dazu.

  • #1

    Gert Flessing (Mittwoch, 30 Juni 2021 20:27)

    Immer wieder habe ich diesen Brief gelesen. Immer wieder habe ich überlegt, ob ich mich überhaupt äußern soll. Aber ein Gesprächsprozess funktioniert nicht, wenn niemand etwas sagt.
    Also werde ich meine Gedankenhalt äußern.
    Wir sind, hier in Sachsen gewiss eine Landeskirche, die einen starken konservativen und teilweise sogar evangelikalen Flügel hat.
    Wir sind aber auch eine Landeskirche, die einen nicht unwesentlichen und vor allem nicht sonderlich stillen Flügel hat, der sich selbst als progressiv versteht.
    Dazwischen ist die Menge der Menschen, die das alles mit Verwunderung betrachten oder nicht einmal zur Kenntnis nehmen.
    Wir sollten Kirche in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes sein. Sind wir es (noch)?
    Ich denke zurück an den "Gesprächsprozess" zur Frage der Schriftauslegung. Dessen Ergebnisse waren nicht eben spektakulär.
    Wie wird es diesmal sein?
    Wer wird sich überhaupt beteiligen?
    Es macht nicht viel Sinn, Gemeinden unter Druck zu setzen, die in solchen Begegnungen und Gesprächen nicht ihre Priorität sehen. Ich denke, der Wunsch muss aus der Gemeinde selbst kommen.
    Natürlich werden viele Gemeinden gern Angebote annehmen, die das Kennenlernen von ökumenischen Geschwistern oder auch anderer Gruppen beinhalten. Aber das gab es doch schon immer. Die Angebote waren auch schon immer da. Aus meiner Zusammenarbeit mit der Landeskirchlichen Gemeinschaft, habe ich gute Erfahrungen mit solchen Runden gemacht.
    Ich bin auch davon überzeugt, das niemand in einer unserer Kirchgemeinden die Daseinsberechtigung anderer Menschengruppen in Frage stellt.
    Aber wer weiß. Vielleicht ist mir auch manches nicht bekannt. reden ist jedenfalls immer eine gute Möglichkeit.
    Gert Flessing