Beschlussvorlage zur Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in Baden

Mitte April hat für die Ev. Landeskirche in Baden die Landessynode die öffentliche Trauung für homosexuelle Paare beschlossen. Die Einbringungsrede in die Synode vor diesem Beschluss versammelt sehr schön die Argumente pro und contra und die Überlegungen zur Frage, wessen Gewissen und wessen Leben geschützt werden soll. In einer gekürzten Fassung finden Sie diese Rede hier abgedruckt. Die ganze Rede finden Sie in untenstehendem PDF-Dokument.


Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Mitglieder der Landessynode, liebe Gäste,
die Landessynode wird sich bei dieser Tagung mit der Frage beschäftigen, ob in der Evangelischen Landeskirche in Baden gleichgeschlechtliche Paare, die in eingetragener Lebenspartnerschaft leben, in einem Gottesdienst öffentlich gesegnet werden können und wie sich ggf. eine solche Segnung zur Trauung eines verschiedengeschlechtlichen Paares verhält.

Unser Urteilen und Handeln in der Kirche hat sich an der Heiligen Schrift zu orientieren. Welche biblischen Impulse zur Frage des Zusammenlebens gleichgeschlechtlicher Paare sind zu berücksichtigen?
Beim Studientag im Februar ist deutlich geworden, dass es unter den Synodalen wie bei den Mitgliedern unserer Landeskirche verschiedene Zugänge zum Verständnis der Heiligen Schrift gibt und dementsprechend unterschiedliche ethische Schlussfolgerungen aus dem biblischen Befund gezogen werden. Wir konnten aber auch feststellen, dass diese Unterschiede nicht zwangsläufig dazu führen, die Zugehörigkeit aller zu Christus in Frage zu stellen und das gemeinsame Unterwegssein als Kirche Jesu Christi zu bestreiten.
Wir suchen danach, wie das Zeugnis von Jesus Christus in den biblischen Texten in unsere heutige Lebenssituation hinein spricht, insbesondere der Zuspruch der Güte und Treue Gottes in ein gemeinsames Lebensbündnis.
In der biblischen Überlieferung finden sich zwei durchgehende Grundlinien, die zu einer positiven Haltung gegenüber verantwortlich gelebter gleichgeschlechtlicher Partnerschaft führen können.
In den Schöpfungserzählungen (Gen 1,27 und Gen 2,18) wird herausgestellt, dass der Mensch gottebenbildlich und in seiner Angewiesenheit auf ein Gegenüber geschaffen ist Dabei ist die Zweigeschlechtlichkeit ein wichtiges, aber nicht exklusives Merkmal. Vielmehr wird die Gleichheit und nicht die Differenz betont. Die Bezogenheit aufeinander in Liebe , wie sie im Doppelgebot der Liebe (Matth. 22, 37ff) und in der paulinischen Formulierung „Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes“ (Röm.13,10) als zentrale ethische Norm herausgestellt wird, ist die eine Grundorientierung. Liebe bedeutet hier, anderen Respekt zu erweisen, ihren Bedürfnissen Raum zu geben, sie zu unterstützen und zu stärken, ihnen beizustehen und sie zu schützen, sich füreinander einzusetzen. Diese Verhaltensweisen und Werte werden auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gelebt. Deshalb kann die Verbindung von gleichgeschlechtlich Liebenden nicht grundsätzlich ethisch abgewertet werden.
Der zweite biblische Grundzug ist der Widerspruch gegen Ausgrenzung, ein klarer Auftrag, Minderheiten und am Rande Stehende in die Gemeinschaft zu integrieren und die Hochschätzung der Vielfalt in der Einheit. Jesus selbst verstand sich in den Geringsten gegenwärtig (Mt 25,40.46), stellte sich auf die Seite der gesellschaftlich und rechtlich Schwachen und beauftragte die in seiner Nachfolge stehenden, dasselbe zu tun. Für die Gemeinschaft am Leib Christi gilt: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“ (Gal.3,28). Verschiedenheit der Abstammung, des Status oder des Geschlechts können also keine Unterschiede in der Kirche begründen. Das große Engagement unserer Landeskirche in der Flüchtlingsfrage verdankt sich eben diesem Impuls. Über Jahrhunderte hinweg aber haben sich die christlichen Kirchen an der Verurteilung und Ausgrenzung homosexuell empfindender Menschen beteiligt und mit dazu beigetragen, das gleichgeschlechtlich Liebenden großes Leid und Schmerzen zugefügt wurde. Gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die Anerkennung durch eine öffentlich vollzogene Segnung zu verweigern, wird nicht nur von Betroffenen als Fortführung dieser Ausgrenzung und Diskriminierung erlebt.
Gleichwohl ist nicht zu leugnen, dass in der Bibel einzelne Aussagen zu finden sind, die sich eindeutig gegen homosexuelle Praktiken richten. Die Menschen in unserer Landeskirche, die eine Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ablehnen, begründen dies mit diesen Aussagen der Heiligen Schrift.
Es gibt insgesamt sieben Bibelstellen, die sich auf homosexuelle Praktiken beziehen. Vier davon beziehen sich allerdings auf Phänomene wie Vergewaltigung und Prostitution. Dass dies ethisch zu verurteilen ist – und zwar in hetero- wie in homosexuellen Kontexten – ist unstrittig. Es bleiben die beiden Formulierungen im so genannten Heiligkeitsgesetz im 3.
Buch Mose (im 18. und 20. Kapitel) und eine Aussage, die Paulus im Römerbrief im 1. Kapitel trifft.
Im Heiligkeitsgesetz wird praktizierte männliche Homosexualität ohne Begründung als Greuel bezeichnet und als todeswürdiges Verbrechen verstanden. Kann eine solche Formulierung ein heutiges ethisches Urteil tragen? Der unmittelbare Zeitkontext (kultische Abgrenzung zur Umwelt Israels) ist jedenfalls heute nicht mehr gegeben. Und auch andere biblisches Gesetze, die ohne Begründung überliefert werden, werden von uns nicht als verbindliche Norm betrachtet –etwa wenn es im 5. Buch Mose heißt: „Eine Frau soll nicht Männersachen tragen, und ein Mann soll nicht Frauenkleider anziehen; denn wer das tut, der ist dem HERRN, deinem Gott, ein Gräuel.“ (5.Mose 22,5).
Paulus greift in seiner Argumentation im Römerbrief auf eine Argumentationsfigur zurück, die sich sonst nie bei ihm findet. Er skizziert die Sündhaftigkeit der Menschen die darin ihre Ursache hat, dass sie Schöpfer und Geschöpf vertauschen. Das hat zur Folge, dass es menschliche Verirrungen/ Vertauschungen gibt. In einem dicken Katalog der Verirrungen und Verkehrungen wird eben auch erwähnt sie hätten den natürlichen Umgang miteinander vertauscht mit dem widernatürlichen (Röm.1,26ff).

Solche naturrechtlichen Argumentationen – also der Schluss von einem mutmaßlich natürlich vorfindlichen Sein auf ein – vielleicht sogar von Gott her - gebotenes Sollen - sind jedoch äußerst problematisch, wie Theologie-und Kirchengeschichte gezeigt haben. Denn was natürlich ist und der Schöpfung entspricht, ist offen für verschiedene Interpretationen. Wo wissenschaftliche Forschung nachweist, dass es in allen menschlichen Kulturen immer einen gewissen Anteil homosexuell empfindender Menschen gibt, verkehrt sich das paulinische Argument plötzlich in sein Gegenteil: Da erweisen sich hetero- wie homosexuelles Empfinden und die daraus folgende Lebenspraxis durchaus als natur- und schöpfungsgemäß.

 

Weder die beiden Stellen im Heiligkeitsgesetz noch die paulinische Argumentation ist mit einem der großen ethischen Grundmotive der Bibel verbunden, wie sie etwa in Begriffen wie Nächstenliebe, Gerechtigkeit, Reich Gottes, Leib Christi aufleuchten. Deshalb können diese wenigen Belegstellen eine ethische Verurteilung verantwortlich praktizierter gleichgeschlechtlicher Liebe nicht tragen.

 

Es gibt also in der Bibel nicht nur einzelne negative Voten gegen gleichgeschlechtliche Liebe, sondern auch zwei sehr starke und sich durch die Bibel durchziehende Impulse für Nächstenliebe und gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Das hermeneutische Grundprinzip, sich an dem zu orientieren, „was Christum treibet“, was also dem Geist Christi am ehesten entspricht, führt also zu einem theologischen Urteil über verantwortlich gestaltete gleichgeschlechtlich wie verschiedengeschlechtliche Partnerschaften, bei dem nicht drei Bibelstellen ausschlaggebend sind, sondern diese sich durchziehenden Grundimpulse der Bibel.


Wie ist nun eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft im Verhältnis zur Ehe zu verstehen? Betrachten nicht die beiden biblischen Schöpfungsgeschichten die Ehe zwischen Mann und Frau als die einzige Gottes Willen entsprechende Lebensform oder ergibt sich aus ihnen nicht zumindest ein Leitbild für das christliche Leben?
Zunächst ist hier darauf zu verweisen, dass die biblischen Schöpfungsgeschichten nicht von der Ehe sprechen, sondern von der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau. Das biblische Fruchtbarkeitsgebot in der ersten Schöpfungsgeschichte wird nicht an die Ehe gebunden, sondern gilt der Gattung Mensch. Die zweite Schöpfungsgeschichte weiß darum, dass es nicht gut ist, dass der Mensch allein sei (1.Mose 2,18). Aus dem ersten noch ungeschlechtlichen Mensch werden Mann und Frau erschaffen, die sich gegenseitig ergänzen. Hier wird zwar erfahrungsgesättigt davon gesprochen „das ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen wird, um mit seiner Frau zusammen zu sein“ (1.Mose 2,24), aber auch hier ist nicht von der Ehe die Rede. Erst Jesus greift dieses Motiv auf, um damit die Ehescheidung zu verbieten (vgl. Mk.10,6-9 und Mt.19,4-6). Aber gerade bei Jesus und bei Paulus gibt es auch eine Hochschätzung des zölibatären Lebens. Deshalb lässt sich aus den Schöpfungsgeschichten und ihrer weiteren Aufnahme in der Bibel nicht ableiten, dass die Ehe die einzige dem Willen Gottes entsprechende Lebensform darstelle. Die Ehe ist darum auch nicht als eine Schöpfungsordnung zu verstehen. Vielmehr geht die Bibel davon aus, dass es verschiedene, nebeneinander stehende, ethisch positiv zu wertende Formen des Zusammenlebens gibt und der Mensch in seinen jeweiligen geschichtlichen und kulturellen Kontexten den Auftrag hat, diese verantwortlich zu gestalten.
Dem entspricht, dass die reformatorische Tradition, die Ehe als ein „weltlich Ding“ versteht, also als eine bürgerliche Lebensform, die der Staat regelt. In der Ehe gelten die grundlegenden christlichen Regeln der Nächstenliebe für das Zusammenleben und ist das Ehescheidungsverbot Jesu zu achten, sie stellt aber kein Sakrament dar. Vielmehr geht es, im ehelichen Zusammenleben in Liebe darum, die Werte von Treue, Verlässlichkeit, gegenseitiger Verantwortung, Respekt und Achtung voreinander zu bewähren. Weil dies immer wieder vom Scheitern bedroht ist, kann es Menschen, die diese Lebensform eingehen, gut tun, Ermutigung und Orientierung zu erfahren und in einem Gottesdienst öffentlich unter Gottes Gebot und Verheißung gestellt zu werden. Dabei bringen – wie es in unserer Lebensordnung heißt – „die Eheleute zum Ausdruck, dass sie einander aus der Hand Gottes in Liebe annehmen und ihr Leben lang beieinander bleiben wollen. Die Gemeinde erbittet für die Beiden Gottes Beistand und Segen.“ (Lebensordnung Ehe und Trauung vom 25.10.2001).
Eine eingetragene Lebenspartnerschaft ist nun ebenso ein „weltlich Ding“ wie eine Ehe. Auch in ihr gilt es im Zusammenleben in Liebe die Werte von Treue, Verlässlichkeit, gegenseitiger Verantwortung, Respekt und Achtung voreinander zu bewähren. Auch sie ist vom Scheitern bedroht und deshalb sind auch viele Menschen, die im Glauben stehen und eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, davon überzeugt, dass es gut und hilfreich für sie ist, sich unter Gottes Gebot und Verheißung zu stellen, sich gegenseitig der Partnerschaft zu versichern und Gottes Segen für den gemeinsamen Weg zu empfangen.
Einige Paare, die in eingetragener Lebenspartnerschaft leben, wünschen deshalb einen solchen Segnungsgottesdienst genauso wie es Ehepaare tun. Wenn die Evangelische Landeskirche in Baden die Möglichkeit zur öffentlichen Segnung gleichgeschlechtlich liebender Paare in eingetragener Lebenspartnerschaft eröffnet, dann stärkt sie also ein Verständnis von Ehe als verbindlichem Zusammenleben in Treue, Verlässlichkeit und wechselseitiger Verantwortung – und das in einer Zeit, in der viele Menschen, auch heterosexuell orientierte, eine solche Verbindlichkeit nicht eingehen wollen. Denn die eingetragene Lebenspartnerschaft und der Gottesdienst zur Segnung eines gleichgeschlechtlichen Paares orientieren sich an diesem Vorbild der Ehe.
Weder vom Grundverständnis noch vom liturgischen Vollzug her ergeben sich also grundsätzliche Unterschiede zwischen der Trauung eines Ehepaares und der Segnung eines gleichgeschlechtlichen Paares. Beides sind Gottesdienste, die das Lebensbündnis nicht begründen – das geschieht auf dem Standesamt – sondern die Menschen, die dieses Lebensbündnis eingehen, unter Gottes Gebot und Verheißung stellen, sie durch Gottes Wort, die Fürbitte der Gemeinde und den zugesprochenen Segen ermutigen und bestärken wollen; sie sind also eher als eine „Konfirmation“, als eine Bestärkung zu verstehen. Konsequent wäre es deshalb, auch die Segnung eines gleichgeschlechtlichen Paares als Trauung zu bezeichnen. Dieser Schritt scheint aber unter uns umstritten zu sein und es wird bei dieser Synodaltagung Raum sein, diese Frage weiter zu diskutieren.

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Beschlussvorschlag zur Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in Baden
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Auch die Synode der Nordkirche hat Ende September 2016 beschlossen, dass die Segnung eingetragener gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wie eine kirchliche Trauung in öffentlichen Gottesdiensten stattfinden kann. Diese Segnung gilt zudem als kirchliche Amtshandlung und ist in ein Kirchenbuch einzutragen.