Die Erde ist eine Scheibe – oder: Was leisten biblische Begründungen?

In Lettland soll die Frauenordination wieder abgeschafft werden. So weit, so schlimm. In der Stellungnahme der EKD-Auslandsbischöfin zu dieser absurden Entscheidung kommt ein Argument zum Tragen, welches mich befremdet. ...

... Frau Bosse Huber schreibt im Blick auf die Frauenordination: "Dafür gibt es gute biblische Gründe in Treue zum Evangelium." Müssen wir dafür biblische Gründe finden? Oder ist alles, was sich biblisch begründen läßt, damit auch schon berechtigt? Nun, es lassen sich sehr gute biblische Gründe für die Todesstrafe finden. Es lassen sich sehr gute biblische Gründe für die Polygamie finden. Für Prügelstrafen und andere schlimme Dinge auch. Erwartet irgendjemand ernsthaft, daß wir gute biblische Gründe gegen Todesstrafe, Polygamie und Prügelorgien vorbringen, um zu rechtfertigen, daß es so etwas bei uns nicht gibt? Bestimmte Sachen dürfen wir nicht rechtfertigen, als ob sie in Frage stünden – auch nicht biblisch!

Frank Martin

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Kommentare: 5
  • #1

    Annemarie Otto (Mittwoch, 08 Juni 2016 20:37)

    Endlich sagt es mal einer. Mit der Bibel kann man in der Tat sehr viel begründen, um nicht zu sagen alles. Insofern beruhigt eine biblische Begründung zwar die Gemüter, trägt aber meist nicht allzu viel aus. Was ist in den EKD-Denkschriften der letzten Jahre nicht alles bibilisch begründet worden, was früher mit biblischen Gründen abgelehnt wurde.
    Wenn aber eine biblische Begründung offenbar nicht hinreicht, um bestimmte Ansichten zu legitimieren ... was ist es dann? Evangeliumsgemäßheit? Aber was meint das genau? Auch da gibt es meinem Eindruck nach ja verschiedene Versuche, das Evangelium in Worte zu fassen. Und ob das "Evangelium" als Mitte und Kern der Schrift und des Glaubens dann immer hinreicht, in allerlei Fragen des Miteinanders zur Grundlage zu dienen, weiß ich auch nicht genau. So sollte zur Evangeliumsgemäßheit auch noch so etwas wie der "gesunde Menschenverstand" treten dürfen ... aber ich weiß schon, was damit gemeint ist, dürfte ja auch strittig sein und das Wort "gesund" ist in solchen Zusammenhängen stets gefährlich.
    Ich wünsche dem Forum jedenfalls gutes Gelingen.
    Herzliche Grüße aus Schneeberg.

  • #2

    Dr. Werner Holm (Samstag, 11 Juni 2016 13:48)

    Ich halte die Absicht, die Frauenordination in Lettland wieder abzuschaffen, für einen Skandal und durch nichts zu rechtfertigen, besonders nicht durch ein historisch-kritisches Bibelverständnis. Bisher habe ich mit Pfarrerinnen die besten Erfahrungen gemacht, besonders wenn es um Fragen der Gottesdienstgestaltung, einschließlich inhaltlicher Gestaltungen der Predigten, der Lehre in Kindergottesdienst und Konfirmandenunterricht und der Ernsthaftigkeit der Amtsführung geht. Allerdings musste ich in letzter Zeit leider auch erleben, dass eine von mir sehr geschätzte Pastorin vom Vorsitzenden des Kirchenvorstandes aus ihrem Amt gedrängt wurde. Grund dafür war nach meinen Beobachtungen der Zwist und die Differenzen mit den "Evangelikalen", ein Problem, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Besonders bedauerlich war, dass besagte Pastorin in ihren krankmachenden Nöten keinerlei Unterstützung seitens der örtlichen Kirchenleitung und des Landeskirchenamtes erhielt. Alle Bemühungen mehrerer Gemeindemitglieder, eine Wende zu Guten zu erreichen, blieben ohne Erfolg. Für mich erhebt sich die prinzipielle Frage, wie weit die Machtbefugnisse der Kirchenvorstände in der Sächsischen Landeskirche gehen. Eine Klärung wäre dringend erforderlich, um in Zukunft Schaden an Gemeinden abzuwenden.
    Herzliche Grüße aus Chemnitz.


  • #3

    Günter Riedel (Sonntag, 12 Juni 2016 23:53)

    @ Frank Martin,
    wieso befremden Sie die Aussagen von Frau Bosse-Huber?
    Ich verstehe sie so, dass viele Dinge, die wir heute akzeptieren oder ablehnen, biblisch begründbar sind und wir eine Ablehnung nicht unbedingt biblisch begründen müssen. Oder interpretiere ich da was falsch?

  • #4

    Frank Martin (Montag, 13 Juni 2016 09:33)

    Sehr geehrter Herr Riedel,
    vielleicht ist es ein Verständigungsproblem. Ich sehe keine Notwendigkeit, die Frauenordination biblisch zu begründen. Genauso sehe ich bei vielen anderen Fragen keine Notwendigkeit, diese biblisch zu begründen oder zu rechtfertigen. Im Gegenteil: Wenn ich dies tue, rechtfertige ich schon die Fragestellung resp. die Infragestellung. Im konkreten Falle würde eine biblische Begründung die Vermutung nahelegen, daß es solch einer Begründung bedürfe, weil die Frauenordination infrage stünde. Sie steht aber nicht infrage!
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #5

    Günter Riedel (Montag, 13 Juni 2016 10:10)

    Sehr geehrter Herr Martin,
    ich teile voll und ganz Ihre Meinung und ich habe Frau Bosse-Huber auch so verstanden.
    Schöne Grüße
    Günter Riedel