Gottes Spielgefährtin

Wer der Kirche begegnet, trifft oft zuerst auf die Institution.

Der Kirchgeldbescheid ist schneller zugestellt als ein Willkommensgruß der Gemeinde vor Ort.

Beim Taufgespräch muss ein Formular ausgefüllt werden, damit alles seine Ordnung hat. Wer Patin werden möchte, braucht eine entsprechende Bescheinigung. Wer sich außerhalb der zuständigen Ortsgemeinde trauen lassen möchte, braucht ein Dimissoriale und das Wort „Dimissoriale“ eine ausführliche Erklärung. Damit alles seine Ordnung hat.

Kirche als Institution erscheint wie ein mächtiger Tanker, träge beim Navigieren und schwer zu steuern. Das spüren im Moment alle, die sich mit der Strukturreform und allen damit zusammenhängenden rechtlichen und institutionellen Fragen beschäftigen (müssen). Die institutionelle Seite überwuchert alles andere. Das macht die Mitarbeitenden müde und die Außenwirkung katastrophal.

Aber: Kirche ist mehr als eine Institution. Sie ist Gottes Spielgefährtin.

Einer die Fantasie beflügelnden und zugleich rätselhaften Texte hatte am Sonntag Jubilate seinen ersten Auftritt als Predigttext in der neuen Predigtreihe I. „Die Weisheit spricht: Der Herr hat ich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her. … ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit; ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.“ (Sprüche 8, 22.30b.31)

Wer oder was die Weisheit ist, die diese Worte spricht, ist ein Rätsel. Ist es „Frau Weisheit“ als die weibliche Seite Gottes? Ist es eine Art weibliche Schöpfungsmittlerin und / oder Gottes erstes Geschöpf? Oder ist die Weisheit mit dem logos aus dem Johannesprolog (Joh 1, 1ff) zusammenzudenken und weist bereits auf Christus?

Wer oder was sie auch ist: Die Weisheit steht in enger Beziehung zu Gott. Sie ist sein Gegenüber, vielleicht sogar seine (Spiel-)Gefährtin, und zugleich diffus, von Gott durchdrungen und ihn durchdringend, geboren und doch schon immer da.

Auch wenn der folgende Gedanke exegetisch dünnes Eis bedeutet, aber:

Kann Kirche nicht auch verstanden werden als eine Spielart dieser Weisheit? In enger Beziehung zu Gott, sein Gegenüber und zugleich von Gott durchdrungen, geworden und doch schon immer da.

Wie wohltuend könnte eine Kirche sein, die „Gottes Lust“ ist? Eine Kirche, die vor Gott spielt – für und mit Gottes Menschenkindern! (Das Spielen eine ernste Sache ist, dürfte hinlänglich bekannt sein.)

Wieviel Freiraum und Leichtigkeit könnte eine Kirche ausstrahlen, die sich als Gottes Spielgefährtin versteht, die fröhlich ihrem Gott und seinen Menschenkindern dient!

Wie hilfreich könnte einen Kirche sein, die Menschenkindern bei ihrem „Spiel des Lebens“ beisteht; die ihre Türen aufmacht für die, die andernorts rausgekegelt werden?

 

Wie könnte ein „Spiel ohne Verlierer“ aussehen, das in so einer Kirche gespielt wird?

 

Welche Spiele fallen Ihnen ein?

 

Kirche als Institution ist für viele ein Segen. Sie bietet weitgehend verlässliche Anstellungsverhältnisse und sichere Gehälter. Sie trägt für viel Gut und Güter Verantwortung und hat diese zu verwalten. Sie ist ein weltlich Ding und braucht weltliche Ordnungs- bzw. Organisationsmechanismen. Aber mit jeder Veröffentlichung über neue Zahlen zur Kirchenmitgliedschaft scheint das Verfallsdatum der Institution näher zu rücken.

 

Kirche als Spielgefährtin Gottes, als eine Spielart der Weisheit Gottes trägt in sich den Atem der Ewigkeit.

 

Pfarrerin Christiane Dohrn, Leipzig   

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Diana von Eynern (Mittwoch, 01 Juli 2020 10:44)

    Danke, liebe Pfrn. Dohrn, daß Sie den Gesprächsfaden wieder aufnehmen. Ich kann Ihren Wunsch nach Leichtigkeit gut nachvollziehen - nach einer sehr kräftezehrenden Zeit für uns als Kirchenmitglieder dieser Landeskirche im vergangenen Jahr, bedingt durch den Bischofsrücktritt und die Folgen.
    Es ist gut, hier gerade auch aus Sicht einer Pfarrerin etwas zu lesen. Ich stelle es mir sehr belastend vor, als berufene Amtsinhaberin dieser Landeskirche kritischen Fragen von aussen und innen standhalten zu müssen nach einer Zeit, in der die eigene berufliche Identität und damit verbunden das eigene kirchliche Verständnis sich aus den Geschehnissen heraus neu definieren mußte. Worauf gründe ich meine Hoffnung, was kann ich der Gemeinde an froher Botschaft weitersagen etc.? Umso ermutigender finde ich Ihre Worte, die sich auf die Weisheitsworte gründen. Das Spiel aus Freude an der Basis der Gemeinde, das verbindende, schöpferische und das dienende Element ohne wirtschaftliche Verpflichtung, "Qualitätssicherung" und Effizienz entspringt der Kindschaft, also unserer eigentlichen Identität.

    Momentan lese ich das Büchlein des verstorbenen Altbischof Hempel, die Festschrift zu seinem 65. Geburtstag: "Kirche wird auch in Zukunft sein". Ich werde jetzt in den Texten (Synodenansprachen u.a.) besonders nach der Leichtigkeit und dem Spielerischen suchen und bin mir sicher, dort Hilfen für unsere heutige landeskirchliche Situation zu finden!

  • #2

    Diana von Eynern (Mittwoch, 01 Juli 2020 10:48)

    Ich sehe gerade, daß Ihr Text im vergangenen Jahr geschrieben wurde, finde ihn aber jetzt besonders passend :).

  • #3

    Ute (Dienstag, 03 Oktober 2023 01:36)

    Für mich ist die Weisheit die weibliche Seite Gottes, das Weibliche, das schon seit Jahrtausenden in der Kirche unterdrückt, verdrängt und abgewertet wurde. Wieviel Leid hat dieses Denken, dass Gott einseitig männlich ist-dieses falsche Gottesbild über so viele Frauen gebracht. Es wird Zeit, dass der christlich-geprägte Mann sich bei den Frauen entschuldigt!