Vor sechzig Jahren erzählte ein Zeuge aus Litauen vor dem Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg seine schier unglaubliche Geschichte. In Vilnius habe er über den Winter im Grab eines jüdischen Friedhofs gelebt. Es sei ihm gelungen, aus dem Todeslager zu entfliehen, das die Deutschen und ihre litauischen Helfer errichtet hatten. Und hier habe er sich verstecken können. Noch anderen sei das so gelungen: Männern und Frauen, alten und jungen. Eines Tages, ganz in seiner Nähe, habe eine Frau ein Kind zur Welt gebracht. So gut er konnte, habe ein 80-jähriger Mann, Totengräber von Beruf, der Frau geholfen.
Und weil sie keine Windeln hatten, nahmen sie Leichentücher. Und als er die Lebensschreie des Neugeborenen gehört habe, habe der Alte Gott gerufen und ihn, außer sich vor Freude, nur
immer dasselbe gefragt: »Hast du ihn endlich geschickt, Gott, deinen Messias? Wer anders, sag, könnte unter den Toten zur Welt kommen und sich, weil es nichts anderes gibt, von den
Tränen seiner Mutter ernähren!?«
Von da an habe er angefangen, an das Leben zu glauben.
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