Was gilt die Bibel noch?

Eine Reaktion auf den Leitartikel aus "Der Sonntag" von Heiko Reinhold

 

Lieber Herr Seidel,
Ihr Beitrag "Was gilt die Bibel noch?" macht es sich mit der undifferenzierten Polarisierung zwischen Bekenntnisinitiative und Forum für Gemeinschaft und Theologie aus meiner Sicht zu einfach. Die Geltung der Bibel stellt doch wohl niemand in Frage.

Ist es nicht eigenartig, dass es viele verschiedene Gemeinschaften und Kirchen gibt, die sich strikt an die Bibel halten wollen, ein wörtliches Verständnis pflegen, aber dennoch zu ganz verschiedenen Glaubensüberzeugungen kommen?
So einfach und eindeutig ist es eben nicht - selbst für Fundamentalisten.
Sie zitieren (auch auf Seite 3) ausschließlich Theologen, die außerhalb Sachsens leben. Dabei gäbe es in unserer Landeskirche einerseits genügend Expertise, andererseits genügend Fragestellungen zum Thema, beispielsweise:
- Akzeptiere ich eine Entwicklung des biblischen Textes von der mündlichen Weitergabe über die Verschriftlichung bis zu den Übersetzungen? (Was heißt dann "wörtliches Verständnis"?)
- Lese ich die jüdische Bibel ausschließlich mit christlichem Vorzeichen - mit Bezug auf Jesus Christus?
- Achte ich auf orts- und zeitbezogene Aussagen?
- Selektiere ich für mich wichtige und unwichtige Verse?
- Wie gehe ich mit Widersprüchen und unterschiedlichen Kontexten um?
- Lasse ich mich von biblischen Texten überraschen, oder ordne ich sie in meine Schubladen ein?
- Wie verhalten sich "Glauben" und "Handeln" zueinander?
Die Antworten auf diese Fragen werden unterschiedlich ausfallen. Wesentlich ist dabei, ob ich MEINE Antworten als allein richtig ansehe oder eine Vielfalt möglicher Antworten akzeptiere. Für mich bietet schon die Bibel eine Vielfalt an Überzeugungen und Glaubenspraxis. Deshalb halte ich die Rede von "Polen" für nicht korrekt.
Die Bibel bleibt mir ein wertvoller Schatz und ist noch lange nicht "entzaubert".

Viele Grüße

Heiko Reinhold

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