Bekenntnis

Bekenntnis und Macht(versuche). Bekenntnis I

Einigermaßen erstaunlich mutet an, daß heute von konservativer und evangelikaler Seite immer wieder mal betont wird, Pfarrer*innen hätten sich doch in ihrer Ordination auf die Bekenntnisse ver­pflichtet – und damit seien viele Diskussionen über Schriftverständnis und kirchliche Praxis hinfäl­lig. Solche Vorstellungen wirken seltsam bei evangelischen Theolog*innen – ich empfinde sie als restaurativ. Als wäre ein Verweis auf die Vergangenheit oder auf alte Texte ausreichend, um heutiges Verhalten zu legi­timieren oder um Fragen und Probleme der Gegenwart ignorieren zu dürfen. Das ganze erinnert nicht nur an die Feststellung: "Wir haben ein Gesetz und nach dem Gesetz muss er sterben, denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht." In ähnlicher Weise argumentieren ideologische Gruppen mit dem Verweis auf ihre Wahrheiten – als wäre damit schon etwas geklärt und man selbst gerechtfertigt im eigenen Tun.

 

Mit den Bekenntnissen ist es aber wie mit der Bibel und allen anderen Texten – sie müssen ver­standen und eingeordnet – auch kritisiert und in Frage gestellt werden; ja, manchmal sogar abge­lehnt werden, wenn sie dem Evangelium Jesu Christi, welches sie im besten Falle bezeugen, widersprechen.

 

Wenn Vertreter*innen der SBI oder auch der Landesbischof Dr. Rentzing, die wegen ihres Schrift­verständnisses – welches sich auch in ihrer Haltung zu homosexuell empfindenden Menschen zeigt – Kritik erfahren, heute darauf hinweisen, daß jede Pfarrerin, jeder Pfarrer sich ja auf die Bekenntnisse verpflichtet hätte, erscheint das wie eine Drohkulisse. Wer widerspricht, stellt sich gegen die Kirche, der man sich ja verpflichtet hat. Für Pfarrer*innen wird da eine dienstrechtliche Dimension sichtbar, die wohl mindestens zur Vorsicht mahnen soll – wenn nicht zu Duckmäusertum.  Und in der Tat: So sind die meisten Bekenntnisse unter anderem auch zu verstehen gewesen. Bekenntnisse sind von Anfang an nicht nur Bekundungen des eigenen Glaubens; sie waren von je her auch Abgrenzungsdokumente, verbunden mit einem Drohpotential. Dies soll im Folgenden kurz ausgeführt werden.

 

Schon im Neuen Testament findet sich ein Zusammenhang von Bekenntnis und Abgrenzung/ Drohung. Dazu ein kurzer Blick in den 1. Johannesbrief. Kaum ein Text des Neuen Testaments betont so die Liebe, die Glaubensgeschwister einander schulden – ja, so weit geht der Schreiber, daß er die Liebe zu Gott, die wir nur behaupten, aber niemals beweisen können, an der Liebe zu den Geschwistern festmacht, die sich zeigen muß in Taten (1.Joh 4, 20). Und zugleich werden die, die eine abweichende Meinung oder Glaubensüberzeugung haben, aus der Gemeinde ausgestoßen und als Antichristen bezeichnet, denen dann auch niemand mehr Liebe schuldig sei. Fairerweise – diese Vorwürfe waren zumeist gegenseitig. Im Verwerfen der anderen waren alle Kinder des Lichtes und der Liebe schon immer stark.

 

In der Alten Kirche zeigt sich diese Ausgrenzungs- und Disziplinierungsidee in einigen Auseinandersetzungen sehr deutlich. In seiner Schrift "Die Prozeßeinreden gegen die Häretiker" formuliert Tertullian das. Die Glaubensregel (das Glaubensbekenntnis) und das Festhalten an ihr ohne jedes Nachfragen wird zum alleinigen Kriterium des rechtmäßigen Glaubens. Verbunden damit ist die Aussage, daß nur, wer dieses Bekenntnis glaube und unter diesem Bekenntnis stehe, in der Lage sei, sachgemäß die Schrift zu lesen. In diesem Sinne kann Tertullian aber auch geradezu vor der Schrift warnen. "Dein Glaube, heißt es, hat dir geholfen, nicht die Vertrautheit mit der Hl. Schrift. Der Glaube ist in der Glaubensregel niedergelegt; er umschließt das Gesetz und, infolge der Beobachtung des Gesetzes, das Heil. Die Vertrautheit mit der Schrift aber wurzelt im Grübelgeiste und erwirbt nichts weiter als Berühmtheit infolge des Strebens nach Kenntnissen." Und weiter heißt es dann: "Die Wißbegierde weiche dem Glauben, die Ruhmsucht weiche dem Seelenheil! Wenigstens sollen sie ihm nicht hinderlich sein, oder wenigstens Ruhe halten. Nichts gegen die Glaubensregel wissen, heißt alles wissen." Die Schrift zu lesen oder auszulegen sei denen überlassen, die dazu berufen seien, für die anderen reiche es, an der Glaubensregel festzuhalten. In diesem Sinne sei auch nicht mit Häretikern zu diskutieren, die einen von der Regel abweichenden Glauben hätten.

 

Interessanterweise findet sich bei Luther und den Reformatoren dann eine ähnliche Bewegung. Nachdem Luther die Bibel übersetzt und damit allgemein zugänglich gemacht hatte, mußte er fest­stellen, daß die Folgen andere waren als erwartet. Es stellte sich heraus, daß einige ganz andere – und natürlich falsche –  Schlüsse zogen. Dies war ein wichtiger Grund für die Reformatoren, die theologische Ausbildung voranzubringen. Einher damit ging eine weitreichende Entmündigung der Glaubenden, die zwar am allgemeinen Priestertum aller Gläubigen teilhatten, aber keine Kompetenzen in der Schriftauslegung bekamen – vielmehr das Ziel kirchlicher Unterweisung im Sinne des – nunmehr – reformatorischen Bekenntnisses wurden. Denn nur im Lichte des reforma­torischen Bekenntnisses konnte die Bibel recht verstanden werden. Damit wird zugleich ein sehr grundlegendes Problem dieser Hermeneutik deutlich, welches sich in der heutigen Forderung nach Bekenntnistreue zeigt. Die Bibel als Norm des Bekenntnisses wird zugleich durch das Bekenntnis ausgelegt. Die normierende Norm – die Bibel – welche die normierte Norm – das Bekenntnis – normiert, wird durch die normierte Norm normiert und normativ ausgelegt. Die Bibel bestimmt das Bekenntnis, das Bekenntnis bestimmt, wie die Bibel zu verstehen ist. Das ist selbstreferenziell. Das, was begründet werden soll, begründet das, was begründen soll. Und wer dem Bekenntnis nicht folge, sei auszugrenzen. Da ist es nur ein schmaler Grat zu 'ausmerzen'. Und das ist keine Polemik, sondern eine historische Erfahrung. Ganz nebenbei geht diese Vorstellung davon aus, daß das, was bei der Bibel nötig sei, bei den Bekenntnissen nicht nötig sei – die Auslegung. Auch die Bekenntnisse verstehen sich nicht von selbst.

In Folge der christologischen Auseinandersetzungen kam es in der Alten Kirche zu Bekenntnis-bildungen, die mit deutlichen Ausgrenzungs- und Verwerfungsaussagen verbunden waren. Diese finden sich zwar noch nicht in den Texten, wohl aber in den Verlautbarungen im Umfeld der Texte. Im Zuge der Übernahme zivilreligiöser Funktionen durch das Christentum wurde die Einheit der Kirche zum Ziel staatlichen Handelns – die Abweichung vom Bekenntnis dadurch mehr und mehr zu einem Akt des Staatsverrates.

 

Die Mittel, mit denen Gegner*innen diskreditiert wurden, ließen nicht mehr viel von dem spüren, was im 1. Johannesbrief noch zentral war – der Liebe zu den Geschwistern; vom Evangelium gleich ganz zu schweigen. Und nachdem sich eine Partei durchgesetzt hatte, wurde das Bekenntnis für die Untertanen verpflichtend. Abweichungen wurden als staats-, glaubens- und seelenheilgefährdend betrachtet. Damit ist nichts über den Inhalt des Bekenntnisses gesagt. Aber an der Treue zum Bekenntnis wurde die Beziehung zu Gott festgemacht. Und an der Treue zum Bekenntnis wurden mehr und mehr die Möglichkeiten festgemacht, als Teil der Gemeinschaft/ Gesellschaft leben zu können. Renitenz wurde potentiell tödlich, auf jeden Fall gefährlich.

 

Dazu ein Beispiel aus dem 12. Jh, welches sich gut als Folie für heutige Vorstellungen nutzen läßt. Einer der bedeutenden mittelalterlichen Theologen – Petrus Abaelardus – hatte eine Abhandlung geschrieben, die zum Gegenstand eines Ketzerprozesses wurde. Das Buch wurde ohne ausreichende Nachweise verurteilt, Petrus Abaelardus wurde gezwungen, es selbst ins Feuer zu werfen. Im Anschluß sollte er das dem Athanasius zugeschriebene Glaubensbekenntnis aufsagen.

 

Im Text heißt es dann: "» … Doch vielleicht dürfte es sich empfehlen, dass dieser unser Bruder sei­nen Glauben vor allen bekenne, damit er, wie es jeweils erforderlich ist, gebilligt oder missbilligt und verbessert werde.« Als ich mich zum Bekenntnis und zur Darlegung meines Glaubens erhob, um das, was ich dachte, in eigenen Worten auszudrücken, da riefen meine Gegner mir zu, ich brauche nur das Athanasianische Glaubensbekenntnis herzusagen, was jedes Kind ebenso gut hätte tun können. Und damit ich nicht etwa Unkenntnis als Entschuldigung vorschützen könnte, als wisse ich den Wortlaut nicht auswendig, ließ man mir den geschriebenen Text zum Vorlesen her­beitragen. Unter Seufzern, Schluchzern und Tränen las ich, so gut ich konnte. Hierauf wurde ich wie ein überführter Verbrecher dem Abt von Saint-Médard, der auf dem Konzil anwesend war, übergeben und in dessen Kloster wie in mein Gefängnis abgeführt. Das Konzil selbst wurde so­gleich aufgelöst."

 

Bekenntnistreue, die sich blind an einen Text hält, ersetzt Denken und Verstehen und angemessene Auseinandersetzung mit der Tradition. Besonders pikant wird der Vorgang, wenn man sich vor Augen führt, daß dieses Bekenntnis des Athanasius mit eben sehr deutlichen Verwerfungsformeln arbeitet, die im Bekenntnis von Nicäa-Konstantinonopel noch fehlen. Das  Bekenntnis beginnt mit den Worten: "Jeder, der da selig werden will, der muss vor allem den katholischen Glauben festhalten. Jeder, der diesen nicht unversehrt und unverletzt bewahrt, wird ohne Zweifel auf ewig verloren gehen." Und es endet noch einmal mit einer Verstärkung: "Dies ist der katholische Glaube. Jeder, der ihn nicht aufrichtig und fest glaubt, kann nicht selig werden."

 

Nicht erklären, nicht verständlich machen – keine kritische Auseinandersetzung erwünscht. Denken und Wissen schaden nur. Das ist – so empfinde ich es - restaurativ. Ist es wirklich das, was die Vertreter*innen der SBI und Landesbischof Dr. Rentzing wollen, wenn sie darauf hinweisen, daß sich alle Pfarrer*innen auf die Bekenntnisse verpflichtet haben? Diese Rückzugsgefechte zeugen weder von Vertrauen in die Kraft des Heiligen Geistes noch nützen sie etwas. Die Methoden des theologischen und philosophischen Arbeitens, die Petrus Abaelardus anwandte, setzten sich kurze Zeit später durch, ohne, daß konservative Kräfte dies hätten verhindern können. In gleicher Weise konnte die intensive und fruchtbare Auseinandersetzung mit Aristoteles, der in dieser Zeit das Denken im Abendland im hohen Maße beeinflußte und veränderte, von den konservativen Kräften die mittelalterlichen Hierarchie nicht verhindert werden – und ebenso wenig in späterer Zeit die kritische Auseinandersetzung mit den biblischen Texten, wie sie in der historisch-kritischen Methode zum Ausdruck kam, oder die historische Auseinandersetzung etwa mit den Bekenntnissen der Kirche, die diese Bekenntnisse – zu recht – in gewisser Weise relativierte, weil in einen historischen Kontext einordnete. Interessanterweise ist es ja auch die Ablehnung dieser Methoden, die sich bei einigen Vertreter*innen der SBI und des evangelikal-fundamentalistischen Lagers mit der Forderung nach kritikloser Bekenntnistreue verbindet. Doch so verständlich der Wunsch nach Konservierung vergangener Glaubensformen sein mag – mir erscheint es weder hilfreich noch erfolgversprechend noch evangelisch. Eher wirkt es wie der Versuch, die Augen zu verschließen, weil man der eigenen Zeit hilflos und ängstlich gegenüber steht.

 

Wirklich problematisch aber wird es, wenn eine Gruppe innerhalb der Evangelischen Kirche ihre Sichtweise absolut setzt und dann versucht, diese durch eine Drohkulisse normativ zu machen. Das ist dann nicht nur hilflos und traurig, das ist kirchenspaltend. Dem gilt es, in aller Klarheit entgegenzutreten.

 

Dabei geht es nicht darum, ihnen ihre Sichtweise zu verbieten, wohl aber darum, Menschen vor ihrer Sichtweise in Schutz zu nehmen. Denn weder die Berufung auf Bekenntnisse noch auf die Bibel als Ganze oder das Evangelium im Besonderen rechtfertigen es, andere zum Opfer der eigenen Glaubensbedürftigkeit zu machen. Das ist eine der vielen Lehren, die wir als Christ*innen der Evangelisch-Lutherischen Kirche aus unserer Geschichte zu ziehen haben. Und diese normative Berufung auf die Bekenntnisse oder das Evangelium ist nichts anderes als ein Mißbrauch zur Durchsetzung eigener Interessen, die normativ gemacht werden sollen.

Frank Martin

 

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Der Text dieses Artikels von Frank Martin mit Fußnoten und Literaturverweisen:
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Kommentare: 62
  • #62

    Sascha Wildenhain (Dienstag, 05 Juli 2016 22:03)

    Sehr geehrter Herr Tommy,

    vielen Dank für Ihre Offenheit, die ich schätze und ich möchte Ihnen auf dieser Ebene antworten und für heute noch ein wenig erweitern. Ich denke, die 40 Jahre DDR- die noch nicht einmal im Ansatz aufgearbeitet worden sind, weder "gesellschaftlich" (was immer das auch sein mag), als auch in vielen Fällen auf der persönlichen, individuellen Ebene haben uns alle hier "im Osten" geprägt. Täter, Opfer, schuldig gewordene Menschen, die verstrickt waren ins System und im Nachhinein erkennen können, daß sie selbst auch beschädigt worden sind...
    Gedemütigte, beschädigte Menschen, die so viele, tief gehende Verletzungen erlitten haben, dass Frustration, Traumatisierung bis hin zum Hass lebensbegleitend geworden sind. So viele Gespräche und Erlebnisse habe ich in den vergangenen Jahrzehnten zu diesem Thema gehabt, dass es hier viel zu weit führen würde, dies bis ins Detail zu thematisieren, obwohl es doch so wichtig wäre. Meinem Vater, der nach außen hin kein Christ ist, - jetzt wird es kurz sehr persönlich- habe ich vor einigen Jahren mal das Buch "Der Mann, bei dem Honecker wohnte" geschenkt, meine Hochachtung vor der menschlichen Größe von Pfarrer Uwe Holmer, dem Autor dieses Buches.
    Wer hätte das in diesen Zeiten schon auf sich genommen, den Hauptverantwortlichen für viele Verbrechen bei sich im Wohnhaus aufzunehmen? Nun las ich von Pfarrer Holmer : "Die 40 Jahre DDR, das war Gottes Strafe für unsere unsagbaren Verbrechen, die wir dem jüdischen Volk angetan haben!".
    Da bin ich einigermaßen baff, denn wenn ich diese Aussage zu Ende denke, dann bedeutet diese Interpretation dieses Abschnitts unserer Geschichte für mich, das es zwangsläufig so hat kommen müssen und wir darüber überhaupt nicht zu klagen brauchen. Wie gesagt, dies sind Worte bzw. schriftlich fixierte Gedanken von Menschen, die ihren Glauben sehr "fundamental" leben.
    Bei mir würden da 1000 Fragezeichen stehen bleiben.
    Nochmal kurz zu mir:
    An meinem 30. Geburtstag habe ich mich taufen lassen, da war ich auch noch offener als heute, weil ich noch nicht so viele Bösartigkeiten der Menschen kennen gelernt hatte. Mittlerweile habe ich 3 kleine Kinder, bin verheiratet, habe 2 Berufsabschlüsse, im hiesigen Kirchenvorstand engagiert, bin voll berufstätig, habe zwischendrin das theologische Fernstudium absolviert und darf predigen (mit 1000 Fragezeichen). Nebenbei spielen mein Kabarettpartner und ich Kabarett, um unter anderem Menschen zum Nachdenken und Lachen zu bringen. Keine Selbstbeweihräucherung, ich möchte nur Ihre Offenheit erwidern und vielleicht einen Beitrag dazu leisten, dass die unterschwelligen Aggressionen, die ich hier in vielen Dialogen und Schlagabtauschen spüren kann, vielleicht irgendwann abklingen, wenn die Gesprächspartner das Bild vom anderen Menschen wertschätzen lernen. Deshalb auch meine Bitten an Sie, darüber nachzudenken, sich theologisch weiter zu bilden. An dem, was Sie über sich beschreiben, sehe ich doch, wie ernst es Ihnen ist mit Ihrem Glauben und wie intensiv Sie sich engagieren. Mir geht es ähnlich, aber ich habe möglicherweise eine ganz andere Gotteserfahrung gemacht als Sie. Welche Gotteserfahrung habe ich gemacht? Matthäus 5, 43-45. In einer Zeit, in der nicht wenige Menschen -für mich nachvollziehbar- den einen oder anderen Menschen sehr gerne an einer Laterne aufgehängt hätten, habe ich die unerhörte Erfahrung machen dürfen, dass es CHRISTEN gibt, die, wenn ringsumher sehr viel Euphorie bis hin zur Revolutionsstimmung entstehen, mit mir in ihrem Wohnzimmer sitzen, meine Verzweiflung spürten und mich einfach wortlos für den Moment in ihre Mitte aufnahmen. Ist das nicht wunderbar? Kann denn vorgelebte Christusnachfolge beispielhafter sein? Viele Christen tragen Gott oft vollmundig auf ihren Lippen. Gott und Jesus werden oft im Munde geführt oder es wird mit leicht vorwurfsvollem Unterton gefragt: "Und, WIE IST DEINE GANZ PERSÖNLICHE BEZIEHUNG ZU UNSEREM HERRN JESUS CHRISTUS?". Wenn ich dieses Frage von Menschen an mich gerichtet höre, zieht sich meine Seele jedes Mal in mein Innerstes zurück und ich muss an den Film "Und alle haben geschwiegen" (kann im Internet geguckt werden) werden.
    Ich persönlich habe das in Stunden größter seelischer Bedrängnis ganz anders erlebt, ganz anders. Still, bescheiden, voller Liebe und unaufgedrängter Missionierungsabsichten. Diese wunderbar sensiblen Christen von damals haben einfach nur mein ganz persönliches Elend in der aktuellen Situation gefühlt und haben mir TROST gespendet, OBWOHL sie allen Grund gehabt hätten, ALS MENSCHEN schadenfroh zu sein. Diese sehr tief gehenden Erkenntnisse sind mir alle erst viel später gekommen. Meine Bitte an alle "christlichen Hardliner": Lasst ab vom "harten Christsein", lebt es vor, was Jesus vorgelebt hat. Das-für sich genommen- ist schon eine Lebensaufgabe.

    Mit freundlichen Grüßen
    Sascha Wildenhain

  • #61

    Tommy (Sonntag, 03 Juli 2016 21:33)

    Sehr geehrter Herr Wildenhain, ich bin ein paar Jahre älter und habe wohl mehr DDR - Erfahrung. Da ich von klein auf in einem christlichen Elternhaus Glauben kennen lernen und erleben durfte, auch aus eigenem Antrieb und Willen zur Konfirmation ging, den _Wehrdienst mit der Waffe verweigerte, war mir ein "höherer Bildungsweg" ohnehin verbaut, ich habe in einem kleinen Handwerksbetrieb gelernt. Viel Kontakt und viele gute Gespräche zu mehreren gläubigen Pfarrern prägten meine Jugend und das frühe Erwachsenenleben. Meine Frau lernte ich auf einer Osteuropareise kennen, ihre Eltern haben dort das Evangelium verkündet. Im Moment arbeite ich neben meinem Beruf (ca. 50 - 60 Stunden pro Woche) im Kirchenvorstand unserer Kirchgemeinde, einer Lebensrechtsorganisation, der Betreuung krebskranker Kinder, eines davon in Palliativbetreuung und im Hauskreis unserer Gemeinde, nebenbei noch Haus, Hof und Garten.... Für Freizeit und anderes fehlt mir beim Besten Willen im Moment die Zeit.
    Einen sehr guten Austausch über geistliche Themen habe ich in unserem Hauskreis und auch in christlichen Bekanntenkreisen....
    viele Grüße Tommy

  • #60

    Sascha Wildenhain (Samstag, 02 Juli 2016 21:39)

    Sehr geehrter Herr Tommy,

    bitte nicht missverstehen. Ich bin Jahrgang 1973, ich bin nicht traditionell christlich sozialisiert, ich habe die 10 Schuljahre in der POS "Willy Mehlhorn" hinter mir, mehrere Berufsausbildungen abgeschlossen, aber keinen "geradlinigen" höheren Bildungsweg eingeschlagen, bin eher so der autodidaktische Typ. Momentan haben wir 3 kleine Kinder, als ich das KFU- Studium angefangen und auch gut abgeschlossen habe, da heiratete ich auch mittendrin und wir bekamen unseren ersten Sohn. In dieser Zeit bin ich auch ununterbrochen erwerbstätig gewesen, genau wie meine Frau, das Argument lasse ich an dieser Stelle-ich hoffe, Sie sehen mir dies nach- nicht gelten. Noch einmal, ich bitte Sie darum, mir das ernsthaft abzunehmen: Wagen Sie diesen Schritt, lassen Sie sich theologische Bildung kostenlos angedeihen, Sie werden es rückblickend nicht bereuen. Man braucht eine Struktur, Lehrer, Dozenten und Mitstudierende, mit denen man sich austauschen, denen gegenüber man sich auch mal "auskotzen" kann. Aber sehr wichtig auch: Sie würden sich weiter entwickeln im Wissen um Ihren Glauben. Vielleicht finden Sie ja die Kraft, diesen Schritt zu gehen.

    Freundliche Grüße!
    Sascha Wildenhain

  • #59

    Sascha Wildenhain (Samstag, 02 Juli 2016 21:27)


    Guten Abend allerseits,

    Ein Liedtext, zur Inspiration für alle.

    WAS MAN ALLEN ALLES SAGEN KÖNNTE

    Ein Lied des leider schon verstorbenen Wiener Kabarettisten Georg Kreisler
    Text+ Musik: Georg Kreisler
    -------------------------------------------------------------------------------------------------------
    Was man allen alles sagen könnte, wenn man sagen könnte, was man sagen könnte, wenn man wissen dürfte, dass schon alle wissen, was man sagen könnte oder zeigen.

    Würden alle allen alles sagen, würden alle sagen, dass sie alles sagen, wenn sie wissen dürften, dass schon alle wissen, was man sagen könnte oder schweigen.

    Alle wissen, was man sagen könnte, wie man den und jenen überragen könnte, so wie alle wissen, das man wissen könnte, das sie wissen könnten, was man weiß.

    Jedem wird ein wenig heiß
    Jeder schwitzt ein bisschen Schweiß
    Klein ist der Sinn
    Aber groß der Verschleiß!

    Wenn man nur mit allen reden könnte, wie man reden könnte, wenn man reden könnte, wenn man einfach jeden überreden könnte, alles so zu lassen, wie es war.
    Aber da doch jeder ahnen könnte, jedem schwanen könnte, was man planen könnte, ihn im Innersten an was gemahnen könnte, sagt man gar nichts, außer:

    „Wunderbar!“

    Drüben geht wer, missversteht wer, ich erreich` ihn nicht- er lacht…
    Manche streiten, andre gleiten mit ihrem Feigenblatt bei Nacht.

    Wo der Fink blüht und der Fliederbusch, suchen Neidige, was sie schuldig sind, wo der Hass einen Strich durch die Landschaft macht, weht ein Leichentuch im Wind.

    Und das Eis wächst und der Kreis wächst, den man weiter geht, das Gesicht verzerrt,
    Und ein Wirt lädt uns alle zum Essen ein, doch die Türe bleibt versperrt.

    Wenn man alle einfach wecken könnte, sie mit irgendetwas sehr erschrecken könnte und gemeinsam einen Weg entdecken könnte, doch sie wissen nicht mal, wie ich heiße.

    Wenn man einmal ehrlich lächeln könnte, wenn die Luft so wär`, dass man sich fächeln könnte, nicht ersticken müsste, nicht mehr röcheln könnte, aber alle bleiben in der Scheiße.

    Angsterfüllt, dass was misslingen könnte, dass man irgendwann sich nicht mehr zwingen könnte und dann jeder seine Hände ringen könnte oder fragen: „Was ist Dein Problem?“ Nimm nicht alles so extrem, mach Dir`s doch bei uns bequem!

    Warm ist das Wort, aber kalt das System.

    Wenn man dann vielleicht erwachen könnte, etwas machen könnte, drüber lachen könnte, doch dann necken sie Dich, dann verdrecken Sie dich und dann blecken Sie Ihr Portemonnaie.

    Und wenn man`s nicht mehr ertragen könnte, nichts mehr wissen wollte, nichts mehr fragen könnte, wie dann jeder leichten Herzens sagen könnte: „Ach wie schade aber! Tschüss! Ade!

  • #58

    Tommy (Samstag, 02 Juli 2016 21:20)

    Sehr geehrter Herr Wildenhain, sicher haben Sie beim lesen übersehen, daß ich unter #41 geschrieben habe, daß ich 10 Klassen der POS besucht habe. POS steht für Polytechnische Ober Schule, die Schule der DDR, daher kenne ich das Lied und die DDR - Propaganda zur Genüge.
    Ich schreibe so, wie ich es meine, einfach, ohne Hintergedanken, die studierte Menschen da wohl gerne hineindeuten. Für mich ist es einfach dehr schwer vorstellbar, wenn ein gläubiger Mensch - noch dazu ein studierter Pfarrer, - das Glaubensbekenntnis spricht und es dabei für möglich hält, daß sein ganzer Glaube ein Irrtum ist, daß Moslems, Hindu´s oder Atheisten Recht haben könnten.
    Vielen Dank für den Hinweis auf das kirchliche Fernstudium, im Moment bin ich mit Familie, Beruf, kirchlichem Ehrenamt und anderem sehr, sehr eingespannt, hatte mich aber vor einiger Zeit schon mal für die FTA interessiert.
    Viele Grüße und vielen Dank
    Tommy

  • #57

    Frank Martin (Samstag, 02 Juli 2016 18:57)

    Sehr geehrter Herr Wildenhain,
    herzlichen Dank für Ihre freundlichen Worte, die mich beschämen, weil ich merke, daß ich vielleicht doch zu ungeduldig werde. Ich will mich gerne wieder in die Pflicht nehmen, weil ich zum Gespräch keine Alternative sehe.
    Ich kann gut nachvollziehen, was Sie zum Wissen schreiben. Das ist aber für manche manchmal ein langer Weg, der mit Ängsten besetzt ist – besonders, wenn das Vertrauen zu Gott fehlt.
    Manchmal denke ich: Muslime, Juden, Atheisten … kann ich mir als Freund*innen suchen. Christ*innen werden mir als Geschwister zugemutet. Die suche ich mir nicht aus. Die gibt mir Gott als Aufgabe – und mich ihnen. Ein Grund, warum ich mich bei aller Klarheit und Abgrenzung gegen manche Meinung gern um die Einheit unserer Kirche bemühe.
    Vielleicht ergibt sich ja mal eine persönliche Begegnung -
    herzliche Grüße
    Frank Martin

  • #56

    Sascha Wildenhain (Freitag, 01 Juli 2016 22:49)

    Sehr geehrter Herr Martin, sehr geehrter Herr Tommy,

    nachdem ich mir jetzt soeben die Mühe gemacht habe, ihre Dialoge nachzulesen muss ich schon sagen: Hut ab vor Langmut, Freundlichkeit, liebevoller Zugewandtheit und Interesse Herrn Martins am Denken und Fühlen von Herrn Tommy. Ich mache keinen Hehl daraus: das reflektierte und sensible Denken und Argumentieren von Herrn Martin spricht mich sehr tief an und wenn ich überschlage, wieviel Zeit sich hier genommen wird, um sich ernsthaft und sorgfältig dem Meinungsstreit zu widmen, nicht abzuspeisen, zu ignorieren, auszusitzen oder sich gegenseitig unflätig zu beschimpfen, wie das ja leider in den letzten Monaten exorbitant hochgekocht ist (Pegida, AfD, unzählige politisch sehr weit rechts stehende Vereinigungen und auch leider "Fraktionen und Gruppierungen "in unserer Landeskirche.), dann ist das umso höher zu schätzen, wie sich hier in diesem Forum DEM NIVEAU der Auseinandersetzung gewidmet wird.
    Sehr geehrter Herr Tommy,
    ich zitiere Ihren Eintrag unter # 37:"Tommy (Montag, 20 Juni 2016 21:21)

    Sehr geehrter Herr Martin, wie können Sie als Pfarrer dann das Glaubensbekenntnis sprechen, wenn es für Sie denkbar ist, daß Sie mit Ihrem Glauben nicht Recht haben?
    Ich kann mir das nicht vorstellen, ich bin mir zu 100 % sicher, daß Gott die Welt und die Menschen geschaffen hat, daß Jesus Gottes Sohn ist und für mich am Kreuz gestorben und dann auferstanden ist. Jesus selbst sagt:" Ich bin der Weg, die Warheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn - NUR - durch mich." Ohne dies wäre die Bibel nich das Papier wert, auf das sie gedruckt wurde, Ihr jahrelanges Theologiestudium für die Katz...
    Viele Grüße Tommy

    Ihre Wortwahl zeigt mir eines ganz deutlich: Sie sollten sich bilden. Ich meine diesen Satz nicht überheblich oder von oben herab oder irgendwie klugscheißerisch, nein ich meine es so, daß ich es Ihnen wünsche, daß Sie sich im Denken, Fühlen und Glauben sensibilisieren, so daß Sie bestimmte "Aha- Effekte" haben, die Sie unsere wahrnehmbare Wirklichkeit mit einem geweiteten Blick sehen lassen können. Was meine ich konkret?
    Ihr Eingangssatz "Sehr geehrter Herr Martin, wie können Sie als Pfarrer dann das Glaubensbekenntnis sprechen, wenn es für Sie denkbar ist, daß Sie mit Ihrem Glauben nicht Recht haben?" ist für mich ein beredtes Zeugnis dafür, daß Sie unreflektiert argumentieren. Was meine ich damit? Ganz konkret: Wenn Sie dem Sinn nach schreiben, daß Sie persönlich es
    SO INTERPRETIEREN, daß ein Herr Pfarrer Martin ein Problem damit hat, mit seinem Glauben "nicht Recht" zu haben, dann zeigt mir Ihre Wortwahl, daß Sie noch viel dazu lernen können. Es geht (meiner Meinung nach) im Kern nicht einmal ansatzweise darum, ob wir als Christenmenschen "Recht haben" oder nicht, das sind Satzbaukonstruktionen, die ausschließlich Menschen erfinden. Kennen Sie das Lied "Die Partei, die Partei, die hat immer recht!"? Gefühlt vermute ich, Sie kennen dieses schlimme Lied nicht. Es ist ein fürchterliches Lobhudellied auf die SED, vor dem sich selbst viele SED- Genossen angewidert abgewendet haben, mal kurz googeln, dann können Sie sich dieses Stück peinliche Propaganda vergegenwärtigen. Mein Rat, meine Bitte, mein freundschaftlich gemeinter Hinweis an Sie sieht so aus, daß ich Ihnen wirklich ans Herz lege, sich zum Beispiel ein KOSTENLOSES Fernstudium der Theologie des Kirchlichen Fernunterrichts (KfU) angedeihen zu lassen. Wenn Sie die Kraft, Zeit und "Größe" aufbringen, dieses hochinteressante Bildungsangebot in ihr Leben einfließen zu lassen, dann- so zumindest meine ganz persönlichen Erfahrungen- können Sie auf sehr viele -momentan noch unbeantwortete Fragen- eine Antwort bekommen oder aber auch weiter führende Fragen und Gedankenkommen in Ihr Leben und Sie können die wunderbare Erfahrung machen, Christinnen und Christen kennen zu lernen, die auf der Suche nach dem tieferen Sinn ihres Lebens hier auf diesem geschaffenen Planeten eine Bildungsstation unserer sächsischen Landeskirche als große Bereicherung erlebt haben.

    Freundliche Grüße!

    Sascha Wildenhain



  • #55

    Tommy (Freitag, 01 Juli 2016 21:49)

    Sehr geehter Herr Martin, ich versuche nicht, irgendjemandem Angst zu machen, das war und ist nie mein Bestreben. Leider wird in den sächsischen Kirchen kaum noch davon gepredigt, daß es Dinge gibt - Schuld und Sünde - die uns von Gott trennt. Nicht nur psychisch labile Menschen und Kinder, alle, auch Pfarrer, können Schuld und Sünde auf sich laden und sich dadurch selbst von Gott trennen.
    Viele Grüße Tommy

  • #54

    Frank Martin (Freitag, 01 Juli 2016 16:09)

    Sehr geehrter Herr Tommy,
    Sie können gern versuchen, kleinen Kindern oder psychisch labilen Menschen mit Gott Angst zu machen, aber doch nicht Menschen, die Gott lieben.
    Sorgen würde ich mir machen, wenn die, die sich hier als Gottes Sachwalter*innen wähnen, sich zum Richter aufschwingen – die gnadenlosen Gnadenprediger*innen. Und auch das ist ein Grund für unser Forum: Daß wir denen entgegentreten, die dies immer wieder versuchen – etwa, indem sie den Leuten Angst vor Gott machen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #53

    Tommy (Donnerstag, 30 Juni 2016 21:15)

    Sehr geehrter Herr Martin, im Alten Testament sind mehrere "Sünden" aufgeführt, auf die die Steinigung oder ähnliches steht - das wissen Sie so gut wie ich. Ob das "belanglos" ist, entscheide nicht ich, sondern Gott. "Du sollst nicht töten" ist das, was da davorsteht. In keiner Art und Weise rede ich irgendjemandem ein, daß das, was Gott "Gräuel" nennt, in Ordnung ist. Es ist und bleibt Sünde, wer sie trotz besseren Wissens tut, wer andere Menschen in ihrem Tun bestärkt und ihnen einredet, daß es "gut und richtig" ist, wird sich vor Gott dafür zu verantworten haben.
    viele Grüße Tommy

  • #52

    Frank Martin (Donnerstag, 30 Juni 2016 07:05)

    Sehr geehrter Herr Tommy,
    das finde ich ja hübsch, daß Sie mit den einen Geboten Gottes die anderen Gebote Gottes relativieren. Sie sind auf dem richtigen Weg. Warum gilt denn Ihrer Meinung nach das Gebot, Menschen aufgrund belangloser Taten zu steinigen, zu verbrennen oder sonst irgend niederzumachen, nicht mehr? Das war doch nach Ihrer Meinung auch Gottes Anordnung – oder etwa nicht? Wenn nicht – wie begründen Sie das und wo ziehen Sie die Grenze?
    Ansonsten gibt es das Gebot, seine Söhne – so man sie liebt – was man von kirchlichen Mitarbeiter*innen ja wohl erwarten darf – da es in den pseudo-paulinschen Schriften dazu auch ein Gebot gibt – zu mißhandeln. Meinen Sie, daß, wer dies nicht tut, dennoch kirchliche/r Mitarbeiter*in sein darf?
    Weder die Kirche noch ich gründen sich auf die Bibel. Das wäre ja unbiblisch. Die Bibel hat die gleiche Aufgabe wie wir. Mehr nicht.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #51

    Tommy (Mittwoch, 29 Juni 2016 22:08)

    Sehr geehrter Herr Martin, ich habe weder von Todesstrafe geschrieben noch daran gedacht, für mich stehen die Gebote davor.
    Es gibt in der Bibel klare Ablehnung von gleichgeschlechtlichem Verkehr Punkt!
    Es gibt keinerlei positive Begründung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, also kann eine Glaubensgemeinschaft, die sich auf Gott und die Bibel gründet, das nicht für richtig für ihre Mitarbeiter erklären! Wenn Sie das anders sehen, können Sie ja eine eigene Kirche gründen!
    Viele GRüße Tommy

  • #50

    Frank Martin (Mittwoch, 29 Juni 2016 06:41)

    Sehr geehrter Herr Tommy,
    es gibt keine biblische Begründung für gleichgeschlechtliche Beziehungen. Zwar werden gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften überhaupt nicht erwähnt, gleichgeschlechtlicher Sex dafür aber abgelehnt und – im AT – und da nur bei Männern – mit der Todesstrafe geahndet. Wollen Sie das eigentlich auch wieder einführen – da es dafür ja eine biblische Begründung gibt?
    Dafür gibt es aber biblische Begründungen für die Todesstrafe – s.o., Kindesmißhandlung, Massaker, Sklaverei und andere Sachen. So sieht es aus. Ich suche keine biblischen Begründungen dafür – zumal das Wissen in Sachen Biologie vor dem, was wir heute wissen, keinen Bestand mehr hat.
    Die Argumentation im Blick auf die Ewigkeit lief etwas anders: Sollten Sie mit Ihrer Vorstellung recht haben, wäre der Himmel die Hölle. Dann lieber hier wenigstens ein paar schöne Jahre. Aber weil Sie nicht recht haben, steht die Frage so nicht.
    Ja, ich persönlich bin sehr negativ gegenüber der SBI eingestellt. Ich halte sie sowohl theologisch als auch geistlich für nicht tragbar. Ich nehme aber meinen Toleranz-Gedanken sehr ernst.
    Über bestimmte Fragen bin ich nicht bereit zu diskutieren. Wenn jemand versucht, Pädophilie zu rechtfertigen, diskutiere ich auch nicht mit ihm. Und wenn sich eine Mehrheit dafür fände, wäre es immer noch falsch.
    Daß Menschen vor den Kopf gestoßen werden, muß nicht zwangsläufig schlimm sein. Irgendwann wird es Zeit, mal aufzuwachen. Und falls es Sie tröstet: Davor wurden jahrhundertelang Menschen vor den Kopf gestoßen – oder der Kopf wurde ihnen entfernt – die homosexuelle Beziehungen hatten. Vielleicht sollten Sie mit mir und Papst Franziskus erst mal die Schuldgeschichte von uns Christ*innen bedauern und um Vergebung bitten.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #49

    Tommy (Dienstag, 28 Juni 2016 21:30)

    Sehr geehrter Herr Martin, leider kommt von Ihnen einiges, aber eben keine Begründung, warum gleichgeschlechtliches Zusammenleben mit biblischer Begründung gut und richtig, zumindest aber möglich wäre. Geben Sie mir doch mal ein oder zwei klare Gründe dafür!
    Ihre Argumentation ist eigenartig, lieber hier ein paar schöne Jahre hier als eine Ewigkeit bei Jesus?
    Sie sind sehr negativ voreingenommen gegenüber der SBI, es hätte eh nichts gebracht zu reden - da brauchen wir es gar nicht erst versuchen... Das ist also Ihre Sicht von Demokratie. Doch die SBI ist nicht alles, Viele Menschen in sehr verschiedenen Gemeinden waren enttäuscht und vor den Kopf gestoßen, als die Meinung der Kirchenleitung einfach so von einem Tag auf den anderen um 180° geändert wurde - die Synode hat erst später davon erfahren.
    Viele Grüße Tommy

  • #48

    Frank Martin (Dienstag, 28 Juni 2016 07:03)

    Sehr geehrter Herr Tommy,
    und bloß, weil wir die großen Probleme, an denen wir mitschuldig sind, nicht lösen können, machen wir Menschen Probleme, die keine sind?
    Und noch einmal: Wenn Jesus so wäre, wie er mir Ihnen zu sein scheint, wäre die Ewigkeit bei ihm kein lohnendes Ziel. Dann wenigstens die 80 Jahre schön leben.
    Argumente zurückzuweisen ist so eine Sache, angemessen darauf zu antworten eine andere. Was machen Sie denn, wenn Gott wirklich so ist, wie Sie es zu glauben scheinen, und er dann zu Ihnen sagt: Warum hast du dich um Splitter bei anderen gekümmert, nicht aber um deinen Balken?
    Kann es sein, daß Sie Demokratie falsch verstehen? Menschenrechte werden nicht per Demokratie zugeteilt, sie werden gesetzt. Die Würde des Menschen ergibt sich aus dem Mensch-Sein. Und da können religiöse Fundamentalist*innen, denen die Demokratie in der Regel eh nicht viel wert ist, sich nicht gerade auf diese herausreden, wenn es ihnen nicht paßt, daß andere Menschen gleiche Rechte und gleiche Würde haben.
    Und eine letzte Frage: Hätte es denn irgendetwas gebracht, mit den Leuten zu diskutieren, die die SBI gegründet haben oder sie unterstützen? Nein, manchmal muß man etwas richtiges einfach machen – leider war es in Sachsen wieder viel zu zögerlich. Aber wir sind auf dem richtigen Weg.
    Sehr geehrter Herr Tommy, ich sehe wenig Sinn, dieses Gespräch fortzusetzen – zumal unter dem Thema "Bekenntnis". Wir haben fundamental andere Ansichten. Das können wir uns jetzt noch ein paar mal bestätigen. Aber ich fürchte, das wird nichts bringen. Mein Angebot: Lesen Sie den Text unter Kirchenpolitik noch mal. Und dann lassen Sie uns nach einer gemeinsamen Haltung suchen – wenn Sie das können.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #47

    Tommy (Montag, 27 Juni 2016 21:12)

    Sehr geehrter Herr Martin, freilich, es gibt viele Probleme und Ungerechtigkeiten auf der Welt, wir können uns da sorgen und drüber diskutieren, doch ob wir am Ende etwas erreichen? Es ist eigentlich auch nicht das Thema, um das es hier geht, da bin ich die falsche Adresse.
    Ja, es gibt ein Leben vor dem Tod, wenn es hochkommt, währt es 80 Jahre, das danach dauert eine Ewigkeit - ist es das wert, die Ewigkeit fern von Jesus zu verbringen?
    Das Wort aus MT 7 ist natürlich ein tollen Argument, genau ein solches hatte ich erwartet. Damit kann man alles rechtfertigen. Haben Sie keine wirklichen Argumente - wir müssen uns ja nicht alle möglichen Bibelzitate gegenüberstellen.
    Wieso war die Gleichstellung gleichgeschlechtlich liebender überfällig- sie sind doch nach weltlichem Recht fast gleichgestellt, warum muß die Kirche die Gleichstellung noch weiter voranbringen als die staatliche Seite - dort sind sie bis heute auch noch nicht völlig gleichgestellt.
    Mir geht es erst als zweites um den Wortlaut des Kirchenleitungsbeschlusses, mir geht es um die Art und Weise - keine Diskussion, kein Gespräch, ohne Vorabinformation der Synode, das ist dann wohl kirchliche Demokratie? Auch von Ihnen, keine Argumente, nur Forderungen und Kritik!
    Viele Grüße Tommy

  • #46

    Frank Martin (Montag, 27 Juni 2016)

    Sehr geehrter Herr Tommy,
    laut Bibel ist vieles ein Gräuel – und jeden Tag sterben Kinder auf der Flucht in ein Leben.
    Wegen Ihrer Sorge vor der Verantwortung am Ende: Es gibt auch ein Leben vor dem Tod.
    Und für alles weitere würde ich Sie gern auf ein Jesuswort verweisen: Mt 7, 3.
    Und nein, wir müssen nicht auf jede Veränderung der Welt reagieren. Leider reagieren wir auf viele schlimme Veränderungen. Aber die Gleichstellung gleichgeschlechtlich-liebender war überfällig.
    Zum Schluß ein Hinweis: Für Ihre Kritik am Beschluß der Kirchenleitung bin ich – und sind wir – die falsche Adresse. Wir kritisieren ihn nämlich auch - wenn auch aus anderen Gründen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #45

    Tommy (Samstag, 25 Juni 2016 21:10)

    Sehr geehrter Herr Martin, die Bibel spricht ausdrücklich davon, daß gleichgeschlechtlicher Verkehr dem Herrn ein Gräuel ist. Wieso sollte das keine Rolle spielen? Ein Klares Wort, eine klare Aussage, wer das trotz besserem Wissens tut, muß sich am Ende der irdischen Zeit vor Gott dafür zu verantworten haben - wer Menschen dazu verleitet oder darin bestärkt, auch; noch dazu für die Verführung anderer Menschen.
    Villeicht darf ich Sie noch mal daran erinnern, wie die ganze Problematik ins Rollen kam: bis Januar 2011 galt bei der EVLKS, daß gleichgeschlechtliches Zusammenleben in der Kirche nicht akzeptiert wird. Im Januar wird plötzlich das Pfarrdienstrecht geändert, die Synode hat erst im Frühjahr!! darüber beraten, der Beschluß ist also ohne synodale Zustimmung erfolgt!
    Müssen wir als Kirche auf jede Veränderung der Welt sofort und ohne Information der Gemeindeglieder reagieren???
    Viele Grüße Tommy

  • #44

    Frank Martin (Donnerstag, 23 Juni 2016 22:10)

    Sehr geehrter Herr Tommy,
    wir Sachsen halten uns oft für das Zentrum der Welt. Aber das sind wir wirklich nicht. Wir stecken gern den Kopf in den Sand. Das ist in Ordnung, aber hat dann manchmal die Folge, daß wir manches nicht mitbekommen und wenn wir dann mal Luft schnappen, staunen wir, wie sich dieWelt verändert hat.
    In der Bibel gibt es keine einzige Stelle, die gegen gleichgeschlechtliches Zusammenleben spricht. Es gibt auch keine, die für dieses spricht. Es gibt Stellen, die Sex zwischen Männern verurteilen und eine, die Sex zwischen Frauen negativ wertet. Und das meinen Sie doch? Aber was spielt das für eine Rolle?
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #43

    Tommy (Donnerstag, 23 Juni 2016 21:16)

    Sehr geehrter Herr Martin, naja, lassen wir mal die Diskussion über Loyalität von Vorgesetzten, das können wir nicht klären, wir haben da sehr verschiedene Ansichten. Die "Diskussion" lief villeicht in einzelnen Teilen der Landeskirche,villeicht an den theologischen Fakultäten, doch selbst die Pfarrer waren weder mit eingebunden noch darüber informiert! Selbst die Synode hat erst Monate nach der Dienstrechtsänderung darüber beraten.
    Ihnen als Pfarrer brauche ich doch sicher nicht alle Bibelstellen aufzählen, die gegen gleichgeschlechtliches Zusammenleben sprechen, mir ist aber keine bekannnt, die dafür sprechen.
    Viele Grüße Tommy

  • #42

    Frank Martin (Donnerstag, 23 Juni 2016 08:02)

    Sehr geehrter Herr Tommy,
    vielen Dank für die Auskunft. Wir leben ja alle mit unterschiedlichen Grundlagen und Voraussetzungen. Das macht das Gespräch manchmal so schwierig. Wenn wir uns verstehen wollen, müssen wir uns bemühen, unsere Vorstellungswelten und Denkvoraussetzungen zu verstehen.
    Die Loyalitäten in einem kleinen Betrieb sind sicher andere als in einer Institution. Das gilt aber für alle – und ist keine "Bekenntnisfrage". Außerdem sehe ich keinen Zusammenhang zwischen den Unverschämtheiten des Genannten und der Loyalitätspflicht eines Arbeitgebers. Dafür gibt es aber die Pflicht, bestehendes Recht umzusetzen. Loyal hatte der direkte Dienstvorgesetzte zu sein – und nach dem, was ich über die Jahre mitbekommen habe, wurde genau diese Loyalität ausgereizt bis über die Grenze des Erträglichen hinaus.
    Die Diskussionen liefen schon vor vielen Jahren. Aber eben nicht überall und sicher nicht so, daß alle zufrieden hätten sein können. Aber das wäre sowieso nicht möglich gewesen.
    Im übrigen bin ich der Überzeugung, daß gleichgeschlechtliches Zusammenleben nicht falsch ist. Warum sollte es das denn sein?
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #41

    Tommy (Mittwoch, 22 Juni 2016 20:29)

    Sehr geehrter Herr Martin, ich habe 10 Klassen die POS besucht und danach in einem kleinem Handwerksbetrib gelernt. Daher habe ich villeicht die unsinnige Ansicht, daß ein Chef den Angestellten gegenüber auch zu einer gewissen Loyalität verpflichtet ist. Ich bin seit einigen Jahren glücklich mit meiner Frau verheiratet und habe zwei Kinder.
    Meiner Meinung nach ist die Landeskirche nicht dafür da, daß alle Menschen glücklich sind. Es hätte schon vor Änderung des Pfarrdienstrechts einer offenen Diskussion bedurft, die leider nicht stattgefunden hat!
    Woher rührt eigentlich Ihre Ansicht, daß gleichgeschlechtliches Zusammenleben gut und richtig ist?
    Viele Grüße Tommy

  • #40

    Frank Martin (Mittwoch, 22 Juni 2016 11:06)

    Sehr geehrter Herr Tommy,
    darf ich fragen, was Sie beruflich machen resp. welchen Bildungshintergrund Sie haben?
    Noch mal: Wenn die SBI im Recht wäre, wäre die Hölle keine Alternative. Dann lieber hier die Zeit glücklich leben. Außerdem geht es nicht um das Ausleben von "Vorlieben". Diese Formulierung zeigt eine Sex-Fixierung, die mir immer wieder bei den Gegner*innen gleichgeschlechtlicher Beziehungen auffällt. Fehlt Ihnen etwas in Ihrem Leben? Es geht dabei um Lebensgemeinschaft, Liebe und Verantwortung für den Menschen, den man liebt.
    Und es tut mir Leid, aber ich habe keine Lust, über Herrn Scheufler nachzudenken. Und nein: Bloß, damit er glücklich ist, hat die Landeskirche nicht die Pflicht, andere Menschen unglücklich zu machen oder zu diskriminieren.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #39

    Tommy (Dienstag, 21 Juni 2016 21:52)

    Sehr geehrter Herr Martin, da meinen Sie mit "denkbar" wirklich etwas anderes als ich, "denkbar ist, wenn ich die Möglichkeit wirklich als real ansehe, in meiner Meinung nicht sicher bin...Doch wie gehen Sie mit der Tatsache um, daß sie, falls die SBI wirklich Recht haben sollte, anderen Menschen mit Ihrer Bestärkung zum Ausleben ihrer "Vorlieben" das Ewige Leben verderben, sie in den ewigen Tod treiben?
    Nochmak kurz zu Lutz Scheufler, ist Ihrer Meinung nur der Arbeitnehmer zu Loyalität verpflichtet, kann der Arbeitgeber jederzeit die Meinung der Firma ohne Erklärung ändern oder ist auch der Arbeitgeber zu einer Loyalität gegenüber seinen Angestellten verpflichtet???

  • #38

    Frank Martin (Dienstag, 21 Juni 2016 09:19)

    Sehr geehrter Herr Tommy,
    das klingt so schon ein bißchen besser.
    Kann es sein, daß Sie das Wort "denkbar" anders verwenden als ich? Ich bin für mich gewiß, daß mein Glaube richtig ist. Aber es ist denkbar, daß es anders ist. Dieser Unterschied muß Sie nicht bekümmern. Aber vielleicht nehmen Sie ihn einfach zur Kenntnis?
    Ein Hinweis noch: Ich bin als Christ gewiß. Als Pfarrer arbeite ich im Auftrag und in Verantwortung vor meiner Gemeinde. Inwieweit in diesem Sinne mein Theologiestudium für die Katz war, können wahrscheinlich eher die einschätzen, für die ich als Pfarrer arbeite.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #37

    Tommy (Montag, 20 Juni 2016 21:21)

    Sehr geehrter Herr Martin, wie können Sie als Pfarrer dann das Glaubensbekenntnis sprechen, wenn es für Sie denkbar ist, daß Sie mit Ihrem Glauben nicht Recht haben?
    Ich kann mir das nicht vorstellen, ich bin mir zu 100 % sicher, daß Gott die Welt und die Menschen geschaffen hat, daß Jesus Gottes Sohn ist und für mich am Kreuz gestorben und dann auferstanden ist. Jesus selbst sagt:" Ich bin der Weg, die Warheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn - NUR - durch mich." Ohne dies wäre die Bibel nich das Papier wert, auf das sie gedruckt wurde, Ihr jahrelanges Theologiestudium für die Katz...
    Viele Grüße Tommy

  • #36

    Frank Martin (Samstag, 18 Juni 2016 08:42)

    Sehr geehrter Herr Tommy,
    ich halte es auch für denkbar, daß die Muslime recht haben oder die Hindus oder die Atheisten. Und ich halte es für denkbar, daß wir alle unrecht haben.
    Ich bin aber überzeugt, daß die Theologie, für die die SBI steht, falsch ist. Wenn sie aber recht hätten, würde ich sagen: Geschwister, genießt wenigstens hier das Leben, im Himmel wird es schrecklich.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #35

    Tommy (Freitag, 17 Juni 2016 21:42)

    Sehr geehrter Herr Martin, Sie schreiben in #5: "Ich halte es für denkbar, daß die SBI, und alle, die so denken, Recht haben...." Wenn dem so wäre, Sie also auf dem völlig falschem Weg wären, wenn Sie Menschen darin bestärken, ihre "Sünde" weiterzuleben, wie können Sie damit leben? Wenn Sie absichtlich Menschen - Geschwister in Jesus - ins Gericht getrieben haben, sie durch Ihr Handeln den Zugang zum Himmel verlieren?
    Viele Grüße
    Tommy

  • #34

    Frank Martin (Montag, 30 Mai 2016 11:04)

    Lieber Herr Kretzschmann,
    das ist doch bei aller Verschiedenheit eine gute Basis für Gespräche. Schade, daß der Workshop ausgefallen war, sonst hätten wir jetzt eventuell noch eine freundliche Erinnerung an eine persönliche Begegnung.
    Mit herzlichen Grüße
    Frank Martin

  • #33

    Arndt Kretzschmann (Montag, 30 Mai 2016 09:39)

    Lieber Bruder Martin,

    danke für Ihre Antwort. Stimmt, dass "nur" im Beten ist eine unangemessene Abwertung. Beim Bibellesen heute morgen (1. Kor. 13 und 14) wurde mir noch einmal bewusst, dass neben dem Zugestehen der vollen Taufgnade das Gebet für die (merkwürdigen) Geschwister der nächste Schritt wäre... Und das Zugeständnis, dass Gott auch durch sie wirkt.

    Nun zur Hermeneutik. Vielleicht hätte ich meine Gesprächspartner in der jeweiligen Situation noch einmal um Erklärung bitten sollen, was sie mit ihrer Infragestellung meinen. Möglicherweise hätte das manches erhellt, vielleicht auch nicht.

    Was meine ich mit "Herr" und "Erlöser"? Wie zeigt sich das in meinem Alltag? Das Jesus mein Herr ist bedeutet, dass er über mir steht. Ich rechne mit seiner Gegenwart und seinem Handeln. Das trägt mich an vielen Stellen, fordert mich aber auch aus meiner Selbstbezogenheit heraus. Ich lasse mich (hoffentlich) immer wieder davon korrigieren. Und ich glaube, dass die Weltgeschichte eben nicht einfach nur eine zufällige Abfolge von Gelingen, Scheitern und Schlimmerem ist, sodann dass er immer noch den Überblick hat und das Ganze zur Vollendung führen wird. Die Offenbarung ist mir in dieser Hinsicht sehr wichtig geworden. "Erlöser"? Das wird für mich konkret wenn ich zur Beichte gehe und nach dem Zuspruch der Vergebung befreit aufatme. Und wenn ich infolge dessen Kritik annehmen und andere um Verzeihung bitten kann.

    Soweit meine persönliche Hermeneutik in aller Kürze...

    Herzliche Grüße,

    Arndt Kretzschmann

  • #32

    Arndt Kretzschmann (Montag, 30 Mai 2016 09:22)

    Lieber Bruder Holzendorf,

    ich bin froh, dass wir uns darin einig sind Menschen mit Wort und Tat zum Glauben einladen zu wollen. Das hilft mir mit Ihren Aussagen umzugehen, auch wenn ich sie nicht 1:1 teile.

    Auch ich ringe in der Verkündigung um eine zeitgemäße Sprache. "Bekehrung" klingt hölzern und wird im allgemeinen Sprachgebrauch eher negativ assoziiert. Ich finde "Hingabe" oder "Leidenschaft" passender, weil diese Worte auch in anderen Zusammenhängen gebraucht werden in denen es um`s Ganze geht. Zumindest verstehe ich das Gleichnis vom Schatz im Acker so, dass es im Glauben um`s Ganze geht - so wie auch beispielsweise die Ehe keine halbe Sache sei sollte.

    Ich unterstütze das "Orthopraxie - Konzept", auch die Christen in der Antike haben vor allem dadurch andere für den Glauben gewonnen. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich erst durch das Wort zur Tat komme. Erst die Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Christus verändert mich dahingehend, dass ich mich den Anderen zuwenden kann. Mal ganz davon abgesehen, dass dieser Lebensstil viel Kraft erfordert, die ich anderswo als im Evangelium und in der Hoffnung auf das ewige Leben nicht finde... Insofern besteht die Botschaft Jesu für mich nicht VOR ALLEM darin, dass ich mich den Fremden, den Armen etc. zuwenden soll. Vielmehr sind Kreuz, Auferstehung und tätige Liebeshingabe ZWEI SEITEN einer Medaille.

    Dass Gott auch durch Menschen handelt, die nicht an ihn glauben, will ich gar nicht bestreiten. König Kyros aus dem AT ist ein gutes Beispiel dafür. Für mich steht die Liebe Gottes zu dieser Welt nicht in Frage. Ich wollte mit dieser Formulierung nur darauf hinweisen, dass "Plausibilität" aus meiner Sicht kein allgemeingültiges Kriterium für die Rede von Gott ist. Für manchen wäre es aus menschlicher Sicht plausibler, wenn Gott die Welt einfach sich selbst überlässt.

    Ich kann und möchte dem, was ich in Frage 2 angedeutet habe, nicht ausweichen. Ich bin zwar noch keine 40, aber die Vergänglichkeit unseres Seins ist mir sehr bewusst. Ich brauche den Blick auf die Ewigkeit schon jetzt um befreit leben zu können.

    Herzliche Grüße,

    Arndt Kretzschmann

    PS: Danke für den Link zur Erklärung von Landesbischof Ulrich. Diese ist durchaus erhellend.

  • #31

    Frank Martin (Montag, 30 Mai 2016 07:38)

    Lieber Herr Kretzschmann,
    warum das "nur" beim Beten? Ansonsten beschreiben Sie genau die Haltung, die ich mir für uns alle wünschen würde. Die Taufgnade ist Gottes Sache, meine Sache ist es, mir meine – teilweise merkwürdigen – Mitchrist*innen als Kinder Gottes gefallen zu lassen. Das erspart keine Diskussion und verursacht vielleicht manchen Schmerz. Aber wir betrachten uns anders.
    Oft werden übrigens nicht bestimmte Aussagen infrage gestellt. Es wird gefragt, was damit ausgesagt wurde und was heute verstanden wird. Das unterscheidet sich manchmal erheblich, weil wir ganz anders denken, ganz andere Weltvorstellungen haben. Hermeneutik hatten Sie ja auch im Studium. Die versucht ein angemessenes Verständnis alter Texte. Versucht, den damaligen Aussagegehalt zu verstehen. Und da sind wir bei dem für mich wichtigen Punkt – nämlich der Frage, was etwa damit gesagt wird: "Erlöst durch Christus." oder "Jesus ist Herr.". Diese Aussagen soll ich ja nicht so glauben, wie ich etwa glaube, daß die Erde keine Scheibe sei oder daß nach Regen die Erde naß ist. Diese Aussagen müßten sich in meinem Leben zeigen. Sonst wäre das Glauben nur ein billiges "Für-wahr-halten".
    Dann stellt sich aber für uns alle die Frage: Wo zeigen sich diese eure Glaubensaussagen in eurem Leben. Denn das beste Zeugnis für den auferstandenen Jesus, den Herrn des Universums, ist das Leben seiner Nachfolger*innen. Das ist das beste Zeugnis für – aber leider auch gegen ihn.
    Ich finde unser Gespräch ermutigend. Denn wir wollen keine Gegner sehen, wir wollen in allen Differenzen ein Gegenüber sein.
    Mit besten Wünschen
    Frank Martin

  • #30

    Volker Holzendorf (Sonntag, 29 Mai 2016 23:11)

    Hallo Herr Kretzschmann,
    vielen Dank für die Antwort und ihre Fragen. Wir sind im Dialog, der einander ernst nimmt. Das ist selten bei diesem Thema - das ist vielleicht der vielbeschworene "Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft".
    Die 1. Frage ist auch meine Frage: "Ist die Wahrheit Gottes nur das, was wir erklären und plausibel vermitteln können?" Ich sage nein, merke aber, dass für viele / die Mehrheit der Menschen (in Sachsen/ Mitteldeutschland) Gott fremd geworden ist und ich ringe um Formen und Wege Gott für diese Menschen erfahrbar zu machen. Und das ist erstmal eine Aufgabe im Leben, im Hier und Jetzt. Ich ringe immer wieder damit eine Sprache zu finden, die einfach ist, um heute die Botschaft Jesu zuverkünden. Dabei wird die Tradition hintenanstellt (weil schlicht die Tradition nicht mehr vorhanden ist, bei den Menschen, die ich erreichen will). Und hier gibt es den Spagat den Kirche schaffen muss und hoffentlich immer wieder neu schafft: Es gibt uns, Sie, mich, sächsische Christen, Christen der Nordkirche die ganz selstverständlich in der Tradition leben. Nur gibt es keine Sprache mehr zwischen - entschuldigen sie bitte den Ausdruck - diesen "Parallelgesellschaften": hier die Christen, dort die Sekularisierten. Wie können wir aber wieder die Botschaft Jesu für alle Menschen erlebbar machen? Wie begeistern wir die aufgeklärten Menschen, die wir in der Kirche meines Erachtens vor allem brauchen, um gesellschaftlich relevant zu bleiben! Die Menschen also, die wie Frank Martin schreibt, die Orthopraxie leben, die die Botschaft Jesu für mich vor allem ausmacht: den "Fremdling" aufnehmen, den "Kranken" pflegen, den "Aussätzigen" einladen und mit ihm feiern! Und das obwohl sie unter Umständen noch nie zu Gott gebetet haben. Ist das eine Antwort auf die Frage der Palusibilität, dass Gott die Menschen liebt, trotz ihrer Schwächen? Handelt er immer durch die Prister (oder - böse formuliert - die Christen)?
    Dies beantwortet vielleicht ein klein wenig, warum ich Frage 2 gerne ausweichen möchte: Das Leben ist im Hier und Jetzt, das Sterben noch sehr weit weg (wir dürfen doch fast damit rechnen 80, 90 oder gar 100 Jahr zu werden): Was auf dem Sterbebett tröstet will ich mir noch nicht vorstellen (müssen) - ich kann aber sagen, was mich heute tröstet: Dass ich spüre, das Gott da ist - sei es durch einen Gedanken, den ein naher oder fremder Mensch mir mitgibt, sei es durch meinen ganz persönlichen Glauben an die Auferstehung Jesu.
    Eine gesegnete Woche wünscht,

    Volker H

    PS: Kennen sie schon die Erklärung von Bischof Ulrich zu seinen mißverständlichen Aussagen: https://www.nordkirche.de/nordkirche/bischofsrat/landesbischof/texte/detail/nachricht/ihn-habt-ihr-nicht-gesehen-und-habt-ihn-doch-lieb-vom-langen-weg-zum-osterjubel-und-einer-debatte-um-lebendigen-glauben.html

  • #29

    Arndt Kretzschmann (Sonntag, 29 Mai 2016 21:20)

    @Volker Holzendorf: Zugegeben, Ihre Argumentation ist in sich schlüssig. Dennoch ein paar Gegenfragen:
    1. Ist die Wahrheit Gottes nur das, was wir erklären und plausibel vermitteln können? Ist er dann noch göttlich oder nicht doch sehr menschlich? Wie plausibel ist eigentlich die Tatsache, dass Gott die Menschen liebt angesichts all dessen was sie in seiner Welt anrichten?
    2. Wenn wir annehmen, dass Jesus nicht leiblich auferstanden ist - was tröstet uns dann im Sterben? Die Vorstellung, dass die Idee Jesu auch nach meinem Tod lebendig bleibt, hilft mir nicht weiter.

    @Frank Martin: Ihre Frage an mich kann ich nur teilweise beantworten. Ich gehe mit der Vielstimmigkeit - und gerade mit den Stimmen, die mir nicht gefallen - so um, dass ich mir immer wieder die Taufe vor Augen halte. Darin hat Gott mich und die anderen zu Geschwistern gemacht, ob mir das gefällt oder nicht. Von diesem Standpunkt aus versuche ich das Miteinander zu leben. Ich spreche niemandem die Taufgnade ab. Danach folgen angesichts mancher Aussagen aber eine große Ratlosigkeit und bleibender Schmerz. Wenn unter uns die leibliche Auferstehung Jesu, die Erlösung durch Christus oder die Aussage "Jesus ist der Herr" in Frage gestellt werden bin ich mit meinem Latein am Ende. Mir hilft dann nur noch Beten.

    @Frank Martin:

  • #28

    Frank Martin (Sonntag, 29 Mai 2016 20:26)

    Lieber Herr Kretzschmann,
    ich kann Ihre Frage verstehen, kann aber nicht sagen, wie WIR damit umgehen müssen. Ich kann Ihnen sagen, wie ich damit umgehe. Ich denke: "Aha." Ich merke, daß mich persönlich diese Aussagen nicht berühren und eigentlich auch nicht interessieren.
    Daneben kann ich verstehen, daß hinter dem, was Herr Ulrich sagt, ein langer Schwanz an Überlegungen hängt, die ich durchaus ernst nehme. Einmal die Feststellung, daß die Auferstehung des Fleisches eine relativ späte Vorstellung in den biblischen Traditionen ist, die zudem in einer sehr konkreten Situation entsteht. Zum zweiten stellen sich dann Fragen nach dem Wohin des Leibes, nach dem Verhältnis von Leiblichkeit und Göttlichkeit – der Herr ist Geist, wo aber Geist ist, hat ein Leib keinen Platz; es sei denn, ich verstehe den Geist auch feinstofflich, was jedoch wiederum viele Probleme mit sich bringen würde, wie wir bei Augustinus sehen – und noch jede Menge anderer Fragen, die wir beantworten müssen, wenn wir von der leiblichen Auferstehung Jesu reden. Und da kann ich die verstehen, die sagen: "Das müssen wir glauben." - und ich kann die verstehen, die sagen: "Damit macht ihr es euch zu einfach.".
    Persönlich würde ich versuchen zu erschließen, was mit der Rede von der leiblichen Auferstehung Jesu gemeint ist. Und im Anschluß – denn das gehört ja untrennbar dazu – darüber nachdenken, was wir meinen, wenn wir von der leiblichen Auferstehung aller Menschen reden. Und dann würde ich sagen, daß ich auf die Rede von der leiblichen Auferstehung Jesu und aller Menschen aus bestimmten theologischen Überzeugungen nicht verzichten kann und will. Darin ist eine wirklich große Hoffnung eingetragen, die übrigens auch schon am Anfang der Rede von der leiblichen oder fleischlichen Auferstehung stand. Deshalb glaube ich die leibliche Auferstehung Jesu.
    Und da sind wir bei dem, was für mich wichtig ist. Diese Texte erschließen etwas, sie sind aber keine Theorien, die bestätigt oder widerlegt werden könnten. Wenn Herr Ulrich sagt, daß es nicht so gewesen sei, verfehlt er die Texte nach meinem Gefühl ähnlich wie die, die sagen, es sei genauso geschehen und nur wer das glaube, glaube richtig. In der Rede von der Auferstehung Jesu und aller Menschen, die allem widerspricht, was wir wissen – im naturwissenschaftlichen wie im realpolitischen Sinne, eröffnet sich der Horizont der Hoffnung auf Gottes Gerechtigkeit. Opfer bleiben nicht Opfer, Täter*innen müssen sich als Täter*innen rechtfertigen – das ist ein Grund, heute schon nichtzynisch aber unversöhnt mit den Zuständen zu leben.
    Ein zweiter Punkt ist mir genauso wichtig: Ich interessiere mich nur äußerst am Rande für Orthodoxie. Viel wichtiger finde ich die Orthopraxie. Das lese ich aus dem Matthäeusevangelium heraus. Nicht, wer Herr, Herr, sagt – also richtig glaubt – sondern wer tut, was Jesus gebietet, wird im Himmel willkommen sein. Und da werden sich vielleicht manche als orthopraxe Christ*innen erweisen, die genau so gehandelt haben, wie Jesus es forderte: Sich vor Flüchtlinge gestellt, Kranke gepflegt, Gefangene besucht … Und andere werden dann vielleicht beschämt sein. Unter diesem Gesichtspunkt können wir über Bischof Ulrich reden und über Sie und über mich. Aber da fühle ich mich wie der Zöllner, der es nicht wagt, sein Angesicht zu erheben.
    Vielleicht ziehen Sie die Grenze anders und andere noch anders – auch in unserem Forum. Wir sprechen ja nicht mit einer Stimme. Und da stellt sich mir die Frage, wie wir damit umgehen wollen. Das ist eine offene Frage auch an Sie.
    Unabhängig davon wäre das, was Sie ansprechen, natürlich auch ein Thema für den Forumstag – oder für kommende Tage oder Treffen. Sie sind herzlich eingeladen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #27

    Volker Holzendorf (Sonntag, 29 Mai 2016 15:06)

    Hallo Herr Kretzschmann,
    was ist Legende, was ist wirklich geschehen? Wer war dabei?
    Alle biblischen Jesus Geschichten sind aller Wahrscheinlichkeit nicht von Augezeugen aufgeschrieben worden. Sie sind damit Geschichten - ich formuliere einfach mal spitz - die auf Hören-Sagen beruhen.
    Ein kleiner Versuch, weil ich annehmen, dass sie nicht mehr in die Schule gehen:
    Erinnern sie sich bitte mal an eine Begegnung aus ihrer Grundschulzeit, fragen ihre damaligen Mitschüler dazu, und dann bewerten Sie den Wahrheitsgehalt aller Erlebnisberichte.
    Ich gebe zu, dass die Auferstehung Jesu sicher eindrücklicher war als jedes Erlebnis, dass sie oder ich in der Schule hatten, aber der Versuch macht demütig vor der Warheit!
    Wir wissen außerdem, dass es biologisch unmöglich ist, Tote zum Leben zu erwecken. Aber wir erleben, dass besondere Personen, besondere Ereignisse, besondere Erfahrungen in unseren Gedanken weiterleben und Wirkmächtig sind.
    Insofern sind die Worte von Bischof Ulrich richtig.
    Sie sprechen mich beispielsweise viel eher an, als eine Unmöglichkeit nach den Naturgesetzen, die ich Menschen der heutigen Zeit nicht mehr plausibel erklären kann, zu vertreten.
    Die Idee lebt, das kann ich vermitteln. Damit kann ich mein Engagement für die Gesellschaft und in der Gesellschaft begründen und es gibt mir Halt in dieser Gesellschaft auch gegen Widerstände zu wirken. Und dies ist - so zumindest mein Verständinis - Gottes Wirken in der Welt!

    Einen frohen Sonntag Nachmittag wünscht ihne und allen Mitlesern,

    Volker H

  • #26

    Arndt Kretzschmann (Sonntag, 29 Mai 2016 13:20)

    Lieber Bruder Frank Martin,

    in Ihrem Beitrag spüre ich hinter den Zeilen die Spannung zwischen theologischer Freiheit und notwendiger innerkirchlicher Selbstvergewisserung. Sie bringen dies in Kommentar #19 auf den Punkt: "Es gibt ein Außen. Es steht aber nicht fest, wer die Grenze zieht. Auch die Grenze steht nicht fest." Wie sollen wir damit umgehen? Wie gehen wir beispielsweise mit Aussagen wie der von Landesbischof Ulrich um? Ich zitiere: „Jesus, der Gottesmann und Meister, ist tot. Sein Leib wird vergehen wie jeder Menschenleib. Aber das, was in ihm göttlich war, seine Sache, seine Haltung, seine Leidenschaft und sein Einsatz für das wahre Leben, das ist mitnichten tot. Es lebt – wenn sie, die Nachfolger, es wollen.“ Ich würde ja sagen, dass in den Ostertexten sehr wohl zum Ausdruck kommt, dass Jesus leibhaftig unter den Jüngern gegenwärtig war. Die Gute Nachricht besteht eben nicht nur in der Haltung von Jesus, sondern in seiner ganzen Person. Und so macht die Botschaft nur Sinn, wenn Jesus wirklich leibhaftig auferstanden ist. Paulus greift das in 1. Kor. 15 auf. Bin ich jetzt ein Fundamentalist, der Landesbischof Ulrich seine Sicht der Dinge aufnötigt? Oder wäre an dieser Stelle klar, dass Landesbischof Ulrich außerhalb von "Außen" steht?

    Herzliche Grüße, Arndt Kretzschmann

  • #25

    Frank Martin (Samstag, 28 Mai 2016 21:43)

    Sehr geehrter Zeitgenosse,
    ich möchte Sie beruhigen. Ihre Gedanken zu Kant haben mich nicht beschäftigt. Einzig Ihre polemische Verzerrung berührte mich unangenehm. Das geht mir aber auch bei biblischen oder theologischen Texten so. Ich ärgere mich, wenn sie mißbräuchlich und/ oder falsch verwandt werden. Ansonsten können Sie Kant und vor allem die Vernunft kritisieren, soviel Sie wollen. Wobei mir zwar erstens nicht ganz klar ist, wie das in dem Fall im Blick auf Kant sinnvoll aussehen sollte und sich mir zweitens nicht erschließt, warum Sie diese Frage überhaupt und in diesem Kontext gestellt haben. Unabhängig davon werden Sie aber an manchem Punkt bemerken, daß wir bei dieser Kritik das sind, was Ihr Name schon nahelegt. Sie können dazu gern meine Gedanken zur Toleranz zur Kenntnis nehmen. Wenn Sie sich in den postmodernen Vernunftdiskursen ein klein wenig auskennen, werden Sie dazu vielleicht eine Idee bekommen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #24

    Zeitgenosse (Samstag, 28 Mai 2016 19:35)

    Weil sie mein Satz zu Kant ja offenbar nachhaltig beschäftigt (reine Vernunft ist immer schon historisch bedingt, da müssen wir doch einem Denken Kants wirklich widersprechen.), gern noch eine Äußerung. Habe nicht Kant insgesamt geschmäht (klingt so, als sei Kritik an Kant bei Ihnen so etwas wie für "Fromme" die "Bibelkritik"), sondern das Denken Kants zur reinen Vernunft.
    Kant meinte, durch seine Krik des Vernunftvermögens überhaupt von sich selbst schweigen zu können (Motto der KrV B II). Dagegen ist einzuwenden, dass es eben lediglich eine geschichtlich bedingte, zufällige Handlung ist, die Kant unter Bezug auf andere Denker vollzieht. Kants Kritik geht aus einem historischen Zusammenhang hervor, der z.B. gezeichnet werden könnte: Berkeley - Hume - Kant.
    Kant ist nicht nur abhängig von der Überlieferung dieser Autoren, sondern all seine Sprachlichkeit zeigt, wie er diese Autoren verstanden hat - nicht wie eine reine Vernunft diese Autoren verstanden hat. Damit sind die Äußerungen Kants eine Geschichte der Vernunft. Die Geschichten der Vernunft aber sind die Kritik ihrer Reinheit. Anders gesagt: Vernunft ist abhängig und endlich.
    Jede Vernunft ist historisch bedingt. Die Wissenschaftsgeschichte kann das sehr schön am Wandel der Weltbilder belegen, die sich eben nicht geändert haben, weil es unbedingt eine evolutionäre Fortentwicklung des Denkens gab, sondern die sich historisch zufällig durchgesetzt haben.

  • #23

    Frank Martin (Freitag, 27 Mai 2016 10:05)

    Lieber Herr Gnaudschun,
    persönlich tue ich mich mit dem "Bruder" etwas schwer, hab mich aber in dem Fall sehr gefreut. Es ist gut, wenn wir uns insgesamt nicht als Gegner betrachten, sondern als Gegenüber. Das erspart uns zwar keine Diskussion, ermöglicht uns aber eine andere Haltung zueinander. Danke!
    Mit besten Wünschen
    Frank Martin

  • #22

    Markus Gnaudschun (Donnerstag, 26 Mai 2016 19:09)

    zu #19
    Lieber Bruder Frank Martin,
    neulich hatte ich sie beim Aufräumen erst wieder in der Hand: meine in Vorbereitung auf die Ordination abgefasste Darlegung meiner Stellung zu Bibel, Bekenntnis und Amt. Sofort waren sie wieder da: die Erinnerungen an damals; den Kampf am Schreibtisch. Ach, was habe ich mich damals gemüht, alles so aufzuschreiben, damit klar wird, wie ich ticke.

    Find ich gut, was Du in #19 dazu schreibst: ""Ich habe mich da erklärt – sehr deutlich und sehr ehrlich. [...] Es war [...] offensichtlich im Rahmen des evangelisch-lutherisch Möglichen. Ich habe nicht gesagt: "Ja, aber …" sondern: "So sage ich Ja dazu.""
    "Es war [...] offensichtlich im Rahmen des evangelisch-lutherisch Möglichen" – ja, sonst wäre die Ordination nicht möglich gewesen. "So sage ich Ja dazu" – das finde ich klasse: Sich zeigen und klar machen, Ich bin der und der.

    "So sage ich Ja dazu..." Ich hatte damals eher ein anderes Problem. Ich musste beweisen, dass ich nicht rechts vom Pferd runterfalle – ein Vikar mit evangelikal-charismatischem Hintergrund..., zuzüglich Wiedertaufe in früheren Jahren, und zum Zeitpunkt des Ordinationsantrages Vater eines noch nicht getauften 7 Jahre alten Sohnes...

    Ich hatte das Gefühl, bei mir schauten die Personaldezernenten besonders genau und streng hin, aber es war sicher nur ein Gefühl... (?)

  • #21

    Frank Martin (Donnerstag, 26 Mai 2016 19:08)

    Lieber Herr Holzendorf,
    ich ringe auch um diese Frage. Das ist nicht einfach. Und Sie erwarten sicher maximal Antwortversuche?
    Erst mal zum Letzten: Biblisch belegen läßt sich das schwer. Das waren schon alles ziemliche Rechthaber (alles Männer). Aber eine Geschichte fällt mir ein. Zum Apostelkonzil gab es ähnliche Streitfragen wie heute. Und ähnliche Fronten. Die Konservativen und Konservierenden um Jakobus, die Progressiven um Paulus und die Vermittelnden um Petrus. Dann gab es Streit und dann einen Kompromiß: "Es gefällt dem Heiligen Geist und uns …"
    Begründen könnte man mit 1. Kor 13. Aber es bleibt natürlich schwierig. Und wir müssen nicht alles biblisch begründen. Luther war notfalls mit den Gründen der Vernunft auch zufrieden.
    Zum Zweiten: Ich ringe um eine Haltung, die ich einnehmen will. Halte ich diese Meinung auch dann noch durch, wenn die anderen nicht mitmachen? Oder gilt das nur, wenn die anderen schön mitspielen? Oder gilt das nur, wenn die anderen damit anfangen? Ich streite gern um Positionen. Aber ich will mein Gegenüber auch gern verstehen. Wenn ich sie oder ihn verstehe, verstehe ich vielleicht auch, warum sie so reden oder handeln.
    Noch mal zu Kant: Ich teile seinen Optimismus nicht. Ich glaube, wir kommen nie über das hinaus, was er so beschreibt: "Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung." Das hört nie auf und betrifft immer auch uns. Und dann – und das sage ich nicht leichten Herzens – gibt es manchmal nur wenige Alternativen. Wenn es um mich geht, muß ich eventuell irgendwann den Staub von den Füßen schütteln und gehen. Und wenn es um Andere geht, muß ich mich eventuell zwischen die stellen, die Steine schmeißen wollen und die, auf die geworfen wird. Daran kann ich natürlich scheitern. Aber genau dann ist es manchmal sinnvoll, sich mit Menschen zu verbinden, denen es auch so geht oder die ähnlich denken – um sich gegenseitig zu bestärken. Das war für mich ein Grund, an und in diesem Forum mitzuarbeiten.
    Kant formulierte mal sinngemäß, daß es einen Zusammenhang von Ethik und Verzweiflung gäbe. Ja, aber ich sehe zu ethischem Verhalten auch keine sinnvolle Alternative.
    Im politischen Raum ist das natürlich noch mal anders. Aber da haben wir einen Rechtsstaat, der uns vor den Ansprüchen anderer schützt – Gott sei es gedankt.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihr Frank Martin

  • #20

    Volker Holzendorf (Donnerstag, 26 Mai 2016 16:29)

    Lieber Herr Martin,
    dann habe ich auf #19 mal eine Frage:
    "Wir müssen uns bemühen. Aber eben nicht jede/r wie sie es gern möchten. Sondern so, wie Sie es mit Ihrer Kollegin halten. Ich sehe in dir, was mir fehlt. Und ich sehe in dir (mir?, VH) auch, was dir fehlt. Gut, daß wir zusammen sind. So – glaube ich – geht Gemeinde."

    Was aber, wenn eine Seite ganz offensichtlich im anderen nicht das sehen will, was vielleicht fehlen könnte?
    Was, wenn es heißt "Friß oder geh!"? Wenn Pfarrer*innen Andersglaubenden den Gemeindewechsel nahelegen? Was, wenn gar kein Gespräch mehr stattfindet, weil der andere nur noch "selig" (dämlich!) schweigt?
    Was dann?

    Wie gehen - ich nehme "ihren" Kant auch für mich in Anspruch - wir damit um, dass sich einige nicht an aufgeklärte Maßstäbe halten wollen und somit den Bulldozer spielen, um die Gesellschaft, wie wir sie kennen, platt zu machen?
    Wie bekommen wir diese - ja ich schreibe es - dogmatischen Forderungen, wie gesellschaftlicher Ausgleich funktionieren sollte (Kant!), wieder in alle (erstere!) Köpfe (und da geht es weit: Banker und Hatzer, SBI und dieses Forum, AFD und "etablierte" Politiker, usw.) rein?

    Und ganz wichtig hier: wie können wir diese positive "Streit-"Kultur biblisch begründen?

    Ihr VH

  • #19

    Frank Martin (Donnerstag, 26 Mai 2016 16:05)

    Sehr geehrter Herr Gnaudschun,
    sehr herzlichen Dank für Ihren Beitrag. Sie machen eine dritte – und sehr wichtige – Dimension auf. Bekenntnisse sind keine Ontologie, aber auch nicht nur Ekklesiologie. Sie haben nämlich auch eine existentielle Dimension, indem sie mich herausfordern. Ich muß mich zu ihnen verhalten. Und das mußten wir beide ja auch dokumentieren, als wir in Vorbereitung auf die Ordination eine Erklärung zu unserem Verständnis von Bibel, Bekenntnissen und Amt abgeben mußten. Ich habe mich da erklärt – sehr deutlich und sehr ehrlich. Für manche war das vielleicht zu wenig, für andere vielleicht zu viel. Es war aber offensichtlich im Rahmen des evangelisch-lutherisch Möglichen. Ich habe nicht gesagt: "Ja, aber …" sondern: "So sage ich Ja dazu." Also nicht eine Meinung müssen wir haben, aber wir müssen in einem gemeinsamen Rahmen bleiben. Damit ist auch klar: Es gibt ein Außen. Es steht aber nicht fest, wer die Grenze zieht. Auch die Grenze steht nicht fest.
    Und natürlich müssen die Bekenntnisschriften ausgelegt werden – wie auch die Bibel. Vieles von dem, was sich in der Bibel findet, hält heute hoffentlich niemand in unserer Kirche mehr für richtig.
    Es reicht auch nicht ein Blick in einen Text, um sich alles weitere zu ersparen. Oder um den kürzlich geschmähten Kant zu zitieren: "Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, u.s.w., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen."
    Wir müssen uns bemühen. Aber eben nicht jede/r wie sie es gern möchten. Sondern so, wie Sie es mit Ihrer Kollegin halten. Ich sehe in dir, was mir fehlt. Und ich sehe in dir auch, was dir fehlt. Gut, daß wir zusammen sind. So – glaube ich – geht Gemeinde.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #18

    Markus Gnaudschun (Donnerstag, 26 Mai 2016 14:33)

    Ich kann mich noch sehr genau an ein Erlebnis aus den letzten Wochen meiner theologischen Ausbildung erinnern. Wegen der Prüfungsvorbereitungen hatte ich mich intensiv mit den Bekenntnisschriften der Lutherischen Kirche beschäftigt. Schließlich wollte ich mal Pfarrer werden; da würde ich auch auf die Bekenntnisschriften hin ordiniert. Und wenn sie mich fragen, was für mich Ordination ist...?
    In den Bekenntnisschriften war ich auf Aussagen gestoßen, die manche heutige Praxis in unserer Kirche eigentlich nicht erlauben. Über viele dieser Aussagen war ich froh; über deren Klarheit und Deutlichkeit. Endlich ein Buch mit meiner Meinung. Über andere Aussagen aber war ich nicht froh; jene, die ich anders sah.
    Ich war durcheinander, habe einen Professor aufgesucht. "Herr Professor, ich muss Sie mal was fragen: In unseren Bekenntnisschriften stehen Dinge, die aber heute ganz anders gemacht werden. Sie stehen sich diametral gegenüber. Wenn ich hinter bestimmten Aussagen nicht stehen kann, kann ich dann ruhigen Gewissens mich auf die Bekenntnisschriften ordinieren lassen? – Ich verstehe nicht, wie manche Pfarrerinnen und Pfarrer hierzu ja sagen konnten, sehe und höre ich doch, dass sie ganz anders glauben, lehren, handeln... Und ich habe mit manchem auch meine Not."
    Der Professor antwortete: Die Bekenntnisschriften müssen ausgelegt werden.
    Ach, war das trostvoll!

    Nur stellt sich die Frage: Jeder, wie er es möchte; sodass sie einen selbst nicht mehr beißen? Ist das redlich, zu einer Sache "JA" zu sagen, aber es in dem Moment mit einer Deutung zu versehen, die der eigentlichen Aussage entgegen steht?

  • #17

    Frank Martin (Mittwoch, 25 Mai 2016 18:27)

    Sehr geehrter Zeitgenosse,
    zwei Anmerkungen: Einmal danke ich für die Bestätigung meiner Ausführungen.
    Zum zweiten gratuliere ich Ihnen zur Illustration Ihrer Ausführungen.
    Und bitte – wenn Sie sich auf Kant beziehen, nehmen Sie ihn ausreichend ernst. Wir müssen seine Ansichten nicht teilen, aber wir sollten ihm nicht polemisch Unrecht tun.
    Einen Beleg muß ich Ihnen leider schuldig bleiben, weil diese Äußerung mündlich – allerdings vor vielen Zeug*innen getätigt wurde. Sollte jedoch der Vortrag von Bischof Dr. Rentzing veröffentlicht werden, den er am 09. Mai an der Universität Leipzig gehalten hatte, werden Sie vielleicht fündig.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #16

    Zeitgenosse im Widerspruch (Mittwoch, 25 Mai 2016 17:22)

    "Einigermaßen erstaunlich mutet an, daß heute von konservativer und evangelikaler Seite immer wieder mal betont wird, Pfarrer*innen hätten sich doch in ihrer Ordination auf die Bekenntnisse ver­pflichtet – und damit seien viele Diskussionen über Schriftverständnis und kirchliche Praxis hinfäl­lig."

    Zunächst: Eine solche Behauptung ohne einen einzigen Beleg ist, als würde ich behaupten, die Genossen des Forums für Gemeinschaft und Theologie seien allesamt der Überzeugung, die Bibel sei eine zu vernachlässigende, nette kleine Schrift ohne Relevanz für die Kirche. Sie ist haltlos.
    Der Verweis von evangelisch-sächsischen Pfarrern auf die Bekenntnisse im Zuge von Diskussionen über Schrift und Kirche ist konstitutiv, denn:

    "Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens steht als Kirche der Re-
    formation in der einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche auf
    dem Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift Alten und
    Neuen Testamentes gegeben und in den drei altkirchlichen Symbolen, in der
    unveränderten Augsburgischen Konfession von 1530, in der Apologie, in den
    Schmalkaldischen Artikeln, in den Katechismen Martin Luthers und in der
    Konkordienformel als den Bekenntnisschriften unserer evangelisch-
    lutherischen Kirche bezeugt ist."

    So schreibt die Präambel der Verfassung. Wer deshalb beim Verweis auf die Bekenntnisse als diskussionsanregung und -grundlage Angst bekommt, scheint sich vor seiner Ordnination recht wenig Gedanken gemacht zu haben, was die Ordination denn bedeutet.
    Das heißt natürlich nicht, dass Diskussion überflüssig ist oder durch die Bekenntnisschriften verboten sei. Wer das behauptet, ist im Unrecht, und es ist schade, dass solche Fehlbehauptung nicht zur Korrektur führen, sondern bei Ihnen als Gegenüber offenbar Angst auslösen.
    Nun ist es aber eben nicht so, dass die Bekenntnisse "im Besten Fall das Evangelium Christi bezeugen", sondern, das Evangelium wird uns bezeugt aus dem hermeneutischen Zirkel zwischen Schrift und Bekenntnis. Damit bilden die Bekenntnisse einen Teil des - immer notwendigen - Vorverständnisses, das uns ein Bibelverständnis ermöglicht. Sie erfahren ihre Kritik dann im Rahmen dieses Zirkels durch die Schrift. So sagt es die gültige Verfassung.
    Das ist nicht lediglich selbstreferenziell und damit gefährliche Einengung und Verkürzung, so wie Sie das offenbar verstehen. Es ist eine Antwort auf die Einsicht, dass ich gar nicht Texte ohne ein Vorverständnis verstehen kann und deshalb je nach Fragestellung zu einem anderen Ergebnis komme.
    Ein Vorverständnis, etsi deus non daretur wird im Normalfall zu dem Verstehen kommen, dass es keinen Gott gibt, der sich in der Schrift mitteilt. Ein Vorverständnis, welches durch die Bekenntnisse geprägt ist, wird zu anderen Ergebnissen kommen. Erkenntnis gibt es ja nun mal nicht im luftleeren Raum, Kraft einer irgendwie reinen Vernunft, sondern sie ist immer schon historisch bedingt. Da müssen wir doch einem Denken Kants wirklich widersprechen.
    Restaurativ ist es, einem Verständnis von Vernunft als objektivem Wertmaßstab hinterherzutrauern, welches man so im 18. Jahrhundert gehabt hat.
    Lustig wird es, wenn man mit dem Hinweis, die Bekenntnisse schützen zu müssen, die Bekenntnisse jeglicher Bedeutung berauben will, unter dem Hinweis, dass man Angst vor ihnen habe.
    Albern ist es, Angst vor Disziplinarmaßnahmen zu äußern und damit zu suggerieren, dass es auch nur einen einzigen Fall gegeben habe, in dem die Landeskirche einen Pfarrer wegen "Bekenntnisuntreue" belangt habe. Hier wird dem vermeintlichen Gegner eine Macht unterstellt, die ihn als gefährlich hinstellt. Diese Wortwahl von einem, der doch sehr bewusst mit Sprache arbeitet, zu vernehmen, ist erstaunlich. Sie sind doch in keiner Opferrolle!
    Zum Schluss zum ewig währenden Vorwurf, die "Frommen" (wenn sie denen diese Zuschreibung sind sie selbst schuld, dass sie selber die Unfrommen werden) wollten einfach nicht denken, hier speziell zu ihrem Beitrag, "und deshalb verweisen sie immer wieder auf die Bekenntnisse". Ich verweise dazu gern auf die FC:
    "1. Wir glauben, lehren und bekennen, daß die einige Regel und Richtschnur, nach welcher zugleich alle Lehren und Lehrer gerichtet und geurteilt werden sollen, sind allein die prophetischen und apostolischen Schriften Alten und Neün Testaments; ..."

    Wer also fromm ist, der hat zu denken. Der hat auch die Bekenntnisse immer wieder an der Schrift zu prüfen. Wer die Bekenntnisse wirklich ernst nimmt, der kann sie gar nicht als blinde Betriebsanleitung verstehen. Dem unterstellen sie aber auch bitte nicht, dass er das vorhabe.



  • #15

    Frank Martin (Mittwoch, 25 Mai 2016 10:04)

    Sehr geehrter Herr Manuel,
    herzlichen Dank für Ihren sachlichen und freundlichen Beitrag. Es ist ja heute leider schon eine Bemerkung wert, wenn Menschen mit unterschiedlichen Überzeugungen dennoch Grundformen der Höflichkeit beachten.
    Als kleine Erwiderung: Wir sind keine Gegenbewegung zur SBI. Und die Entlassung , auf die hier mehrfach angespielt wurde, war Folge illoyalen Verhaltens und nicht eine Frage des Bekenntnisses. Niemand verbietet jemanden, die Bekenntnisse oder die Bibel so zu betrachten, wie dies etwa das Evangelisationsteam tut. Aber niemand erlaubt ihnen, ihre Sicht normativ zu machen. Nach meinem Eindruck ist genau das das Problem dieser Gruppe. Sie wähnen, die Wahrheit zu haben.
    Es geht uns aber wirklich nicht um das Gefühl, unterlegen zu sein. Wir wollen auch nicht Sieger*innen werden.
    Zu den Bekenntnissen: Ich habe aus diesem Grund zwei Texte geschrieben. Ich schätze die Bekenntnisse als Zeugnisse des Glaubens. Ich finde sie auch wichtig. Aber sie müssen vor Mißbrauch geschützt werden. Oder anders: Wir müssen uns davor hüten, sie zu mißbrauchen.
    "Verstehenshilfen" – das scheint mir ein guter Ausdruck. Sie sind Verstehenshilfen in ihrer Zeit. Wir brauchen heute wieder Verstehenshilfen; wir brauchen sie auch für diese Texte. (Das sollte ja eine theologische Kernkompetenz sein – Texte verstehen. Dazu – das wissen Sie sicher – gibt es auch Handwerkszeug. Irgendwann wird es auf unserer Homepage sicher auch noch einen Text zur Hermeneutik geben. Wenn Sie selbst Lust haben, etwas zu schreiben, sind Sie herzlich eingeladen.)
    In dem Sinn sind auch Abgrenzungen und Verwerfungen mitunter wichtig – wir reden ja nicht von grenzenloser Freiheit. Im Gegenteil: Freiheit ist immer nur in Grenzen – doppelt zu verstehen – möglich. Deshalb habe ich in dem Text zur Toleranz nach einer gemeinsamen Haltung gefragt.
    Aber – und das ist mir wichtig – weder der Verweis auf biblische Texte noch auf Bekenntnisse rechtfertigt eine inhumane Praxis. Diese Texte sind in ihrem Zeitkontext zu entschlüsseln und dann mit unserem Wissensstand zu konfrontieren – eingedenk der Tatsache, daß auch unser Wissensstand vorläufig ist, weshalb wir unseren Wissensstand ja auch mit diesen Texten konfrontieren.
    Und dann haben wir in der Verantwortung vor Gott und Menschen zu handeln. Das ist bei uns allen immer wieder zu hinterfragen. Das ist auch ein Grund, warum ich mich um diese gemeinsame Haltung bemühe, weil mein Wissen Stückwerk ist. Die Gemeinde gleicht aus, was mir fehlt. Und da kann und will ich nicht ausschließen, daß sich auch bei der SBI oder wem auch immer etwas von dem findet, was wichtig und richtig ist und mich korrigiert.
    Eine Bitte zum Abschluß: Nehmen Sie mich für das in die Pflicht, was ich schreibe, sage, tue. Gerade im Blick auf Toleranz habe ich einen Text eingestellt, der deutlich machen sollte, daß ich mich durchaus auch von dem absetze, was heute allzu oft unter dem Begriff verstanden wird. Und da möchte ich nichts rechtfertigen müssen, was ich selbst ablehne. Im Laufe der Zeit kommen vielleicht noch mehr Texte dazu. Ich lasse mich auch gerne nötigen, Rechenschaft zu geben von dem, was ich glaube. Fragen Sie gern. Aber wirklich nur davon. Ich spreche nämlich nicht für DIE Kirche oder DIE Theologie – ja, noch nicht mal für DAS Forum. Im Gegenteil: Wir wollen die sein, die miteinander sprechen. In dem Sinne haben Sie recht: Hauptsache, wir sprechen miteinander. Oder eingeschränkt: Hauptsache, wir fangen an, miteinander zu sprechen. Schön, wenn es dabei nicht bleibt.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin

  • #14

    Manuel (Mittwoch, 25 Mai 2016 08:40)

    Sehr geehrter Herr Martin,

    Ihren Text über Bekenntnisse habe ich mit großem Interesse gelesen. Eine kritische Anmerkung gleich am Anfang: Sie schreiben im Schlussteil:
    "Wirklich problematisch aber wird es, wenn eine Gruppe innerhalb der Evangelischen Kirche ihre Sichtweise absolut setzt und dann versucht, diese durch eine Drohkulisse normativ zu machen. Das ist dann nicht nur hilflos und traurig, das ist kirchenspaltend. Dem gilt es, in aller Klarheit entgegenzutreten."
    Ich darf höflich daran erinnern, dass diese Drohkulisse selbstverständlich auch von der "anderen Seite" - nämlich der toleranten - aufgerichtet wird, was die Auseinandersetzungen um das Evangelisationsteam (mit Entlassungen aus dem Dienst) widerspiegeln. Das war nicht weniger hilflos und traurig. Von einer wirklichen Toleranz sind beide Seiten außerordentlich weit entfernt - und die Tatsache, dass hier viele anonym (und ich auch) schreiben, zeigt dies deutlich. Das Misstrauen ist enorm.
    Vieles von dem, was Sie über Bekenntnisse schreiben, ist zutreffend. Und "blinde" Treue zu den Bekenntnissen ist wahrlich nicht angebracht. Was aber ist mit Menschen, die aus Verstehen heraus den Bekenntnissen treu bleiben wollen, weil sie in ihnen zutreffende Auslegung der Schrift entdeckt haben? Sie müssen ein wenig aufpassen, dass Sie - bei allem Respekt vor der Auseinandersetzung - Bekenntnisse nicht zu Feindbildern hochstilisieren. Sie sind auf ihre Weise sehr wohl sehr prägnante Verstehenshilfen - und waren in ihrer Zeit unverzichtbar. Das war Barmen 1934 auch - und das auch mit den Verwerfungsaussagen.

    Das Zustandekommen dieses Forums ist eine schöne Sache - zumal theologische Texte, die auch aus Gemeindepraxis heraus entstehen - mir immer großes Vergnügen bereiten. Bisher fehlte hierbei ein Gegenüber zur SBI - nun ist es da. Auch das ist ja sehr bemerkenswert: Immer dann, wenn sich die eine Seite unterlegen fühlt und die andere autoritär wirkt, bildet sich eine solche Gruppierung. So war es bei der Gründung der SBI vor einigen Jahren. Und nun wurde zur Überraschung aller im letzten Jahr Dr. Rentzing zum Landesbischof gewählt - und nun gibt es ein Forum für Gemeinschaft und Theologie. Hauptsache, wir sprechen miteinander.
    Freundliche Grüße und viel Segen für das Forum,
    Manuel.

  • #13

    Frank Martin (Mittwoch, 25 Mai 2016 08:17)

    Sehr geehrter Herr Tommy,
    worum es in diesem Forum geht, haben wir eigentlich sehr genau beschrieben. Wir bemühen uns um eine aufklärende Theologie. Das ist etwas anderes als eine aufgeklärte Theologie. Wir sind solidarisch mit den Kolleg*innen und Gemeindegliedern, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung – weil sie in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben – von unserer Kirche diskriminiert werden. Wir setzen uns dafür ein, daß die Kolleg*innen mit ihren Partner*innen ganz normal zusammenleben können wie wir auch. Wir wollen, daß es einen öffentlichen Segenszuspruch für die Menschen gibt, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben und diesen Segen wünschen.
    Und wir wollen für die Menschen ein Forum sein und mit den Menschen, die sich in der Sächsischen Landeskirche nicht mehr zu Hause fühlen, weil sie unsere Kirche als zu konservativ, zu reaktionär, zu evangelikal – oder wie auch immer finden, überlegen, wie wir uns Kirche wünschen und wie wir Gemeinde so gestalten, daß sie sich wieder zu Hause fühlen. Ganz wichtig für mich: Wie können wir die Relevanz des Evangeliums für heute erweisen? Was heißt es heute: Nachfolge Jesu?
    Nun habe ich zwei Texte geschrieben, über die wir diskutieren können. Natürlich können Sie auch unser Forum und das, was wir wollen, ablehnen. Sie können uns für unsere Ziele und unsere Überzeugungen kritisieren. Ich kritisiere ja auch die Überzeugungen und Ziele bestimmter Gruppen in unserer Landeskirche und bemühe mich, daß ihre Meinung nicht zum Maßstab für kirchliches Handeln wird. Nicht sinnvoll finde ich aber, wenn Sie uns wegen allgemeiner Beschwerden über den Zustand der Welt, wegen des Wetters oder aller Fehlentscheidungen der Kirchenleitung/ des Bischofs/ des Landeskirchenamtes/ einer/s Pfarrerin/s oder der Bundesregierung in die Pflicht nehmen.
    Über die Wahrheit können wir gerne reden. Nur fürchte ich, daß wir dafür keinen gemeinsamen Maßstab haben. Darum – und das habe ich in meinem Text zur Toleranz versucht deutlich zu machen – meine ich, daß wir nach einer gemeinsamen Haltung suchen sollten, wie wir trotz der Unterschiede so miteinander umgehen können, daß sichtbar bleibt, wem wir verpflichtet sind.
    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Martin


Bekenntnis und Glauben. Bekenntnis II

Bekenntnisse sind Glaubenszeugnisse. Als solche haben sie eine wesentliche Funktion. Sie reflektieren das Glaubensverständnis einer Zeit, in der eine Selbstvergewisserung notwendig ist. Bekenntnisse sind in hohem Maße Zeitgeist-Dokumente. Sie sind in ihrer Zeit verständlich, weil sie auf Fragen ihrer Zeit Antworten geben. In anderen Zeiten müssen sie verständlich gemacht werden, wenn sie denn angemessen verstanden werden sollen. Und nach meiner Überzeugung lohnt sich der Versuch, diese Bekenntnisse zu verstehen, weil sie nicht nur einen Einblick in die Geschichte der Kirchen und die Entwicklung der Theologie geben. Vielmehr sind es auch Glaubenszeugnisse vergangener Generationen, mit denen wir durch die Geschichte und den Glauben an Jesus als den Christus Gottes hindurch verbunden sind. Unser Glaube ist ein geschichtlicher Glaube, der in einer Diskursgemeinschaft dynamisch vermittelt wird. Dies ist ein Grund, warum es immer wieder neue Glaubensbekenntnisse gibt, während der Kanon der Bibel abgeschlossen ist. Es ist aber auch ein Grund, warum wir immer wieder um die und mit den Aussagen vergangener Zeiten ringen müssen.

Einen sprachlosen Glauben gibt es nicht. Glaube mündet im Bekenntnis des Glaubens. "Wer sagt Ihr, daß ich sei – Christus, des lebendigen Gottes Sohn."

 

Bekenntnisse formulieren gemeinschaftsstiftende Überzeugungen. Wer diesen Bekenntnissen zustimmt, bekennt sich also zu einer Gemeinschaft – unabhängig davon, wie er einzelne Aussagen des Bekenntnisses versteht oder interpretiert. Gerade im Rückblick auf Glaubensbekenntnisse – oder Glaubenssymbole, wie es ursprünglich hieß – wird klar, daß es deshalb auch nicht um blinde und fraglose Zustimmung geht. Glaubenssymbole müssen nicht einfach geglaubt, sie müssen erschlossen oder entschlüsselt werden. Diese Texte sind zu lesen, es ist zu lesen, was gemeint ist, um zu verstehen, warum es wie gesagt wird. Es ist zu erschließen, wie diese Texte das Evangelium Jesu Christi zur Sprache bringen und wo sie dem vielleicht auch im Weg stehen – uns Heutigen.

 

Und diese Texte entbinden uns nicht von der Aufgabe, im Heute, Hier und Jetzt zu bezeugen, was unter unseren Wissens- und Lebensvoraussetzungen Bezeugung des Evangeliums heißt. Wenn wir uns nicht von den Vorstellungen anderer Zeiten distanzieren, bedeutet das deshalb nicht, daß wir alles genauso glauben, wie sie es formuliert haben.

 

Glaubensbekenntnisse stiften Gemeinschaft. Verbunden mit dem Bekenntnis zu Gott, zu Jesus als dem Christus Gottes und zum Heiligen Geist ist das Bekenntnis zu einer Gemeinschaft, die diesen Glauben teilt. Dieser Glaube an den dreieinigen Gott ist das Band, welches Menschen miteinander verbindet. Damit werden zugleich alle anderen Abgrenzungskriterien nivelliert wie Nation, Rasse, Geschlecht, Milieu – oder was sonst Menschen sich einfallen lassen, um andere auszugrenzen. Wenn wir im Gottesdienst gemeinsam unseren Glauben bekennen, bekennen wir uns eben auch zu dieser weltumspannenden Gemeinde als Wirkung des Heiligen Geistes – und das verbindet uns stärker mit den Menschen, die an den Grenzen Europas um Hilfe flehen als mit unseren Volksgenossen. Und da wir Gottes Souveränität bekennen, können wir niemanden ausschließen, weil wir nicht wissen, wen Gott als sein Kind berufen hat – um dies in fundamentalistischer Denktradition zu formulieren. Denn wer sollte uns, die wir einst Ferne waren und nun Nahe sind, ernsthaft fern sein?

 

Dieses Bekenntnis zur Gemeinde ist für die kein Problem, die das Christentum als große Selbstverständlichkeit kennenlernen. In DDR-Zeiten war das Bekenntnis zu Jesus als Bekenntnis auch zur Kirche Jesu durchaus nicht selbstverständlich. In ähnlicher Weise war es in der Alten Kirche ein deutliches und öffentliches Zeichen. Wer sich taufen ließ – und damit den Glauben an Jesus bekannte, stellte sich zugleich in die Gemeinschaft der Christ*innen, die noch lange im Römischen Reich belächelt oder nicht ernst genommen worden. Ein eindrückliches Beispiel dafür liefert Augustinus im 8. Buch der Bekenntnisse, wo er über die Bekehrung und Taufe des Victorinus berichtet: "Er las, wie Simplicianus erzählte, die Heilige Schrift, suchte und durchforschte alle christlichen Schriften und sagte dann zu Simplicianus, nicht öffentlich freilich, sondern mehr heimlich und im Vertrauen: »Wisse, ich bin auch schon ein Christ«. Da entgegnete dieser: »Ich glaube es nicht eher und zähle dich nicht eher zu den Christen, als bis ich dich in der Kirche sehe«. Lachend antwortete Victorinus: »Also machen die Mauern den Christen?« Und öfters erklärte er so, ein Christ zu sein, aber immer gab ihm Simplicianus die nämliche Antwort, worauf jener freilich ebenso oft sein Gespött über die Wände wiederholte. Denn er fürchtete, bei seinen Freunden anzustoßen, den stolzen Verehrern der Götzen, und glaubte, ihre Feindschaft würde ihn gewaltig treffen von der Höhe ihres Ansehens in der Welt wie die Zedern des Libanon, die der Herr noch nicht zerschmettert hat. Aber als er durch Lektüre und eifrige Forschung festen Grund gewann, fürchtete er, von Christus vor seinen heiligen Engeln verleugnet zu werden, wenn er sich vor den Menschen fürchtete, ihn zu bekennen; er glaubte, eine schwere Schuld auf sich zu laden, wenn er sich der Geheimnisse deiner demütigen Worte, nicht aber der gottlosen Mysterien hoffärtiger Dämonen schämte, denen er in hoffärtiger Nachahmung ergeben war. Jetzt entsagte er der falschen Scham und der Eitelkeit und schämte sich vor der Wahrheit, und unvermutet sprach er zu Simplicianus, wie dieser selbst mir erzählte:

 

»Laß uns zur Kirche gehen, ich will Christ werden«. Da wußte sich dieser kaum vor Freude zu fassen und ging mit ihm dorthin. Sobald Victorinus aber in die ersten Geheimnisse der christlichen Lehre eingeweiht war, ließ er sich bald darauf zum Erstaunen Roms und zur Freude der Kirche in die Zahl der Täuflinge einschreiben. Die Stolzen sahen es und ergrimmten, sie knirschten mit den Zähnen und vergingen vor Wut. Doch du, Herr Gott, warst »die Hoffnung deines Dieners, und er schaute nicht zurück auf Eitelkeiten und lügenhaften Wahn«.

 

Endlich kam die Stunde heran, da er das Glaubensbekenntnis ablegen sollte; in Rom pflegen diejenigen, die deine Gnade empfangen wollen, es in bestimmt gefaßten und auswendig gelernten Worten von einem erhöhten Orte aus und angesichts der Gläubigen zu tun. Die Priester schlugen nun, wie Simplicianus erzählte, ihm vor, dies in der Stille zu tun, was man in der Regel auch Schüchternen vorschlug, bei denen man eine Unsicherheit befürchtete; jener aber zog vor, sein Heil im Angesichte der heiligen Menge zu bekennen. Denn in der Rhetorik, die er vortrug, war kein Heil, und doch hatte er sie auch öffentlich vorgetragen. Hatte er früher sich nicht gescheut, seine Worte an die Scharen der Toren zu richten, so brauchte er sich jetzt umso weniger zu scheuen, vor deiner friedlichen Herde dein Wort auszusprechen. Als er daher hinaufstieg, um das Glaubensbekenntnis abzulegen, murmelten sich alle unter Glückwünschen mit lautem Jubel seinen Namen zu; alle kannten ihn ja. Und mit gedämpfter Stimme erklang es freudig aus aller Munde: »Victorinus! Victorinus!« Schnell brachen sie, als sie ihn sahen, da in Freudengeschrei aus, aber ebenso schnell verstummten sie wieder, weil sie ihn hören wollten. Mit herrlicher Zuversicht bekannte er den wahren Glauben, und alle wollten ihn in ihr Herz einschließen; und fürwahr in Liebe und Freude schlossen sie ihn ein. Freude und Liebe waren die Arme, womit sie ihn in ihr Herz zogen."

 

In diesem Sinne sind Glaubensbekenntnisse gemeinschaftsstiftend und glaubensstärkend. Sie dokumentieren die Zugehörigkeit eines Menschen zur Gemeinde Jesu. Dieses Bekenntnis zur Gemeinde Jesu hatte (und hat) weitreichende Implikationen. Wer sich durch das Bekenntnis zu Jesus zur Gemeinde Jesu bekannte, machte sich mit den Christ*innen gemein, von denen es hieß: Da ist nicht mehr Mann noch Frau, nicht Grieche oder Jude, nicht Sklave oder Herr, sondern ihr seid alle eins in Jesus Christus. All die schönen Unterscheidungen, die auch heute noch – und traurigerweise auch in der Gemeinde Jesu – Menschen in Oben und Unten & Drinnen und Draußen unterscheiden und allen ihren Platz zuweisen, werden nivelliert – so, wie auch die Tischgemeinschaften Jesu während seiner Wirksamkeit alle Unterschiede, die Menschen so machen, großartig ignorierte.

 

Ich stimme diesem Bekenntnis zu und damit erkläre ich mich Dir, die oder der Du mir vollkommen fremd bist, zum Bruder, zur Schwester. Und wenn das Bekenntnis in diesem Sinne verstanden wird, dann ist das nicht mehr exklusiv – indem es sich von anderen abgrenzt. Es wird inklusiv, weil es in den noch Fernen potentiell Nahe erkennt – wie auch ich ja fern war und nun dazu gehöre.

 

Bekenntnisse dienen der Klärung von Überzeugungen. Sie stabilisieren in unruhigen Zeiten, weshalb vor allen in diesen Zeiten Bekenntnisse entstehen. Sobald sie aber nur noch bewahren sollen, stehen sie dem Geist Jesu entgegen, da das Christentum auf Überwindung und Erneuerung angelegt ist – nicht auf die Bewahrung. Auch Grenzen sind zu überwinden – das gilt auch für Bekenntnisse. In diesem Sinne stellten beispielsweise die Römisch-katholische und die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in den 80./ 90. Jahren des vergangenen Jahrhunderts fest, daß die Verwerfungsurteile, die in Bekenntnistexten der Kirchen im 16. Jahrhundert formuliert wurden, im Lichte neuerer Erkenntnisse nicht mehr zuträfen – weshalb die gezogenen Grenzen zu überwinden seien.

 

In diesem Sinne sind Bekenntnisse nicht Ontologie, sondern Ekklesiologie. Als solche sind sie mitunter wichtig und notwendig – wie es auch die Barmer Theologische Erklärung zeigte, die in Sachsen bedauerlicherweise nicht als Bekenntnis gilt. Und so sind sie auch immer wieder notwendig mit je der Gegenwart ins Gespräch zu bringen, weil sie uns in unserem Zeitgeist heilsam in Frage stellen, wie auch wir sie und den Zeitgeist ihrer Zeit in Frage stellen müssen, der ja in ihnen manifest wird. Damit werden die Bekenntnisse zur geschichtlichen Klammer, die uns immer wieder vergegenwärtigt, daß Gott ein Gott ist, der uns durch unsere Geschichte begleitet, in der er der eine Gott bleibt.

 

 

Frank Martin

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Kritikversuch (Mittwoch, 18 Mai 2016 11:28)

    " Bekenntnisse dienen der Klärung von Überzeugungen. Sie stabilisieren in unruhigen Zeiten, weshalb vor allen in diesen Zeiten Bekenntnisse entstehen. Sobald sie aber nur noch bewahren sollen, stehen sie dem Geist Jesu entgegen, da das Christentum auf Überwindung und Erneuerung angelegt ist – nicht auf die Bewahrung."

    Bekenntnisse sind mehr als Stabilisatoren (E335). Die lutherischen Bekenntnisse (und Sachsen versteht sich nunmal als lutherische Kirche) verstehen sich selbst als reinste Auslegung der heiligen Schrift. Insofern haben sie selber den Anspruch, Teil des hermeneutischen Zirkels (Schrift, Bekenntnis, Leser) zu sein. Altprotestantisch gesagt, wollen sie als von Schrift normierte Äußerung ein Leseverständnis der Schrift bieten.

    Dass das Christentum auf Überwindung und Erneuerung angelegt sei, ist hier eine nicht weiter ausgwführte Floskel. Ja, natürlich ist es das; aber in Bezug worauf? Steht Erneuerung nicht auch in einem Verhältnis zur Bewahrung? Eine Reformatio will ja gerade das wieder zum Vorschein bringen und damit bewahren, was der Lauf der Zeit verschüttet hat, so zumindest das Verständnis des Wortes selbst - ob das dann gelingt/gelungen ist, darüber lässt sich ja gern streiten. Aber, zur Erneuerung braucht es ja immer auch Anstöße. Und genau den kann eben auch ein Bekenntnis bieten.


    "In diesem Sinne sind Bekenntnisse nicht Ontologie, sondern Ekklesiologie. Als solche sind sie mitunter wichtig und notwendig – wie es auch die Barmer Theologische Erklärung zeigte, die in Sachsen bedauerlicherweise nicht als Bekenntnis gilt."

    Nun, ein Blick in die Verfassung der EvLKS verdeutlich die besondere Rolle der BTE, die den lutherischen Kirchen doch schon zur Entsehungszeit offenkundig theologische (nicht politische!) Probleme bereitete. Und in diesem Rahmen bewegen Sie sich nun einmal: Einer sich selbst als lutherisch verstehende Kirche, die sich mit dem dadurch bedingten Erbe und Bekenntnisverständnis in der Welt bewegt.