Der Forumsblog: Markus und ich oder wie das Miteinander gelingen kann

Markus und ich haben uns im Studium in Leipzig kennengelernt. Wir hatten damals meiner Erinnerung nach nicht allzu viel miteinander zu tun, bewegten uns in verschiedene Glaubenswelten und Freundeskreisen. Markus gehörte dem „evangelikalen Lager“ unter den Studierenden an...

... und war in der Andreasgemeinde unterwegs. Damit hatte ich nun – schon von Haus aus – so gar nichts am Hut. Stattdessen entdeckte ich im Laufe des Studiums mehr und mehr die philosophische Theologie für mich. Ich wechselte von Leipzig nach Berlin, später dann nach Halle, las dort mit Begeisterung Kant, Schleiermacher und Tillich und hatte Markus längst vergessen.

 

Aber wie das Leben so spielt … Als ich meine erste Pfarrstelle in Schmannewitz antrat, traf ich Markus wieder. Er war der Pfarrer der südöstlichen Nachbargemeinden. Nun trafen wir naturgemäß regelmäßig aufeinander: Im Pfarrkonvent, bei regionalen Dienstbesprechungen, in Nachbarschaftsgottesdiensten. Schon bald merkten wir, dass es in unseren schrumpfenden Landgemeinden wenig Sinn macht, wenn jede und jeder  ein eigenes Süppchen rührt. Und so begannen wir irgendwann verstärkt zusammenzuarbeiten, v.a. in der Männer- und der Konfirmandenarbeit.

 

Erstaunlicherweise ging das von Anfang an besser als gedacht. Und so manches Mal hab ich zu meinem Mann gesagt hab, dass ich damit nie und nimmer gerechnet hätte und dass es doch sehr erstaunlich sei, wie zwei Menschen, die theologisch so unterschiedlich ticken wie Markus und ich, so gut zusammen arbeiten können. Natürlich sind mir unsere unterschiedlichen Ansichten sehr präsent. Ich zucke regelmäßig zusammen, wenn Markus im Konfirmandenunterricht das Vokabular der mir aus meiner Erzgebirgszeit vertrauten christlichen Bekehrungsrhetorik verwendet. Ich schüttle den Kopf, wenn er von missionarischen Großveranstaltungen träumt. Seine Fürbitten sind länger als meine Predigten und zum Thema „Homosexualität“ haben wir sehr unterschiedliche Ansichten.

 

Ich bin mir sicher, dass es ihm mit mir auch so geht.

 

Aber all das beeinträchtigt unsere Zusammenarbeit nicht. Ja mehr noch: Es gibt Dinge, die ich an meinem Kollegen bewundere. Ich merke, dass seine Art zu glauben und theologisch zu denken bestimmte Menschen anzieht und begeistert. Ich bewundere sein Können auf der Gitarre, ich staune wie gut es ihm gelingt, eine Konfirmandenstunde in einem freien Gebet abzuschließen. Ich mag an ihm, dass er bereit ist, sich mit anderen Positionen auseinanderzusetzen. Er versucht zu verstehen, wie ich von Gott denke oder der Bibel oder Jesus (und ich tue das umgekehrt genauso) und er spricht mir nicht meinen Glauben ab, wenn ich anderer Meinung bin als er selbst.

 

Einmal hat er mir sein Leid geklagt über einige Christen, die sich nicht so in der Gemeinde engagieren, wie er es gerne hätte. Da hab ich ihm gesagt: „Markus, leidest du nicht vor allem daran, dass nicht alle so glauben wie Du?“ Am Abend bekam ich eine Email von ihm. Darin stand: „Vielen Dank für deine Worte. Ich glaube, vorhin hat Jesus durch dich gesprochen.“

 

Ich freu mich schon auf unseren nächsten gemeinsamen Männerkreis!

 

Kathrin Mette

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Markus Gnaudschun (Donnerstag, 26 Mai 2016 13:30)

    Kathrin hat unser Miteinander wirklich treffend beschrieben. Danke, Kathrin – auch für die vielen Blumen des Lobes.
    Auch theologisch fühle ich mich treffend wiedergegeben – und verstanden. Ja: Verstanden.
    Ich finde, das zeichnet unser Miteinander aus: Den anderen hören, verstehen wollen – und verstehen. Ich profitiere sehr von der unterschiedlichen Sicht meiner Kollegin und Schwester im Glauben Mette. Theologisch sind wir wirklich sehr unterschiedlich, aber das ist für unsere gemeinsame Arbeit super praktisch! In allen Kreisen, die wir zusammen halten, haben die TeilnehmerInnen dadurch automatisch ein weites Spektrum, können unterschiedliches hören und für sich ihre Position bilden. Gerade in der Konfirmandenarbeit empfinde ich das als sehr vorteilhaft.
    Meine Bereitschaft, andere theologische Meinungen verstehen zu wollen, ist erst im Laufe des Theologiestudiums gewachsen. Zu Anfang meines Studiums habe ich gesagt: "Wer nicht glaubt, dass Gott die Welt in sieben Tagen erschaffen hat, der ist kein Christ." Ich traue meinem Gott heute noch immer das mit den sieben Tagen zu, aber weiß: Es kann auch ganz anders sein.
    Dieses Bewusstsein "Es kann auch ganz anders sein" findet sich nun in vielen meinen Positionen wieder. Ich höre die Argumente, sehe: in sich sind sie schlüssig, sage: würde ich in den gedanklichen Schuhen meines Gegenübers laufen – inkl. des Weges, den die Schuhe schon gelaufen sind, ich würde so denken wie mein Gegenüber.

    Mit Kathrin lässt sich gut reden, und viel lernen.
    Wir können miteinander, weil die Haltung auf Gegenseitigkeit basiert.

    Trotzdem ist es so, dass ich manche Dinge anders sehe, anders sage, anders mache. Bewusst. Solange, wie ich die Dinge so sehe, wie ich sie sehe. Manches will und kann ich nicht akzeptieren. Doch das ist ja der Unterschied zwischen Akzeptanz und Toleranz. Oder akzeptiere ich schon...?